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"Grexit nicht heute, aber später"

Kersten Knipp13. Juli 2015

Deutsche Ökonomen bewerten die Vereinbarungen zwischen Griechenland und der Eurogruppe zurückhaltend. Sie sehen die Eurozone gespalten - und schließen nicht aus, dass Griechenland diese später doch noch verlässt.

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EU Fahne vor dem Parlament in Athen (Foto: picture-alliance/R. Geiss)
Bild: picture-alliance/R. Geiss

Die Einigung mit Griechenland ist bei Ökonomen auf geteiltes Echo gestoßen. Die Übereinkunft sei eine "Insolvenzverschleppung", erklärte der Präsident des Verbandes der Familienunternehmer, Lutz Goebel, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Griechenland werde seine Schulden nie zurückzahlen können. "Es wird nur weiteres Geld ins Feuer geworfen." Als Hauptleidtragende der nun getroffenen Vereinbarung sieht er die europäischen Steuerzahler. Sie würden "wieder einmal genötigt, für viel Geld ein bisschen Zeit zu erkaufen", so Goebel.

Vorsichtig abwartend zeigte sich auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Es sei verfrüht, die Einigung als Erfolg zu werten. Es handle sich lediglich um einen ersten Schritt, die wirtschaftliche Abwärtsspirale Griechenlands aufzuhalten. Ungelöst blieben Fragen, wie der griechische Staat zahlungsfähig werde, wie das Bankensystem neu strukturiert und wie ein Wachstumsimpuls gegeben werden könne. Insgesamt aber beurteilte Fratzscher das nun erzielte Ergebnis positiv: "Die Einigung ist ein gutes Resultat für Europa und für Deutschland."

Kommissionspräsident Juncker, Eurogruppen-Chef Dijsselbloem und EU-Raspräsident Tusk bei der Pressekonferenz, 13.07.2015 (Foto: EPA)
Kommissionspräsident Juncker, Eurogruppen-Chef Dijsselbloem und EU-Ratspräsident Tusk verkünden die EinigungBild: picture-alliance/dpa/O. Hoslet

Harte Forderungen

Griechenland ist nun gefordert. Allein bis Mittwoch dieser Woche muss das Parlament die Mehrwertsteuer vereinheitlichen und die Bemessungsgrundlage erhöhen; es muss erste Einsparungen im Rentensystem verabschieden. Es muss die Unabhängigkeit der Statistikbehörde Elstat auf den Weg bringen. Und es muss "halb-automatische Ausgabenkürzungen" installieren, die für den Fall wirksam werden, dass die Regierung ihre "ambitionierten" Sparziele nicht einhält. Für das Jahr 2018 soll auf diese Weise ein Primärüberschuss von 3,5 Prozent sichergestellt werden.

Für Mittwoch kommender Woche (22.07.2015) muss das Parlament die europäische Bankenrichtlinie BRRD installieren. Diese gibt die Vorgaben zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen.

Zudem muss Griechenland seine Wirtschaft weiter liberalisieren, die Arbeitsmarktreformen vorantreiben und die Rentenreform umsetzen.

Infografik Griechischer Schuldenkalender (DW-Grafik)

Vor allem aber dürften zwei weitere Bedingungen das Land schmerzen. Erstens, dass der Internationale Währungsform weiterhin Bestandteil der sogenannten "Institutionen" bleibt und den Gläubigern zusätzliche Autorität verleiht. Und zweitens, dass nun ein Treuhandfonds eingerichtet wird. In diesen sollen griechische Staatsbesitztümer überführt und anschließend privatisiert werden. Die Erlöse sollen unter anderem zur Tilgung der griechischen Schulden verwandt werden. Nach bisherigen Angaben soll der Fonds am Ende über die Summe von 50 Milliarden Euro verfügen.

"Warnschuss für Europa"

Die Auflagen sind streng. Aber eben darum seien sie gut für die Eurozone insgesamt, heißt es in einer Erklärung des deutschen Bankenverbands. Das Abkommen sei ein "Warnschuss für Europa". "Hier geht es weder um Deutschland noch um Griechenland, sondern darum dass die Europäische Union weiterhin gut daran tut, gemeinsame Lösungen zu finden", erklärte der Bankenverband.

Voraussetzung ist allerdings, dass das zerstörte Vertrauen der Gläubiger in den griechischen Staat wieder aufgebaut wird. Das aber ist nach Einschätzung von Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, nicht sicher. "Wir haben es in Athen mit einer Regierung zu tun, die keine Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen zeigt."

Eine Hauswand in Athen, besprüht mit einem "Nein" zu den Reformen, 12.07.2015 (Foto: AP)
Reformfreundliches Umfeld? Eine Hauswand in AthenBild: picture-alliance/AP Photo/T. Stavrakis

Risse in der Eurogruppe

In ihrem offenen Ausgang spiegele die Krise somit generelle Differenz im Euroraum. Dieser sei tief gespalten, so Krämer. Deutschland und die nordosteuropäischen Länder wollten eine Währungsunion, wie der Maastricht-Vertrag sie vorsehe - also eine, die auf soliden Staatsfinanzen, Marktwirtschaft und eine unabhängige Zentralbank setze. Die südlichen Länder, angeführt von Frankreich, wollten hingegen eine Währungsunion ohne konsequente Haushaltsregeln und eine Zentralbank, die abhängig von der Politik sei.

Diese Differenzen würden langfristige Folgen haben, erwartet Krämer: "Das Fehlen eines Reformkonsenses wird die europäische Zentralbank leider weiter zwingen, die ungelösten Probleme der Währungsunion mit einer lockeren Geldpolitik zu übertünchen."

Das Konstrukt der Eurogruppe habe Risse bekommen, glaubt auch Jürgen Michels, Chefvolkswirt der Bayerischen Landesbank. Und die Probleme Griechenlands seien nur auf Zeit gelöst. Denn es werde sehr schwer sein, die Sofortmaßnahmen wie auch die grundsätzlichen Reformen umzusetzen. Die Folgerung daraus lautet: "Grexit nicht heute, aber später."