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Globaler Trend hin zu erneuerbarer Energie

Gero Rueter19. Juli 2013

Erneuerbare Energien etablieren sich nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. In einem Zukunftsbericht prognostizieren Experten, dass der Anteil von Strom aus Wind, Sonne und Biomasse stetig steigen wird.

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Wind und PV-Anlage in Wörrstadt, Deutschland (Foto: JUWI/Jan Hosan)
Bild: JUWI/Fotograf: Jan Hosan

Lange Zeit wurde die Rolle der erneuerbaren Energien stark unterschätzt: Die internationale Energieagentur und Weltbank verkannten in früheren Prognosen deren Dynamik und Potenzial. Dabei ist die globale Wind- und Sonnenstromerzeugung heute rund zehn Mal höher als vorhergesehen.

Weltweit wird inzwischen jährlich mehr in erneuerbare Kraftwerke investiert als in fossile und atomare Kraftwerke zusammen. Und der Trend zu immer mehr erneuerbarer Energie wird weiter global zunehmen, prognostizieren führende Energieexperten aus der ganzen Welt.

Ein Mosaik von der Zukunft

Nach Angaben von Christine Lins liegt der Anteil von erneuerbaren Energien am globalen Strommix heute bei "ungefähr 25 Prozent". Lins ist Generalsekretärin von REN21 mit Sitz in Paris, dem Renewable Energy Policy Network for the 21st Century.

Generalsekretärin Christine Lins von REN21(Foto: DW/G.Rueter)
Christine Lins, Generalsekretärin von REN21Bild: DW/G.Rueter

Das Netzwerk dokumentiert die globale Entwicklung der erneuerbaren Energien jährlich mit einem Bericht und berät internationale Entscheidungsträger beim Umbau der Energiesysteme.

Im Januar 2013 gab REN21 mit dem "Global Futures Report Renewables" auch erstmalig einen speziellen Zukunftsbericht heraus, der auf der Internationalen Energiekonferenz in Abu Dhabi vorgestellt wurde. "Wir wollten wissen, was die Experten aus Wirtschaft und Politik über die Zukunft der erneuerbaren Energieträger denken", so Christine Lins im DW-Interview.

Der Bericht zeichnet ein Mosaik der möglichen Entwicklungen und basiert auf 170 umfangreichen Interviews mit Energie-Experten und 50 Energieszenarien aus der ganzen Welt. Finanziert wurde der Bericht unter anderen von der Bundesregierung, den Vereinten Nationen und dem World Future Council.

Gute Rahmenbedingungen in 120 Ländern

Als Vorreiter bei der Energiewende sehen die befragten Experten Deutschland und Europa. Zunehmend setzen jetzt aber auch viele Schwellen- und Entwicklungsländer auf Energie aus Wasser, Wind und Sonne.

"Mittlerweile gibt es in über 120 Ländern politische Rahmenbedingungen für die Entwicklung von erneuerbaren Energien, mehr als die Hälfte davon sind Entwicklungsländer", sagt Lins. Bei der zukünftigen Entwicklung sehen die befragten Experten vor allem China, Indien, Japan und Brasilien mit vorn.

Nach Angaben des "Global Future Report" führt China bei den Investitionen in erneuerbare Energien seit dem Jahr 2010 und will auch in den nächsten Jahrzehnten an der Spitze bleiben. Über 130 Millionen Haushalte erwärmen ihr Wasser bereits mit Solaranlagen, mehr als die Hälfte aller Anlagen auf der Welt sind auf chinesischen Dächern installiert.

Auch bei der Windenergie führt China. Mit rund 80 Gigawatt hat das ostasiatische Land bereits mehr als doppelt so viel Leistung wie Deutschland installiert und nach Einschätzung von Experten wird sich die installierte Windkraft in China bis 2020 noch mal verdoppeln.

Warmwasserkollektoren auf den Dächern in Kunming (China). (Foto: DOE/NREL)
In der chinesischen Zehn-Millionen-Metropole Kunming gehören Warmwasserkollektoren auf den Dächern zum StadtbildBild: DOE/NREL

Nach dem Atomunglück von Fukushima setzt nun auch Japan auf einen starken Ausbau von Wind und Sonnenenergie. Bis 2030 sollen 30 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen.

Auch Brasilien gehört zu den Vorreitern: 80 Prozent des Stroms stammen aus erneuerbaren Energien, vor allem aus Wasserkraft. Derzeit werden vor allem neue Windräder aufgestellt, bis 2020 soll eine Kapazität von 16 Gigawatt in Brasilien stehen.

Führend ist Brasilien vor allem bei der Bioethanolproduktion, mehr als die Hälfte des brasilianischen Kraftstoffs kommt aus Biomasse und bis 2020 wird eine Verdreifachung der Bioethanolproduktion vorausgesagt.

Städte zeigen, wie es geht

Städte und Gemeinden sind oft Vorreiter bei der klimafreundlichen Energieversorgung. Nach Angaben des Global Future Reports sind es weltweit über 4500 Städte, die hier besonders vorangehen, effiziente Gebäude und Verkehrssysteme fördern und auf eine erneuerbare Energieversorgung umstellen.

"Man wird unabhängiger von Energie-Importen, schafft Jobs und trägt zum Umweltschutz bei", fasst REN21-Generalsekretärin Lins die Vorteile und Motive zusammen.

