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Ende der Kühlkette

Klaus Esterluss3. Juli 2015

Die Weltmeere sorgen für ein verträgliches Klima und ausgeglichene Temperaturen auf unserem Planeten. Forscher des Alfred-Wegener-Instituts fürchten aber, dass den Ozeanen ein unumkehrbarer Wandel bevorsteht.

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Sonnenuntergang im Südchinesischen Meer
Bild: imago/Westend61

Die Ozeane der Welt haben eine große Aufgabe, die man ihnen nicht ansieht. Neben ihrer Funktion als Lebensraum für unzählige Arten, sorgen sie auch dafür, dass die Temperaturen der Erde geregelt werden und der hohe Treibhausausstoß der Menschen kompensiert wird.

„Die Weltmeere funktionierten bisher als Kühlschrank und Kohlendioxidspeicher”, sagt Hans-Otto Pörtner. Der Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven ist Co-Autor der heute veröffentlichen Ocean 2015-Studie, die sich mit dem Zustand der Meere in Zeiten des Klimawandels beschäftigt. Bisher, sagt Pörtner, weil die Wasserkühlung der Erde ihre Funktion zu verlieren droht. "Die Meere können nicht mehr", lautet das Fazit der Forscher. Sie fürchten, dass den Ozeanen ein grundlegender Wandel bevorsteht, selbst wenn der Treibhausgas-Ausstoß nachhaltig reduziert werden kann.

"Die Meere haben seit den 1970er Jahren rund 93 Prozent der durch den Treibhauseffekt von der Erde zusätzlich aufgenommenen Wärme gespeichert und auf diese Weise die Erwärmung unseres Planeten verlangsamt“, so Pörtner. Die Meere werden wärmer, nicht nur an der Oberfläche, sondern sogar bis in Tiefen von 700 Metern.

Wandernde Arten

Der Temperaturanstieg hat heute schon dramatische Folgen für die Meeresbewohner. Deren Temperaturtoleranz ist oft gering, bei tropischen Arten geringer als bei Lebewesen in gemäßigten Breiten. Steigende Werte treiben sie aus ihren angestammten Lebensräumen in kühlere Regionen, also in Richtung der Pole oder in tiefere Meeresschichten.

Dem Kabeljau zum Beispiel wird es in der Nordsee inzwischen zu warm. Seit den 1960er Jahren ist die Wassertemperatur im Schnitt um 1,7 Grad Celsius gestiegen. Regelmäßige heiße Sommer sorgen dafür, dass nicht nur die Fische den Weg nach Norden antreten, sondern auch die Nahrungsgrundlage der Jungtiere des Kabeljaus, der Ruderfußkrebs, nach und nach verschwindet. Seit knapp 30 Jahren dehnen die Tiere ihren Lebensraum immer weiter nach Norden aus, mit jedem warmen Jahr um sieben Kilometer in Richtung Arktis.

Und sie sind nicht allein, Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich fast zwei Drittel aller Meeresfischarten auf Wanderschaft in kühlere Gewässer befinden. Ein Beispiel von der Südhalbkugel ist der gestreifte Marlin. Der Fisch, ursprünglich zu Hause in tropischen und subtropischen Gewässern, wird heute auch vor der Küste Tasmaniens gesichtet.

Auf ihrem Weg zu den Polen treffen die wandernden Arten auf andere, die in ihren Zielgewässern bereits heimisch sind und treten mit ihnen in Konkurrenz um Lebensraum und Nahrungsangebot. Der Kabeljau beispielsweise verdrängt auf dem Weg in die Arktis immer mehr den Polardorsch, eine bevorzugte Beute von Robben.

Warme und saure Meere

Seit der vorindustriellen Zeit sei die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre der Erde um 40 Prozent gestiegen, schreiben Pörtner und seine Kollegen. Der Temperaturanstieg sei aber nur eine Auswirkung dieser Entwicklung. Die Weltmeere nehmen außerdem mehr als ein Viertel des vom Menschen produzierten Kohlendioxids im Jahr auf. Und auch diese Fähigkeit hat ihren Preis. Weil sich Kohlendioxid im Wasser löst, entsteht Kohlensäure. Und diese Säure ändere den pH-Wert der eigentlich leicht basischen Ozeane. Sie werden sauer. Und auch diese Auswirkungen sind bereits heute erkennbar, schreiben die Forscher.



Korallen, Muscheln und andere Meeresbewohner, die ihre Skelette und Schalen aus Kalk formen, bekommen mit dem sauren Wasser ein mächtiges Problem. Die Schalen von Meeresschnecken lösen sich auf, das gleiche Schicksal droht den Kalkskeletten der
Korallen. Mit ihnen steht das Fundament eines Ökosystems auf dem Spiel, in dem nicht nur Hunderttausende Arten eine Nische gefunden haben, sondern das auch eine große Zahl von Menschen ernährt, so die Forscher. Eine optimale Lösung für beide Probleme, Temperaturanstieg und Versauerung, gibt es nicht.

Schlecht oder ganz schlecht?

Doch es gibt zumindest zwei mögliche Szenarien, die Pörtner und seine Kollegen ihrer Studie anwenden. Die Folgen des ersten sind spürbar, aber zu verkraften, weil es gelingt, den Temperaturanstieg der Luft bis zum Jahr 2100 unter zwei Grad Celsius zu halten. Zwar steige dann das "Risiko vor allem für tropische Korallen und Muscheln auf ein kritisches Niveau. Aber andere Risiken bleiben in diesem Fall eher moderat“, so der leitende Autor der Oceans-Studie, Jean-Pierre Gattuso. Um dieses Szenario überhaupt zu erreichen, müsste schnell gehandelt und der Kohlendioxidausstoß gesenkt werden.

Das zweite Szenario ist wesentlich pessimistischer, hier gelingt es nicht, den Temperaturanstieg zu begrenzen. "Wenn wir so weitermachen wie bisher", sagt Hans-Otto Pörtner, "werden wir bis auf einige Rückzugsgebiete große Flächen mit Korallenriffen verlieren. Temperatur und Ozeanversauerung verstärken sich in den negativen Auswirkungen. Dazu kommt noch der Sauerstoffmangel, der in einigen Bereichen die Lebensräume schrumpfen lässt." Und das hätte dramatische Auswirkungen auf alle Bereiche, in denen der Mensch die Ozeane nutzt.

Die Forscher verstehen die Ergebnisse ihrer Studie als Plädoyer an die internationale Klimakonferenz COP21, die im Dezember dieses Jahres in Paris stattfindet. Zwar werden die Ozeane Dank des Weltklimabericht zunehmend wahrgenommen, sagt Pörtner. "Dies gilt vor allem, wenn es um Risken wie Meeresspiegelanstieg geht. Allerdings machen sich wenige klar, dass bei Überschreiten von 1.5°C gegenüber vorindustrieller Zeit das Risiko deutlich steigt, dass der Meerespiegel über die Jahrhundertwende hinaus ansteigt, in einem Zeitraum von bis zu 300 Jahren mehrere Meter." Die Verhandlungsführer sollen sich bewusst machen, wie bedeutsam die Weltmeere für das Klimasystem der Erde sind. Ganze Ökosysteme und die Artenvielfalt würden nach wie vor zu wenig berücksichtigt.

Infofilm: Was macht das Meer sauer?