Gipfelsturm am Tafelberg
27. November 2012Nebel oder Wolken legen sich nicht selten wie eine Tischdecke über den Tafelberg in Kapstadt. Besuchern der Metropole am Atlantik wird daher angeraten, bei klarer Sicht nicht erst groß abzuwarten, sondern unverzüglich das 1087 Meter hohe Plateau zu erkunden. Schon seit 1929 führt eine Seilbahn hinauf, heute transportiert eine Gondel bis zu 800.000 Menschen pro Jahr nach oben. Der "Table Mountain" ist damit eine der größten Touristenattraktionen Südafrikas und er verleiht Kapstadt das Attribut, eine der schönst gelegenen Städte der Welt zu sein.
Auch für uns, eine kleine Besuchergruppe aus Deutschland, gehört der Tafelberg mit seiner 3,5 Kilometer langen Abbruchkante zum Pflichtprogramm. Wir haben uns aber gegen die Auffahrt mit der Seilbahn entschieden und uns stattdessen einem erfahrenen Bergführer anvertraut, der uns in gut zwei Stunden sicher nach oben leiten will. Pete Statham vom Outdoor-Veranstalter "Adventure Works" hat unter zwölf offiziellen Wegen eine populäre Route ausgewählt. "Sie ist steil und kräftezehrend, aber technisch nicht sehr schwierig", betont der 32-Jährige, der seine eigenen Aufstiege schon gar nicht mehr zählen kann.
Der unterschätzte Berg
Der Einstieg zum "Platteklip Gorge" beginnt gut zwei Kilometer östlich der Talstation, bereits auf halber Höhe des Tafelbergs. Der Weg führt über fünf Kilometer durch die für die Region typische, farbenprächtige Fynbos-Vegetation, 500 Höhenmeter sind nahezu vertikal zu bewältigen. Doch zu sehen ist an diesem Morgen fast nichts. Nebel lässt die Mäanderroute nur halbwegs erahnen. Wir haben den Rat mit dem schönen Wetter leider sträflich vernachlässigt. Wanderführer Pete gibt sich jedoch optimistisch: "Oben scheint die Sonne", sagt er mit einem Lächeln. Glauben schenken wir ihm nicht.
Zumindest ein Mitglied der Wandergruppe ist nicht betrübt. Charlotte leidet unter einer gewissen Höhenangst und freut sich, mögliche Abgründe nicht sehen zu können. Schnell machen wir Höhenmeter, der mit Granitsteinen hervorragend präparierte Weg erinnert an eine Treppe - nur sind die Stufen sehr uneben, unterschiedlich hoch und damit ganz schön anstrengend.
"Insgesamt 400 Pfade führen nach oben, einschließlich der Kletterwege über die Felsen", erklärt Pete. Einige seien jedoch aus Sicherheitsgründen nicht für die Öffentlichkeit geöffnet. Eine gute Alternative für den sportlichen Wanderer sieht Pete im sieben Kilometer langen "Pipe Track". Er gilt als am wenigsten anstrengend. Der schnellste Aufstieg führt über den "Skeleton Gorge Trail". Hier müssen aber einige Holzleitern bewältigt werden.
Bergführer Pete empfiehlt, den Tafelberg möglichst früh am Morgen zu besteigen, klettern doch die Temperaturen im Sommer schnell auf 32 Grad Celsius. Auch böten viele Routen nur wenig Schatten. Eigentlich sei der Tafelberg relativ leicht zu bewältigen. "Doch da er nah zur City thront, gehen viele Besucher ohne die nötige Ausrüstung hinauf", warnt Pete. "Sie haben kein Wasser und keinen Sonnenschutz dabei, oft falsches Schuhwerk an oder verzichten auf warme Kleidung." Dann sei auch der Tafelberg nicht ganz ungefährlich, vor allem im Winter könnten die Wege "wegen des vielen Regens" sehr rutschig sein.
