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"Kampagne gegen erneuerbare Energien"

Gero Rueter22. März 2013

Derzeit wird heftig über die erneuerbaren Energien als Preistreiber debattiert. Dahinter sieht Hans-Josef Fell, Sprecher für Energie der Grünen, einen Kampf der alten, fossilen Energiewirtschaft.

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Hans Josef Fell, MDEP Energieexperte der Grünen Foto WWEA / Andreas Birresborn
Hans Josef Fell, MDEP Energieexperte der GrünenBild: WWEA / Birresborn

Deutsche Welle: Herr Fell, das Gesetz für den Vorrang der erneuerbaren Energien, kurz EEG, gibt es in Deutschland seit April 2000. Dieses Gesetz hat den Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor in Deutschland ermöglicht und stark vorangetrieben. Sie waren einer der Autoren dieses Gesetzes. Was waren und sind die wichtigsten Elemente in diesem Gesetz?

Hans-Josef Fell: Zunächst ist festzustellen, dass dieses Gesetz extrem erfolgreich ist. Wir haben mit diesem Gesetz eine neue Industrie in Deutschland aufbauen können, die nun weltweit ausstrahlt. Die Kosten vor allem in der Photovoltaik, aber auch bei der Windkraft, bei Biogasanlagen und anderen Techniken sind rasant in den Keller gegangen, haben neue Arbeitsplätze geschaffen. Neue Firmen sind gegründet worden und haben einen neuen Exportartikel auf den Weg gebracht.

Die Kernelemente, die dieses möglich gemacht haben, waren, dass privates Kapital auch mit erneuerbaren Energien Renditen erwirtschaften soll. Deswegen hat der Gesetzgeber eine Einspeisevergütung festgelegt, die so hoch ist, dass eine kleine Rendite - wir rechneten mit fünf bis maximal zehn Prozent - zu erwirtschaften ist. Nur so kommen die Millionenbeträge zusammen, die zum Beispiel für einen Windpark erforderlich sind.

Was sind die wichtigen Elemente, damit der Privatinvestor überhaupt investiert?

Das eine ist die Rendite, die aber keine Garantie ist. Denn wenn der Investor unternehmerische Fehler macht, kann er sein Projekt auch in den Sand setzen. Dann ist eine differenzierte Einspeisevergütung wichtig und auch ein privilegierter Netzzugang. Hier hat der Gesetzgeber gesagt, dass die Einspeisung aus erneuerbaren Energien Vorrang im Netz hat.

Wie lange bekommen Investoren die garantierte Vergütung?

Banken würden nur dann Geld geben, wenn es gewisse Sicherheiten für den Rückfluss des Kapitals gibt. Deswegen hat der Gesetzgeber in den meisten Technologien 20 Jahre Rückfluss des Kapitals festgelegt. In diesem Zeitraum können die Anlage refinanziert werden.

In über 50 Ländern auf der Welt ist das Gesetz inzwischen übernommen worden. Ist es dort ebenfalls erfolgreich?

In manchen Ländern sehr. Das ist aber sehr unterschiedlich. In Spanien zum Beispiel war es sehr erfolgreich, dann hat allerdings dort die Gesetzgebung einen fundamentalen Fehler gemacht: Die Einspeisevergütung wurde teilweise aus Steuergeldern bezahlt. Und als die Investitionen in die Photovoltaik extrem hoch waren, hat der Finanzminister zu Recht die Notbremse gezogen, weil sein Haushalt eh schon hoch überschuldet ist.

Allerdings: Um es so zu machen wie in Deutschland, wo die Mehrkosten auf die Stromkunden umgelegt werden, darauf kam die spanische Regierung nicht, denn dann hätte sie ihre Industrie schützen können. Denn mit dieser Wegnahme der Einspeisevergütung in der Photovoltaik hat Spanien auf einen Schlag 20.000 Arbeitsplätze verloren und damit die Unternehmen auch. Jetzt suchen die Spanier händeringend nach einem Wachstum der Wirtschaft - da wäre es!

Es gibt viele Länder, in denen das Gesetz erfolgreich ist, allen voran inzwischen China. China ist mit der Einspeisevergütung in der Windkraft und auch in der Photovoltaik jetzt zum Weltmarktführer der erneuerbaren Energien geworden. China hat diesen Schritt auch gemacht, weil es die erneuerbaren Energien als strategische Energiekomponente und als strategische Technikkomponente für die Exportwirtschaft erkannt hat. Binnenmarkt und Export stehen dort im Mittelpunkt.

Umlage-Berechnung mit Schieflage

Nun gibt es aber auch Probleme hier in Deutschland: Das Gesetz regelt die Vergütung für die Erzeugung von erneuerbaren Energien. Die Mehrkosten gegenüber dem konventionellen Strompreis werden auf die Stromkunden umgelegt. Nun sinken aber die Preise für den konventionellen Strom an der Strombörse und dadurch steigt die Differenz zur festgelegten Vergütung und auch die Umlage. Was läuft hier schief?

