Griechenland: Antike Zeremonien im Aufwind?
"Eröffnung der Zeremonie zur Sommersonnenwende. Höchste Ehrung des Lichts der Menschen Vereinigung von Göttern und Sterblichen. Heiliger Tag des Lichtwechsels auf der Erde Hymne an Apollo."
Untermalt von alter Musik praktiziert eine Frau in antiken Gewändern liturgischen Sprechgesang. Die Luft ist schwer vom berauschenden Geruch des Weihrauchs, der langsam verbrennt. Wein wird nach einem antiken Ritus gemischt. Hier im Apollo-Tempel, rund dreißig Kilometer von Athen entfernt, feiern Doreta Peppa und die Mitglieder ihrer Organisation "Ellinais" die antiken Götter. "Ellinais" ist eine Abkürzung und steht für "Heilige Gemeinschaft der Gläubigen der Antike". Die Gruppe wurde im Jahr 2005 gegründet, von damals 23 Polytheisten.
Göttliche Energie hat sich von der Erde zurückgezogen
Doreta Peppa ist ihre Sprecherin und Hohepriesterin in Personalunion - und entsprechend begeisterte Verfechterin ihres Glaubens. "Unser Anliegen heute ist das Wiederaufleben des Lichts und die Wiederbelebung der göttlichen Energie, denn man spürt, dass sie sich von der Erde zurückgezogen hat." Aber: man bekämpfe die Ellinais-Anhänger. "Die griechisch-orthodoxe Kirche beschuldigt uns der Götzenanbetung und des Satanismus. In der Provinz haben unsere Anhänger große Probleme, vor allem, seit das Fernsehen uns gefilmt hat. Sie trauen sich nicht mehr her. Viele haben mich angerufen, um zu sagen, dass sie nicht kommen werden", sagt Doreta Peppa.
Zwischenfälle gab es in der Vergangenheit häufiger, der griechische Staat - und der Großteil der Bevölkerung - sympathisieren keineswegs mit den Ideen der religiösen Minderheit. Zwar haben die Götter des Olymp ihren festen Platz im Schulunterricht, sie gehören zum griechischen Geschichtserbe und zur griechischen Kultur, doch die Soziologin Sofia Peta vermutet genau dort den Stein des Anstoßes. "Diese antiken Religionen reklamieren für sich genau den Raum, den die griechisch-orthodoxe Kirche besetzt. Beide wollen als genuiner Ausdruck des Hellenismus gesehen werden, und hier kommt es darauf an, wer mehr Boden gutmacht."
"Kulturelle Vereinigung aus religiösen Gründen"
Wenn Doreta Peppa behauptet, dass die griechische Justiz "Ellinais" als Religion anerkannt habe, entspricht dies nicht ganz den Fakten. Zwar hat "Ellinais" 2006 vom Obersten Gerichtshof den Status einer "kulturellen Vereinigung aus religiösen Gründen" verliehen bekommen. Peppa und ihre Priesterkollegen dürfen nun Eheschließungen, Kindstaufen und Begräbnisse nach antiker Tradition durchführen. Doch in der Praxis heißt das, dass sie bestenfalls ein wenig Weihrauch in den Tempeln verbrennen können.
Giannis Kontopanis, im bürgerlichen Leben Schauspieler, und nebenbei antiker Priester, berichtet: "Ich habe in Delos nach unserem Ritus geheiratet. Als ich meine Eheschließung im Rathaus eintragen lassen wollte, hat man mir geantwortet, dass ich entweder standesamtlich oder kirchlich heiraten müsse. Ich bin seit 1990 verheiratet, aber offiziell bin ich immer noch ledig. Ich kann das nicht verstehen. Wir schaden niemandem. Jeder kann herkommen und schauen, was wir machen. Wir praktizieren keinen Proselytismus."
Vielgötterei – keine Konkurrenz, aber dennoch unerwünscht
Proselytismus, das heißt: aufdringliche Werbung für den eigenen Glauben machen. Auch wenn der Polytheist Kontopanis solche Bemühungen abstreitet, befürchtet die griechisch-orthodoxe Kirche das Gegenteil. Andererseits seien "Ellinais" und die anderen polytheistischen Grüppchen trotz medienwirksamer Auftritte keine wirkliche Konkurrenz, sagt Pater Gabriel, griechisch-orthodoxer Priester - zahlenmäßig schon gar nicht. "Der Proselytismus ist uns trotzdem ein Dorn im Auge. Wenn sie ihre Götter anbeten wollen, können sie das nicht in Delphi oder auf der Akropolis tun, denn das sind keine Kult-Orte mehr, sondern touristische Pilgerstätten. Ellinais muss das respektieren."
Den gleichen Ton schlägt man im griechischen Kulturministerium an, das für diese Problematik sehr sensibel ist. Vivi Basilopoulou ist Archäologin und teilt die Auffassung, dass denkmalgeschützte Stätten für religiöse Zeremonien ungeeignet sind. "Wir wollen niemandem Steine in den Weg legen. Aber nach geltendem Recht sind diese Tempel Baudenkmäler, und Baudenkmäler sind kein Ort für irgendwelche Zeremonien."
In ihrer Liebe zu den antiken Göttern sind Doreta Peppa und die unbestimmte Anzahl Ellinais-Anhänger jedenfalls fest entschlossen weiter zu kämpfen. Eine Anerkennung als Staatsreligion bleibt aber extrem unwahrscheinlich. Da können auch die Götter des Olymp nicht helfen.