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Deutsche Beihilfe zur gezielten Tötung?

Sven Pöhle26. November 2013

Deutsche Geheimdienste schöpfen sicherheitspolitisch relevante Auskünfte von Asylbewerbern ab und teilen sie auch mit US-Geheimdiensten. In bestimmten Fällen kann dies gegen das Völkerrecht verstoßen.

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Geheimes Dokument (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance

Im "Kampf gegen den Terror" setzen die Vereinigten Staaten seit Jahren auch auf gezielte Tötungen mittels Kampfdrohnen. Auskunft über mögliche Ziele erhalten US-Geheimdienste offenbar auch aus Deutschland, wo deutsche Geheimdienste Informationen von Asylbewerbern sammeln.

Die sogenannte Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) forscht Asylbewerber in Deutschland gezielt aus. Von besonderem Interesse für die Mitarbeiter der Behörde, die ebenso wie der Bundesnachrichtendienst (BND) direkt dem Kanzleramt unterstellt ist, sind auch Informationen über mutmaßliche Terroristen aus dem Land des Asylbewerbers.

Nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) und des Norddeutschen Rundfunks (NDR) könnte Deutschland durch die Weitergabe dieser Informationen der Asylbewerber an gezielten Tötungen der USA in anderen Ländern beteiligt sein.

Dabei steht im Entwurf der Arbeitsgruppe "Außen, Verteidigung und Sicherheitspolitik" für den Koalitionsvertrag, in dem CDU/CSU und SPD eine gemeinsame Position für die künftige Bundesregierung festlegen: "Extralegale, völkerrechtswidrige Tötungen lehnen wir kategorisch ab".

Immigrant als Informant

Der BND bestätigt gegenüber der Deutschen Welle, dass ihm die von der HBW erhobenen Daten zur Verfügung stehen und diese gegebenenfalls auch an internationale Partner weitergegeben werden.

Regierung verteidigt BND

Diese Weitergabe von Informationen kann aber problematisch sein, denn Daten wie Handynummern oder der Aufenthaltsort möglicher Zielpersonen können US-Geheimdiensten dabei helfen, Terrorverdächtige weltweit aufzuspüren, festzunehmen oder gegebenenfalls zu töten.

Deutsche Beihilfe zu einem Völkerrechtsverstoß?

"Wenn Deutschland den Amerikanern Daten liefert, die diese dann für rechtswidrige Aktionen benutzten, leistet Deutschland Beihilfe zu einem Verstoß gegen das Völkerrecht", sagt Robert Frau, Völkerrechtler an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

Umstritten ist aber, ob die Drohneneinsätze gegen das Völkerrecht verstoßen und somit die Bundesregierung dazu Beihilfe leistet. Denn international besteht keine Einigkeit über die rechtlichen Grenzen gezielter Tötungen.

Washington rechtfertigt den Einsatz der unbemannten Waffensysteme mit dem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt gegen den weltweiten Terrorismus, in dem man sich befände. Die Gegner: Al-Kaida und assoziierte Gruppen. So führen die USA auch gezielte Tötungen durch, bei denen Gegner, die als potenzielle Gefahr angesehen werden, ohne Gerichtsverfahren getötet werden.

In bewaffneten Konflikten gelten unmittelbar an Kampfhandlungen teilnehmende Personen als legitime Ziele. "Dann ist der Drohneneinsatz nicht anders zu bewerten, als beispielsweise der Einsatz einer Rakete oder wenn Soldaten mit Gewehren schießen", sagt Robert Frau. Eine gezielte Tötung wäre demnach kein Verstoß gegen das Völkerrecht. In einem bewaffneten Konflikt befinde sich die USA ebenso wie Deutschland beispielsweise in Afghanistan. Sollte die Bundesregierung Daten deutscher Staatsbürger in Afghanistan weitergeben, die von den USA zu einer gezielten Tötung genutzt werden, läge demnach kein Verstoß gegen das Völkerrecht vor.

Anders sei die Lage aber beispielsweise in Somalia, sagt Robert Frau: "Dort ist Deutschland nicht in einem bewaffneten Konflikt. Außerhalb des bewaffneten Konflikts gelten andere Regelungen. Das bedeutet, grundsätzlich sind Tötungen da erstmal nicht rechtmäßig."

Eine US-Drohne vom Typ MQ-9 Reaper hebt von der Creech Air Force Base im US-Bundesstaat Nevada ab. (Foto: Ethan Miller/Getty Images)
Unter der Obama-Regierung haben gezielte Tötungen von Terrorverdächtigen massiv zugenommenBild: Getty Images

Liefert Deutschland Informationen, die zu "gezielten Tötungen" führen?

Ob Informationen aus Deutschland in der Vergangenheit tatsächlich Grundlage für eine gezielte Tötung waren, ist aber kaum nachweisbar. Die Bundesregierung verweist bei entsprechenden Anfragen auf die Notwendigkeit, sensible Informationen geheim zu halten.

Selbst Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der als Mitlied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) auch Einsicht in geheime Akten der Bundesregierung hat, liegen keine derartigen Erkenntnisse vor. Er könne bis heute nicht beweisen, dass Informationen aus Deutschland in einem Fall die Grundlage für einen Drohnenangriff gewesen seien, so Ströbele.

Das Problem bestehe darin, dass man von deutscher Seite eben nicht ausschließen könne, dass die Daten auch für rechtswidrige Tötungen eingesetzt werden, sagt Ströbele. Denn was die USA mit den in Deutschland gewonnenen Daten anfangen, wissen die deutschen Behörden nicht. "Wir müssen von unseren Diensten einfordern, dass Informationen nicht weitergegeben werden, die zu gezielten Tötungen führen", fordert Ströbele daher.

Der deutsche Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Foto: REUTERS/Thomas Peter)
Ströbele: Keine Weitergabe von Daten, die zu gezielten Tötungen führen können.Bild: Reuters

Nach Ansicht der Bundesregierung tut man hier bereits genug. Der BND verweist auf das sogenannte Übermittlungsverbot, eine interne Dienstvorschrift bei der Weitergabe von Erkenntnissen an internationale Partner. Dort heißt es unter anderem: "Die übermittelten Daten dürfen nicht als Grundlage oder Begründung für (...) eine Verurteilung zum Tode verwendet werden."

Es herrscht allerdings Uneinigkeit, welchen Daten demnach tatsächlich übermittelt werden dürfen. So verweist der BND beispielsweise darauf, dass GSM-Mobilfunkdaten für "eine konkrete Zielerfassung zu ungenau sind". IT-Sicherheitsexperten wie Marco Di Filippo widersprechen: Technisch sei es jederzeit möglich, die Position eines Mobiltelefons von jedem Ort der Welt aus zu orten.

Sind die Daten einmal übermittelt, sei es wahrscheinlich, dass die US-Geheimdienste diese auch in ihrem Sinne nutzen, glaubt Völkerrechtler Robert Frau. "Man kann als Staat nicht darauf vertrauen, dass man Daten weitergibt, aber versehen mit der ausdrücklichen Bitte, sie nicht zu illegalen Akten zu benutzen."