Eigentlich läuft hier erst mal nichts schief, denn die Mehrkosten werden kompensiert durch Effekte an anderer Stelle, wo Kosten gespart werden. So haben beispielsweise die erneuerbaren Energien über neun Milliarden eingespart bei den Importkosten von fossilen Rohstoffen, die wir ansonsten hätten zahlen müssen, wenn wir eben nicht Windräder oder Photovoltaik genutzt hätten.

Und auch die externen Schadenskosten sind in einer ähnlichen Größenordnung vermieden worden. Insgesamt sind die vermiedenen volkswirtschaftlichen Kosten viel höher als die Mehrkosten, die auf dem Stromkunden lasten.

Aber in der Tat ist es notwendig, dass wir diese Mehrkosten auch optimal und fair unter den Stromkunden verteilen - und genau an der Stelle ist etwas schiefgelaufen. Die sinkenden Preise an der Strombörse nutzen nämlich nur die Großkunden, die es gewohnt sind, an der Börse einzukaufen.

Die kleinen Unternehmen und die Haushaltskunden sind allerdings nicht in der Lage, an der Strombörse einzukaufen, und die alleine sind nun gefangen in dieser Umlagensteigerung. Die großen Stromkonzerne könnten natürlich den gesunkenen Börsenstrompreis an ihre Kunden weitergeben. Das tun sie aber nicht, sondern erhöhen ihre Gewinne.

Der Mechanismus zur Berechnung der Umlage ist komplex, fast nur Experten blicken hier durch, kennen die vielen Faktoren, die hier bei den Umlagekosten eine Rolle spielen. Trotzdem steht die gestiegene Umlage in der Kritik, es wird vor ausufernden Strompreisen gewarnt, und die Minister der Regierung machen Vorschläge für eine Kostenbremse. Worum geht es?

Die Vorschläge von Bundesumweltminister Altmaier und Wirtschaftsminister Rösler sollen den Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich bremsen! Diese Interpretation machen nicht nur wir, sondern das war auch in einem bekannt gewordenen internen Papier die Analyse des Wirtschaftsministers selber. Das können wir nicht mittragen, vor allem aus einem einzigen Grund: Denn jetzt sind die erneuerbaren Energien billig geworden, wir haben kaum Mehrkosten, und der Zubau kann mit extrem niedrigen Kosten gelingen.

Machtkampf hinter der Debatte?

Was ist der Hintergrund für solch eine Politik?

Wir haben einen ganz großen Konflikt in der Gesellschaft! Auf der einen Seite gibt es die überraschende starke Akzeptanz in der Gesellschaft, mit Investitionen von neuen Akteuren, von Stadtwerken, von Landwirten, von Genossenschaften und vielen mehr, die in die erneuerbaren Energien investieren. Sie alle können nun auch teilhaben an dem Geschäft der erneuerbaren Energien.

Zusammen mit den niedrigen Preisen, die heute erzielbar sind beim Kauf von Erneuerbare-Energien-Anlagen, hat das dazu geführt, dass wir in zwei Jahren einen richtigen Sprung in der Zunahme des Ökostroms gemacht haben. Vor zwei Jahren hatten wir 17 Prozent, heute haben wir 25 Prozent im Netz. Wenn das noch ein paar Jahre so weitergeht, dann sind wir 2020 bei über 50 Prozent.

Im Klartext heißt dies aber auch, dass wir dann Kohlekraftwerke im großen Stil abschalten müssen und die Atomkraftwerke auch früher als beschlossen abschalten müssen. Da gibt es eine große Gruppe von Unternehmen in Deutschland, die das nicht will. Sie wollen weiterhin ihre klimaverschmutzenden Kohlekraftwerke am Netz halten, weil sie ihre Einbußen in den Renditen fürchten.

Das ist ein Machtkampf auf ökonomischer Seite: der Bestandschutz der alten fossilen und atomaren Energiewirtschaft gegen den rasanten und schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ist der eigentliche Hintergrund, warum es diese Ausbaubremsvorschläge gibt. Es soll das alte Geschäft noch ein Stück weit geschützt werden. Wir können das aus Umwelt- und Klimaschutzgründen nicht akzeptieren!

Das heißt, die ganze Debatte über die EEG-Umlage ist eigentlich nur eine vorgeschobene Debatte, dahinter schwelt ein ganz anderer Konflikt?

Ja, es schwelt der Konflikt der Ablösung des alten konventionellen Energiesystems. Wir haben in der Volkswirtschaft insgesamt enorme Kostenentlastungen durch die erneuerbaren Energien! Diese Gegenüberstellung der gesamten volkswirtschaftlichen Kosten finde ich aber nie in den Papieren der Koalition oder auch von anderen, die den Bestandsschutz organisieren wollen. Ich bin deswegen der Meinung, dass hier kampagnenartig gegen erneuerbare Energien als Preistreiber ein Stück weit fast schon gehetzt wird und das ist nicht korrekt.

Hans-Josef Fell ist Sprecher für Energie der Bundestagsfraktion
Bündnis 90/ Die Grünen. Er war maßgeblicher Autor des Gesetzes für den Ausbau der Erneuerbaren Energien (EEG). Seit April 2000 ist dieses Gesetz in Kraft und ermöglichte den Boom der erneuerbaren Energien in Deutschland.