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Google: Von der Suchmaschine zum Wissensverwalter

Thomas Hajduk18. September 2006

Google ist längst mehr als nur die Suchmaschine des Internets. Mit Online-Bibliotheken, Nachrichtenarchiven und anderen Zusatzdiensten wird es zum umfassenden Wissensverwalter - und baut seine Marktposition weiter aus.

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Mehr als nur ein Unternehmen: GoogleBild: AP

"Don't be evil": Gemessen an PR-Kriterien ist der Leitspruch Googles ein Desaster. Jedes Mal, wenn der Internetsuchdienstleister in die Kritik gerät, wird ihm seine Selbstverpflichtung zum Strick. Das außerordentliche Interesse und die moralische Kritik zeigen jedoch auch, dass Google mehr als ein gewöhnliches Unternehmen ist.

Als solches ist es zunächst äußerst erfolgreich. Im Juli diesen Jahres hatte Google sämtliche Analysten und Konkurrenten überrascht und trotz traditionell schwacher, weil warmer Monate seinen Gewinn mehr als verdoppelt: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hatte das Unternehmen den Profit für das zweite Quartal von 343 Millionen Dollar auf 721 Millionen steigern können. Der Umsatz nahm in der gleichen Zeit um 77 Prozent auf 2,46 Milliarden Dollar zu.

Anpassen oder aussterben

Ein Neonreklameschild mit der Aufschrift "Yahoo!
Abgehängt, noch: YahooBild: DPA

Trotz dieser guten Ergebnisse hat Google keinen Grund sich zurückzulehnen. Microsoft gehört mit seiner Internetsuchmaschine MSN.Search zu den härtesten Konkurrenten. Auch, weil es der kommenden siebten Version des Internet Explorers standardmäßig ein Suchfeld geben wird, das ebenso standardmäßig auf MSN.Search eingestellt sein wird. Bedenkt man die dominante Position, die der Internet Explorer unter den Browserprogrammen hat, ist das ein harter Schlag für Google, das Microsofts Vorhaben just als wettbewerbsfeindlich kritisierte.

Doch nicht nur der Softwareriese aus Redmond ist ein ernstzunehmender Konkurrent. Internetveteran "Yahoo!" - nach eigenen Aussagen mit 500 Millionen Besuchern pro Monat die Seite mit dem meisten Traffic weltweit - entwickelt eine neue Werbetechnologie, dieweil kleinere Suchmaschinen wie "Ask Jeeves" sich als Alternative zu Google etablieren können.

Wie jedes Unternehmen, das die New Economy überlebt hat, reagiert Google mit einer Diversifizierung seines Angebots: Suchmaschine allein reicht nicht mehr. Daher bietet das Unternehmen kostenlose Zusatzleistungen wie Gmail (E-Mail-Dienst), Translate (Online-Übersetzungen) oder Calendar (Online-Terminplaner) an. Besonders Programme wie Desktop Search (Offline-Suchprogramm) und die Online-Textverarbeitung Wordley, die Google im März kaufte, sind ein Angriff auf Microsoft: Der Nutzer soll von Windows unabhängig werden. Microsoft will mit Windows Live und Office Live, werbe- und gebührenfinanzierten Online-Version seines Betriebssystems und seiner Office-Suite kontern.

Griff nach dem Weltwissen

Google Earth Gesamtüberblick
Die Google-Erde?Bild: google earth

Mit seinen technischen Zusatzangeboten gibt sich Google nicht zufrieden. Es geht deutlich weiter und entwickelt sich zu einem umfassenden Wissensverwalter. Ein erster großer Schritt dahin ist seine Online-Bibliothek: Aus den Nationalbibliotheken der Welt werden Bücher vollständig digitalisiert und in einem suchfähigen Format online und seit August auch zum Download angeboten. Ausgenommen sind urheberrechtlich geschützte, also fast alle neueren Publikationen, von denen lediglich das Inhaltsverzeichnis und Auszüge verfügbar sind. Da Google bisher hauptsächlich englische Bücher berücksichtigt hat und seine Auswahl kulturpolitisch anfechtbar ist, fordert die Europäische Kommission, vor allem Frankreich, eine europäische Online-Bibliothek.

Den Weg der umfassenden Wissensverwaltung geht Google auch mit seinem beliebten Dienst "News". Bisher sammelte ein Suchalgorithmus alle online verfügbaren Nachrichten zu einem aktuellen Schlagwort. So kam es zu vielen, aber auch irrelevanten Ergebnissen. Weil Google dabei Inhalte von Nachrichtenagenturen verwandte, ging die französische Nachrichtenagentur AFP vor Gericht und verlangt Gebühren für die Nutzung. Diese zahlt Google seit August an die amerikanische Agentur AP und bietet seitdem nicht mehr nur Suchergebnisse, sondern ein eigenständiges Nachrichtenangebot. Diese Dienstleistung wird seit September um ein Nachrichtenarchiv ergänzt, das bis zu 300 Jahre alte Artikel aus Publikationen wie Time Magazine oder The Washington Post zutage fördert.

Von Google zu Goliath?

Googles Kurs ist nicht ungefährlich. Mit wachsendem Einfluss nimmt der Widerstand gegen den neuen "Goliath" zu - gerade außerhalb der Wirtschaft. Als Google sich zum Beispiel in China freiwillig der amtlichen Zensur unterwarf und damit seinen Konkurrenten folgte, war die Kritik an seinem "undemokratischen" Vorgehen moralischer, nicht wirtschaftlicher Natur. Google hat eben aufgehört nur ein erfolgreiches Internetunternehmen zu sein; entsprechend wird vom potenziellen Wissensorganisator der Welt ein verantwortungsvolles Handeln erwartet, das weit über wirtschaftliche Verhaltenskodizes reicht. Ob Google dem gerecht werden kann und nicht "böse" wird - das ist die entscheidende Frage für seine Zukunft.