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Goldener Bär für "There Is No Evil"

Philipp Jedicke
29. Februar 2020

Der Hauptpreis der diesjährigen Berlinale geht an den iranischen Filmemacher Mohammad Rasoulof. Die Jury wartete mit einigen Überraschungen auf, einige hoch gehandelte Favoriten gingen leer aus.

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Internationale Filmfestspiele Berlin 2020 | Preisverleihung | There Is No Evil, Bester Film
Bild: Reuters/F. Bensch

"Dieser kleine Freund hier, der Goldene Bär, wird bald in mein Land reisen. Und er wird Mohammad sagen: 'Du bist nicht allein'. Und Mohammad wird ihm zeigen, wie viele freundliche und friedliche Menschen es im Iran gibt." Diese emotionalen Worte aus der Dankesrede von Mohammad Rasoulofs Produzent Kaveh Farnam führten zu stehenden Ovationen bei der Preisgala der diesjährigen Berlinale.

Rasoulof konnte den Preis nicht persönlich entgegennehmen, da die iranischen Autoritäten ihm nach seinem Film "A Man of Integrity" die Ausreise verboten hatten. Für ihn nahmen seine Tochter Baran und die beiden Produzenten des Films den Preis entgegen. Sie waren sichtlich bewegt. Einige der Crewmitglieder hatten für den Film ihre Freiheit, wenn nicht sogar ihr Leben riskiert. 

Persönliches und politisches Statement

Mit Rasoulofs "There Is No Evil" gewinnt das eindrucksvolle persönliche und politische Statement eines iranischen Regisseurs den Hauptpreis der Berlinale. Sein Film "A Man of Integrity" hatte in Cannes 2017 den Hauptpreis in der Sektion Un Certain Regard gewonnen. 2019 wurde Rasoulof zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Am 4. März sei Rasoulof nun vom zuständigen Richter in Teheran aufgefordert worden, die Haft anzutreten, teilten die Berlinale Veranstalter mit. Rasoulof, der auch Familie in Hamburg hat, ist nach Angaben aus seinem Umfeld bisher aber nicht in Haft.

Beim Dreh von "There Is No Evil" ist es Rasoulof gelungen, die offizielle Zensur zu umgehen. In seinem Werk verbindet er vier Kurzfilme, die allesamt von Freiheit und der Todesstrafe in einem despotischen Land handeln. In einem DW-Interview sagte Rasoulof über "There Is No Evil": "Meine zentrale Frage im Film war: Übernehmen wir Verantwortung für unser Handeln? Oder schieben wir sie, um uns vor Gewissensbissen zu schützen, auf die herrschende Macht, die uns zwingt, gewisse Dinge zu tun?"

Beste Darstellerin: Paula Beer

Die deutsche Schauspielerin Paula Beer, bekannt u.a. aus der TV-Serie "Bad Banks", hat den Preis als beste Darstellerin für ihre Rolle in Christian Petzolds Liebesfilm "Undine" gewonnen. Den Silbernen Bären für den besten Darsteller bekam der Italiener Elio Germano für seine Rolle als Maler Antonio Ligabue. Germano spielt auch in dem italienischen Film "Bad Tales/Favolacce" mit, der den Bären für das beste Drehbuch mit nach Hause nimmt. Der Große Preis der Jury um Schauspieler Jeremy Irons geht an das Drama "Never Rarely Sometimes Always" der US-Regisseurin Eliza Hittman.

Paula Beer mit Silbernem Bären
Schauspielerin Paula Beer ("Undine") bei ihrer DankesredeBild: Reuters/F. Bensch

Der Kameramann Jürgen Jürges, der schon mit Regielegende Rainer Werner Fassbinder gearbeitet hat, bekommt den Silbernen Bären für seine herausragende künstlerische Leistung bei dem Mammutprojekt "DAU. Natasha" von Ilja Chrschanowski. Leer ausgegangen ist einer der hoch gehandelten deutschen Favoriten, die moderne Adaption von Alfred Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz" von Regisseur Burhan Qurbani.

Die Hauptpreise der Berlinale wurden heuer erstmals ohne den Alfred-Bauer-Preis vergeben, nachdem kürzlich neue Erkenntnisse über die NS-Vergangenheit des Namensgebers und Berlinale-Gründungsdirektors bekannt geworden waren. 

Erfolgreicher Start unter erschwerten Bedingungen

Die 70. Ausgabe der Berlinale war die erste des neuen Leitungsduos Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek. Die beiden hatten keinen leichten Start, denn sowohl der Anschlag von Hanau als auch die Zuspitzung der Coronavirus-Krise fielen in die Festivalwoche.

Zwei Frauen schauen von einem Balkon in eine verschneite Landschaft
Szene aus "Malmkrog" von Cristi Puiu, dem Gewinner des Regiepreises aus der "Encounters"-SektionBild: Mandragora

Mit der neuen Sektion "Encounters", die mit starken Beiträgen überzeugte, haben Chatrian und Rissenbeek einen neuen Wettbewerb kreiert, der ästhetisch und strukturell herausfordernde, experimentelle Werke fördern soll. In dieser Sektion ging der Hauptpreis an den längsten Film der diesjährigen Berlinale, den Achtstünder "The Works and Days (of Tayoko Shiojiri in the Shiotani Basin)". Der Dokumentarfilm begleitet eine Bauernfamilie in einem japanischen Bergdorf über ein ganzes Jahr. Der "Encounters"-Preis für die beste Regie ging an "Malmkrog" des rumänischen Regisseurs Cristi Puiu.

Matías Piñeiro bekam eine lobende Erwähnung für seinen Theaterfilm "Isabella". Den Spezialpreis der "Encounters"-Jury bekam "The Trouble With Being Born" von der österreichischen Filmemacherin Sandra Wollner. Mit ihrer Ausrichtung scheint die neue Berlinale-Leitung richtig zu liegen, denn obwohl einige Medien das Fehlen von Stars bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals bemängelt hatten, waren die Kinos besser besucht denn je. 

Bester Kurzfilm und Goldener Ehrenbär

Den Goldenen Bären für den besten Kurzfilm von der Internationalen Kurzfilmjury bekam "T" der jamaikanisch-amerikanischen Filmemacherin Keisha Rae Witherspoon. Die britische Schauspielerin Helen Mirren hat bereits am 27. Februar den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk verliehen bekommen.

Dies ist eine aktualisierte Version eines früheren Artikels.