Zu den Trendsettern gehören viele kleine Kommunen in Deutschland, wie Feldheim bei Berlin, die schon zu 100 Prozent ihren Strombedarf mit erneuerbaren Energien decken.

Bei den Großstädten bemüht sich vor allem Kopenhagen um die Führungsposition. Bis 2025 will die dänische Metropole erste CO2-neutrale Hauptstadt der Welt werden: mit Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien, effizienten Gebäuden, der Förderung von Fahrrad und Fußverkehr sowie Elektromobilität.

Glaubwürdige Szenarien mit viel erneuerbarer Energie

Die Energie nicht nur für Strom, sondern auch für Heizung, Industrie und Transport kommt heute weltweit zu 19 Prozent aus erneuerbarer Energie. Konservative Szenarien von Ölkonzernen und Industriegruppen gehen davon aus, dass der Anteil in Zukunft nicht wesentlich höher sein wird.

Andere Szenarien mit moderatem und hohem Wachstum prognostizieren bis zum Jahr 2050 einen Anteil der Erneuerbaren Energien an der globalen Versorgung zwischen 30 und 95 Prozent.

Die befragten Experten beziehen sich vor allem auf Szenarien mit hohen Wachstumsraten von erneuerbarer Energie. Wegen seiner Gründlichkeit wird vor allem das sehr umfassende globale "Energy (R)evolution Scenario" vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) zitiert. Im Auftrag von Greenpeace wird es regelmäßig aktualisiert.

Infografik Szenario für Umstieg auf Erneuerbare Energien in der Welt bis 2050 (Grafik: DW)
Neun Milliarden Menschen könnten 2050 zu 84 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden, sagen Experten

Stromkonzerne müssen sich umstellen

Rückenwind bekommen die erneuerbaren Energien durch den Kostenvorteil. Vor allem Wind- und Sonnenstrom wird im Vergleich zu fossiler und atomarer Energie immer günstiger. Nach Ansicht eines Industrie-Experten, der wie viele andere Interviewpartner im REN21-Bericht anonymisiert ist, könnte im Jahr 2050 die Fotovoltaik mit einer installierten Leistung von über 8000 Gigawatt weltweit 80 Mal mehr Sonnenstrom als heute erzeugen.

Auch die derzeit günstigste Stromquelle, die Windenergie, wird nach Ansicht der Experten weiter kräftig wachsen. Am optimistischen äußert sich eine im REN21-Bericht eine ebenfalls anonymisierte Führungskraft aus der Windindustrie: Im Jahr 2020 werde die installierte Windkraftleistung 1000 Gigawatt betragen. Das wäre mehr als das drei Mal so viel wie heute und entspricht der Leistung von über 1000 Atomkraftwerken.

Auf den Energiemärkten sagen die befragten Experten sehr starke Veränderungen voraus. "Traditionelle Energieversorger müssen sich umstellen und neue Businessmodelle entwickeln, um zukünftig konkurrenzfähig zu bleiben", sagt Christine Lins.

Der "Global Future Report" zeigt aber auch auf, dass immer mehr Energieversorger auf erneuerbare Energien setzen und damit auch verdienen können. Der dänische Stromkonzern Dong wird hier als positives Vorbild genannt. Statt Kohle setzt Dong auf Wind, Sonne und Biomasse und will so seine CO2-Emissionen um 50 Prozent bis 2020 und 85 Prozent bis 2040 reduzieren.

DW Infografik für Stromkosten in Europa 8.7.2013
Fossil und atomar erzeugter Strom ist in der Gesamtbetrachtung deutlich teurer als Wind- und Solarkraft

Mehr Flexibilität gefragt

Allerdings deckt sich die Erzeugung von Wind- und Sonnenstrom nicht immer mit der Nachfrage vor Ort. Aus diesem Grund halten die Experten den regionalen und internationalen Netzausbau für besonders wichtig.

Ebenso müsse man Kraftwerke mit Biomasse, Wasserkraft, Pumpspeicher und Solarthermie aufbauen, um flexibel auf die Stromnachfrage reagieren zu können. Große Batteriespeicher sind nach Ansicht der Experten derzeit noch zu teuer.

Sehr viel Energie wird weltweit in Gebäuden für Heizung, Kühlung und Warmwasser verbraucht. Ab Ende dieses Jahrzehnts dürfen neue Gebäude in der EU aber kaum noch fossile Energien nutzen. Ausgelöst durch diese Vorgabe und den Trend, günstigen Strom mit einer Solaranlage auf dem Dach selbst zu produzieren, prophezeien die Experten in den kommenden Dekaden ein sich änderndes Städtepanorama: Solaranlagen werden die Dachflächen dominieren.

Schnell wachsender Markt für Elektrofahrzeuge in China und Indien

Der Anteil von Erneuerbaren Energien im Transportsektor ist weltweit gering, beim Kraftstoff liegt er bei drei Prozent. Um diesen Anteil wesentlich zu erhöhen, halten die Experten effizientere und leichtere Fahrzeuge für nötig, die dann mit Biokraftstoff, Batterie oder Brennstoffzelle fahren.

Einige Elektrofahrzeuge gibt es, und einen schnell wachsenden Markt für Mikro-Fahrzeuge, Elektroroller und Elektrofahrräder beobachten die Experten bereits in China und Indien. Viele Experten zeigen sich überzeugt, dass Elektrofahrzeuge im Transport zukünftig dominieren werden. Einige sehen den Beginn dieser Ära noch vor 2020, andere zwischen 2020 und 2030.