Lauf über drei Gipfel
Wir sind an diesem Tag nicht allein auf dem gut gekennzeichneten "Platteklip Gorge". Der Weg ist vielmehr dicht bevölkert: Läufer hasten vorbei in Richtung Gipfel, andere hüpfen nahezu wieder dem Tal entgegen. Es sind Teilnehmer der "Three Peaks Challenge". Die Herausforderung besteht darin, zunächst auf den Devil's Peak (1002 Meter) zu steigen, dann auf den Tafelberg (1087) und schließlich noch den Lion's Head (669) zu erklimmen. Dabei müssen die 120 zugelassenen Athleten nach jedem Gipfel wieder zum Start und Ziel am Greenmarket Square im Zentrum Kapstadts zurückkehren. Trotz der Strapazen geht alles aber sehr entspannt zu. Läufer und Wanderer liefern sich viele aufmunternde Wortwechsel. Der Sieger schafft an diesem Tag übrigens alle drei Gipfel des Tafelbergmassivs in vier Stunden und 50 Minuten, ein neuer Rekord.
Für uns wird die Wanderung am Tafelberg, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, nun ein wenig dramatisch. Wir durchschreiten eine spektakuläre Felsverengung, das Ende der Tour ist damit aber auch in Sicht. Dieser Abschnitt ist noch einmal besonders steil. An manchen Tagen herrschen hier auch starke Winde, und es kann recht kalt sein. Nach rund zwei Stunden stehen wir schließlich oben auf dem Tafelberg, reichlich erschöpft und doch belohnt: denn wie von Pete vorausgesagt, scheint die Sonne von einem tief blauen Himmel. Zudem begrüßen uns einige kreisende Greifvögel, Eidechsen sowie putzige Klippschliefer, auch Dassies genannt. Diese an ein Murmeltier erinnernden Nager sind tatsächlich mit Elefanten und Seekühen verwandt.
Wir wähnen uns derweil im Hochgebirge. Nur die umliegenden "Peaks" ragen aus den Wolken im Tal hervor, Kapstadt allerdings bleibt immer noch unsichtbar. Wir genehmigen uns einen Kaffee im Gipfelrestaurant und kommen danach aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Wolken sind plötzlich verschwunden. Kapstadt mit seinen Stränden am Atlantik und dem markanten Oval des WM-Stadions liegt uns zu Füssen. Das Panorama ist tatsächlich nicht nur wegen der Wanderstrapazen atemberaubend. Und nicht zu unrecht wird der Tafelberg zu einem der sieben Naturwunder weltweit gezählt.
Radtour durch die Winelands
Während sich die "Drei-Gipfel-Läufer" wahrscheinlich noch am Lion's Head tummeln, suchen auch wir eine neue Herausforderung. Gemeint ist nicht die schnelle und gelenkschonende Abfahrt mit der rotierenden Gondel, die jedem Passagier einen 360-Grad-Blick ermöglicht. Vielmehr ist noch eine Radtour durch die Winelands angesagt. Nach einer knapp einstündigen Autofahrt ins Hinterland von Kapstadt erreichen wir das Weinstädtchen Franschhoek. Wieder ist Pete unser Guide. Er verspricht uns "eine sehr einfache Fahrradtour über die Nebenstrassen der Weinfarmen, verbunden mit Weinproben".
Franschhoek, von aus Frankreich ausgewanderten Hugenotten im 17. Jahrhundert gegründet, liegt umgeben von Weinbergen in einem großen Tal unweit von Stellenbosch. 42 Weingüter produzieren hier Chardonnay, Sauvignon Blanc, Merlot, Shiraz und Pinot Noir. Mit Mountainbikes und Radhelmen ausgerüstet erkunden wir zunächst das französische Flair von Franschhoek, das wegen seiner guten Restaurants als "Gourmet-Metropole des Kaplandes" gilt. Die Hauptstraße ist zudem mit Galerien, Kunst- und Antiquitätengeschäften gesäumt. Weiter geht es entlang der traubenbehangenen Weinberge zur ersten Weinverkostung.
Pete rät uns, "nicht all zu viel Wein zu probieren". Zum einen gelte es, das Fahrrad weiter sicher zu beherrschen, zum anderen stehe noch eine zweite Weinprobe auf dem Programm. Insgesamt dauert die Tour gute vier Stunden, sie geht unfallfrei zu Ende.