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PolitikNahost

GMF: Der Nahostkonflikt und die "richtigen Worte"

18. Juni 2024

Der journalistische Umgang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt stand im Mittelpunkt einer Diskussion beim Global Media Forum der DW.

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Vier Frauen und ein Mann sowie ein Bildschirm mit einem Mann sitzen um eine Wand mit der Aufschrift "DW Global Media Forum"
Das Panel des GMF in Bonn: Feingefühl ist gefragt beim Berichten über den Nahostkonflikt Bild: Philipp Böll/DW

Es ist zur Zeit das vielleicht heißeste Eisen für Journalisten überhaupt: Wie soll man berichten über den Krieg in Gaza und den Nahostkonflikt? Es ist ein Konflikt, der nicht nur die Region polarisiert, sondern auch auf den Straßen westlicher Großstädte und an Universitäten ausgetragen wird. Die Diskussion am zweiten Tag des Global Media Forum der DW in Bonn trug den Titel: "Das Bemühen um Objektivität, Mitgefühl und die richtigen Worte im Nahostkonflikt".

Die Teilnehmer: Nada Bashir vom US-Sender CNN, die auch über den Krieg im Gazastreifen berichtet hat, die beiden in Berlin lebenden Israelinnen Shani Rozanes von der Deutschen Welle sowie Susan Neiman, Leiterin der deutschen Stiftung Einstein-Forum, die indische Journalistin Barkha Dutt sowie aus Kairo zugeschaltet der Journalist Hazem Balousha.

Die Macht der Sprache

Die "richtigen Worte": Da war man sofort mittendrin im heiklen Thema Sprache. Sprache beschreibt, Sprache bewertet aber auch, Sprache kann Vorstellungen, Konnotationen mitliefern, ob beabsichtigt oder nicht. Sollen Journalisten zum Beispiel von einem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sprechen, von einem Terrorangriff, einem Massaker? Und ist das, was das israelische Militär im Gazastreifen tut, ein Krieg, eine Vergeltungsaktion, gar ein Genozid an Palästinensern? Schließlich: Sind Demonstrationen in Berlin und anderswo gegen das israelische Vorgehen in Gaza antisemitisch?

Häuser in Trümmern
Trümmerfeld Gaza-Stadt nach israelischen AngriffenBild: Dawoud Abo Alkas/Anadolu/picture alliance

Weitgehende Einigkeit bestand darin, dass es die erste Aufgabe von Journalisten ist, zu beschreiben, was man sieht, und das möglichst objektiv. "Es ist nicht unsere Aufgabe, ein Urteil zu fällen", sagte die CNN-Journalistin Nada Bashir. Man solle aber den Kontext des 7. Oktober mitliefern, erklären, wie es dazu kam, auch wenn das nichts rechtfertige.

Das sah Susan Neiman etwas anders. "Es WAR ein Massaker und ein Kriegsverbrechen", sagte sie zum Hamas-Angriff. Was sie aber nicht davon abhalte, auch das Leid der anderen Seite zu sehen. Ein getötetes Baby der einen Seite sei genauso schlimm wie ein getötetes Baby der anderen. Was sie aufbringe, meinte Neiman, sei, wenn jemand für die eine oder andere Seite Partei ergreife wie im Sport. "Das ist kein Fußballspiel!"

Frau spricht gestikulierend
Susan Neiman hält die Berichterstattung in Deutschland für einseitig israelfreundlichBild: Philipp Böll/DW

Die indische Journalistin Barkha Dutt stört vor allem, wenn von DEN Israelis und DEN Palästinensern die Rede ist. Man solle nicht den Fehler machen, alle Palästinenser mit der Hamas und alle Israelis mit der Regierung Netanjahu gleichzusetzen.

Deutschland ist anders

Offenbar ist es ein großer Unterschied, wie in Deutschland und in anderen Ländern über den Nahostkonflikt berichtet wird. Wenn sie amerikanische, britische oder deutsche Medien dazu lese, habe sie fast das Gefühl, es gehe um verschiedene Konflikte, sagte Neiman. "Die deutsche Berichterstattung ist ziemlich einseitig." Jüdisches Leben sei offenbar mehr wert als palästinensisches Leben. Und dies wiederum fördere den Antisemitismus in Deutschland.

Menschen schwenken palästinensische Fahnen, davor Polizisten
Pro-Palästinenser-Demonstration in Berlin: enorme PolarisierungBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Und die DW? "Die Deutsche Welle ist eine deutsche Institution", sagte Shani Rozanes über ihren Arbeitgeber, das spüre man. "Wir arbeiten nie in einem Vakuum." Die DW verwendet in ihren Sprachregelungen beim 7. Oktober durchaus den Ausdruck "Terrorangriff", was zum Beispiel viele angelsächsische Medien neutraler ausdrücken.

Diversität in den Redaktionen hilft

Bei ihren israelischen Kollegen in Israel merke sie, sagte Shani Rozanes, dass sie über Gaza kaum berichteten. Israel komme nicht aus dem Trauma des 7. Oktober heraus. Früher sei es um die Grenzen von 1967 gegangen, jetzt gehe es um die schiere Existenz Israels. "Israelis haben das Gefühl, dass die ganze Welt gegen sie ist." Der internationale Druck verstärke die israelische Isolation noch. Allerdings gehen in Israel durchaus Demonstranten gegen die Politik der Regierung Netanjahu auf die Straße.

Drei Frauen sitzen nebeneinander, eine spricht
Konsens in vielen Dingen: (v.l.) Nada Bashir, Barkha Dutt, Shani RozanesBild: Philipp Böll/DW

Auf der palästinensischen Seite gebe es auch unterschiedliche Meinungen zur Hamas und der Attacke am 7. Oktober, sagte der aus Gaza berichtende Journalist Hazem Balousha. Viele Menschen hätten den Hamas-Angriff auf Israel zwar gefeiert, aber "in den sozialen Medien beschimpfen die Menschen auch Hamas-Leute".

Verschiedene Blickwinkel sollte es aber auch innerhalb eines Mediums geben, forderte Nada Bashir von CNN und meinte damit auch ihre Redaktion in London: "Mehr Diversität hilft, verschiedene Perspektiven einzunehmen, das ist eine entscheidende Bereicherung unserer Arbeit."

Konsens herrschte unter allen Diskutanten, dass sich Journalisten nicht auf die eine oder andere Seite schlagen dürfen. "Es gibt keine Hierarchie des Leids", sagte die indische Journalistin Barkha Dutt, "aber auch keine Hierarchie von Konflikten". Sie beklagte, dass zum Beispiel über Afghanistan und die schwierige Rolle von Frauen dort kaum berichtet werde. Für Konflikte überall auf der Welt müsse gelten: "Unsere Aufgabe ist es, denjenigen ohne Stimme eine Stimme zu geben."

Krieg in Gaza: Wie isoliert ist Israel?

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik