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Politik

Grausige Knochenfunde in Kanada

29. Mai 2021

Auf dem Gelände eines ehemaligen Umerziehungsheims für Kinder von Indigenen in Kanada wurden die Überreste von 215 Kinderleichen gefunden. Es handelt sich wohl um nicht dokumentierte Todesfälle.

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Kanada | Überreste von 215 Kindern auf Internatsgelände gefunden
Bild: Andrew Snucins/The Canadian Press/AP/picture alliance

Die sterblichen Überreste der Kinderleichen seien bei Radar-Untersuchungen des Grundstücks in der Nähe der Kleinsstadt Kamloops im Westen Kanadas gefunden worden, teilte die Leiterin der indigenen Gemeinschaft Tk'emlups te Secwepemc mit. Einige der toten Kinder seien erst drei Jahre alt gewesen. Der Tod der Kinder sei von der damaligen Schulleitung nie dokumentiert worden, obwohl ihr Verschwinden von Mitgliedern der Gemeinde gemeldet worden sei, erklärte Rosanne Casimir.

Wie die Kinder ums Leben kamen, ist noch unklar. Die indigene Gemeinde will mit Gerichtsmedizinern und Museen in der Gegend zusammenarbeiten, um die Umstände aufzuklären. Die vorläufigen Ergebnisse sollen im Juni in einem Untersuchungsbericht veröffentlicht werden.

Heime existierten rund 100 Jahre

Das ehemalige Internat bei Kamloops, das von der katholischen Kirche im Auftrag der kanadischen Regierung betrieben wurde, war eines von 139 solcher Einrichtungen, die gegen Ende des 19. Jahrhundert in dem nordamerikanischen Land errichtet wurden. Es wurde 1890 eröffnet und hatte in den 1950er Jahren bis zu 500 Schüler. 1969 wurde die Residential School geschlossen. Das letzte dieser Internate schloss erst 1996.

In Kanada waren rund 150.000 Kinder von Indigenen von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und unter Zwang in christliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die europäischen Einwanderer zu zwingen. Sie mussten zum Christentum konvertieren und durften nicht ihre Muttersprache sprechen. Viele erlitten Misshandlungen und sexuellen Missbrauch. Mindestens 3200 starben, die meisten an Tuberkulose. Umgerechnet 1,1 Milliarden Euro Entschädigung zahlte die Regierung an rund 79.000 ehemalige Schülerinnen und Schüler. Vollständig aufgearbeitet sind die Taten bis heute nicht.

"Kultureller Genozid"

Die Regierung in Ottawa entschuldigte sich im Jahr 2008 offiziell für die Umerziehung der Ureinwohner, die völlig isoliert von ihren Familien, ihren Gemeinden und ihrer Kultur aufwuchsen. Sie seien Opfer eines "kulturellen Genozids", stellte eine Untersuchungskommission im Jahr 2015 fest. Viele indigene Gemeinschaften machen die Heime und Internate, die ganze Generationen geprägt haben, heute für soziale Probleme wie Alkoholismus, häusliche Gewalt und erhöhte Selbstmordraten verantwortlich.

Die Nachricht aus Kamloops breche sein Herz, teilte Premierminister Justin Trudeau auf Twitter mit. "Es ist eine schmerzhafte Erinnerung an dieses dunkle und schamvolle Kapitel in der Geschichte unseres Landes."

qu/bru (afp, dpa, rtr)