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Grüne stimmen für Regierungskonzept

26. Juni 2011

Die Entscheidung war nicht leicht für die Grünen: Soll die Oppositionspartei dem Konzept der Regierungskoalition für den Atomausstieg zustimmen? Am Ende setzte sich die Führungsriege durch.

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Delegierte stimmen auf dem Sonderparteitag von Bündnis 90/Die Grünen über den Leitantrag zum Atomausstieg ab (Foto: dpa)
Abstimmung über den Leitantrag zum AtomausstiegBild: picture-alliance/dpa

Die Grünen werden dem schwarz-gelben Atomausstieg bis 2022 zustimmen, obwohl sie bisher einen schnelleren Ausstieg bis 2017 gefordert hatten. Darauf einigten sich die Delegierten eines Sonderparteitages zur Energiepolitik am Samstag (25.06.2011) in Berlin nach sechsstündiger und teils kontroverser Debatte bei wenigen Gegenstimmen.

Damit erhalten die 68 Bundestagsabgeordneten grünes Licht für ein Ja zur Novelle des Atomgesetzes, über das am kommenden Donnerstag (30.06.2011) im Parlament abgestimmt werden soll. Trotz der Zustimmung zum von der Regierung geplanten Ausstieg innerhalb von elf Jahren lehnen die Grünen die Begleitgesetze zur Energiewende, über die ebenfalls am Donnerstag im Bundestag abgestimmt wird, nach wie vor ab. Zugleich sprechen sie sich dafür aus, den Ausstieg aus der Atomenergie im Grundgesetz festzuschreiben, wie dies zuvor bereits bei der SPD und den Linken gefordert wurde.

Zufriedene Grünen-Spitze (von links): Die Parteichefs Cem Özdemir und Claudia Roth, die niedersächsische Landesvorsitzende Anja Piel, Fraktionschef Jürgen Trittin und Volker Beck, MdB (Foto: picture-alliance)
Zufriedene Spitze (v.li.): Parteichefs Özdemir und Roth, Niedersachsens Landesvorsitzende Piel, Fraktionschef Trittin und Fraktionsmitglied BeckBild: picture-alliance/Sven Simon

Die Debatte geht weiter

Die CDU hat die Entscheidung des Grünen-Sonderparteitages begrüßt. Generalsekretär Hermann Gröhe zeigte sich in der "BZ am Sonntag" erfreut über die Entscheidung des Parteitages. Zugleich schränkte er ein: "Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer". Der Stresstest für die Grünen komme erst noch. Beim Bau neuer Stromnetze oder Gaskraftwerke werde sich zeigen, ob sie bereit seien, auch unpopuläre aber notwendige Maßnahmen mitzutragen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sieht in den Beschlüssen der Grünen eine "Feuertaufe für die Regierungsfähigkeit". Das Ergebnis sei ein gutes Signal für eine rot-grüne Zusammenarbeit ab 2013.

Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, spricht am Samstag (25.06.2011) bei der außerordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Berlin (Foto: dpa)
Grünen-Chefin Claudia RothBild: picture-alliance/dpa

Zu einem möglichen schwarz-grünen Bündnis im Bund äußerte sich Grünen-Chefin Claudia Roth am Sonntag dagegen zurückhaltend. Zwar habe die Union in der Energiepolitik eine Kehrtwende vollzogen. Doch in der Innen-, Sozial- und Europapolitik gebe es weiterhin große Differenzen, sagte Roth am Sonntag im Deutschlandfunk.

Am Samstag hatten Roth und andere Spitzengrüne die Delegierten in Berlin im Verlauf der mehrstündigen Debatte beschworen, den Plänen der Schwarz-Gelben Regierungskoalition für den Atomausstieg zuzustimmen.

Sonderparteitag mit Richtungsvotum

Grünen-Chefin Claudia Roth (l.) mit den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Jürgen Trittin und Renate Künast (r.) (Foto: dpa)
Grünen-Chefin Roth (l.), Fraktionschefs Trittin und Künast (r.)Bild: picture-alliance/dpa

Dagegen machten Basis- und Führungsgrüne allerdings auch immer wieder erhebliche Einwände geltend, zumal das Ausstiegskonzept von der konservativ-liberalen Regierung kommt und eben nicht von den Grünen stammt, der traditionellen Anti-Atomkraftpartei.

Dazu hatte Grünen-Chefin Roth daran erinnert, dass es ohne die Grünen überhaupt keinen Atomausstieg geben würde. Und Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, man habe Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer 180-Grad-Wende gezwungen.

Bundestagsabgeordneter Hans-Christian Ströbele (Foto: dpa)
Urgestein Hans-Christian StröbeleBild: picture-alliance/dpa

Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele erntete stürmischen Beifall der 800 Delegierten, als er eindringlich vor einer Zustimmung zu den Atomplänen der Bundesregierung warnte. Fünf Jahre Differenz zwischen dem von den Grünen geforderten Abschaltjahr 2017 und dem von Schwarz-Gelb angebotenen Ausstiegsjahr 2022 seien zu viel. "Da können wir doch nicht Ja sagen, da müssen wir Nein sagen!" Fraktionschefin Renate Künast erwiderte, dass es darum gehe, die Welt zu verändern. Die Grünen könnten nicht Nein sagen, wenn die Laufzeitverlängerung zurückgenommen werde und acht AKWs vom Netz gingen: "Da werden wir sagen: Ja, das wollen wir."


Neues Machtbewusstsein

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne) (Foto: dpa)
Winfried KretschmannBild: picture-alliance/dpa

Winfried Kretschmann, der Grüne Ministerpräsident des Bundeslandes Baden-Württemberg, brachte es auf den Punkt: "Wenn man sich als 20-Prozent-Partei zu 80 Prozent durchsetzt, ist es ein guter Kompromiss." Größer könne der Erfolg nicht sein, so Kretschmann.

Und er fügte hinzu: "Wir Grünen sind das Maß der Dinge in der Energiepolitik dieses Landes". Ähnlich hatte es Grünen-Chef Cem Özdemir formuliert, der in Berlin betonte: "Es gibt in diesem Land keine Mehrheit für die Nutzung der Atomenergie."

Beifall erntete auf dem Sonderparteitag der Grünen auch der frühere CDU-Umweltminister Klaus Töpfer.

Gast bei den Grünen: Klaus Töpfer (CDU), Vorsitzender der Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung (Foto: dpa)
Gast bei den Grünen: Klaus Töpfer (CDU)Bild: picture-alliance/dpa

Der Vorsitzende der Ethikkommission zur Energiewende verwies in seiner Gastrede darauf, dass der geplante Atomausstieg im Ausland sehr genau beobachtet werde. "Es muss so gelingen, dass andere sagen, so können wir es auch machen", gab der CDU-Politiker zu bedenken.

Bei der Abstimmung am Donnerstag im Bundestag ist die Regierungskoalition allerdings nicht auf die Zustimmung der Grünen angewiesen. Union und FDP können das Paket mit ihrer Mehrheit verabschieden. Der parteiübergreifende Kompromiss wird aber das weitere Verfahren im Bundesrat erleichtern. Denn in der Länderkammer, dem Bundesrat, hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit und ist auf die Stimmen von SPD und Grünen angewiesen.

Autor: Hartmut Lüning (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Eleonore Uhlich