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"Eine unendliche Geschichte"

Konstantinos Symeonidis9. September 2016

Die Euro-Finanzminister diskutieren über die Freigabe der nächsten Hilfstranche für Griechenland. An einem Schuldenschnitt kommt das Land nicht vorbei, sagt Klaus Schrader vom Kieler Institut für Weltwirtschaft.

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Griechische Euromünze (Foto: picture-alliance/dpa/Jens Büttner)
Bild: picture-alliance/dpa/Jens Büttner

DW: Es hapert wieder mal an der Umsetzung der Reformen in Griechenland. Das "Handelsblatt" berichtete diese Woche, dass von den 15 sogenannten Prior Actions (Maßnahmen, die zeitnah umgesetzt werden müssen) gerade mal zwei umgesetzt wurden und dass aufgrund dessen bis Ende des Jahres keine Hilfstranche ausgezahlt werden kann. Steht uns ein heißer Herbst bevor?

Schrader: Es ist so eine Art Déjà-vu-Erlebnis. Seit fünf Jahren werden eigentlich alle Ziele immer wieder verfehlt. Die Deadlines werden nicht eingehalten. Es wäre relativ naiv gewesen, zu glauben, dass jetzt innerhalb eines Jahres (seit dem Memorandum vom letzten August) diese sehr ehrgeizigen Reformziele hätten plangemäß umgesetzt werden können. Das ist von vorne herein zu ehrgeizig gewesen, um nicht zu sagen, unrealistisch. Man muss sich vorstellen, dass die griechische Verwaltung selbst Gegenstand der Reform ist. Das heißt, dass die Institutionen in Griechenland, die die Reform umsetzen müssen, selbst Gegenstand eines Reformprozesses sind. Wenn der Chirurg, der am offenen Herzen operieren soll, selbst Gegenstand einer Operation ist, ist das sehr schwierig. Insofern kann das alles nicht überraschen.

Hat sich denn überhaupt nichts getan in Griechenland seit letztem Jahr?

Doch, es ist sehr viel angeschoben worden. Schauen Sie auf Leuchttürme wie bei der Privatisierung - da wird Ihnen jeder sagen, es hat Fortschritte gegeben: Bei den Flughäfen kommt jetzt Fraport zum Zuge. Die Chinesen haben den Hafen von Piräus bekommen. Das ist fast unter Dach und Fach.

Ökonom Klaus Schrader (Foto: Institut für Weltwirtschaft)
Klaus SchraderBild: Institut für Weltwirtschaft

Es hat sich wohl auch endlich ein Käufer für die griechische Staatsbahn gefunden - in Gestalt der italienischen Staatsbahn. Im Energiesektor sind Reformen angeschoben worden. Marktöffnungen da und dort sind beschlossen worden. Nur Beschlüsse sind das eine, die Implementierung ist das andere und dauert viel länger. Vielfach ist es dann auch so, dass man erst Jahre später erkennt, dass doch nicht alles so umgesetzt wurde, wie es sich die Geldgeber gewünscht hatten. Also insofern vielleicht doch eine langwierige, wenn nicht unendliche Geschichte.

In welchen Bereichen sehen Sie konkreten Reformbedarf?

Der Schlüssel zum Erfolg wäre eine funktionsfähige Verwaltung. Das heißt, dass die Institutionen in Griechenland, die mit den Reformen betraut sind, wirklich dafür sorgen können, dass die Projekte nicht nur auf dem Papier stehenbleiben. Das ist aber ein langer Prozess. Das alles in vier Jahren oder früher abzuschließen, wie im letzten August angedacht ist, ist eine Illusion.

Wann kommt die Diskussion über eine Schuldenerleichterung?

Nach den Bundestagswahlen 2017 in Deutschland.

Vorher nicht?

Man hat zwar mit Griechenland im Sommer 2015 dieses "Memorandum of understanding" ausgehandelt, das die Möglichkeit eines Schuldenerlasses nicht ausschließt. Aber der politische Druck in den Geberländern ist momentan relativ groß, dass Griechenland erst mal liefern muss, dass man Ergebnisse sehen will. Bei vielen Geldgebern ist es aus Gründen der Innenpolitik gegenwärtig nicht opportun, jetzt einen großzügigen Schuldenschnitt zu ermöglichen. Ein Schuldenschnitt wird meiner Meinung nach unabwendbar sein, weil die Schuldenlast, die Griechenland sich in den letzten fünf Jahren und vorher aufgebürdet hat, mit eigenen Anstrengungen langfristig nicht zu beherrschen ist. Das heißt, es wird auf direkte oder indirekte Art und Weise irgendwann einen Schuldenschnitt geben müssen.

Wir befinden uns mittlerweile im siebten Jahr nach dem Ausbruch der Krise in Griechenland. Sehen Sie einen Ausweg?

Es gibt zumindest immer wieder Anläufe - und die Hoffnung ist noch nicht gestorben. Doch ist immer interessant zu sehen, dass wenn man wieder mal Reformpläne verabschiedet hat, dann für das nächste Jahr eine Wende beim Wachstum und auf dem Arbeitsmarkt prognostiziert wird. Das Problem ist nur, dass diese Wende von Jahr zu Jahr verschoben wird, wenn die Ziele gerissen werden. Dabei wäre es für die griechische Politik wichtig, diesen Reformprozess rasch zu verinnerlichen. Man darf die Reformen nicht nur lustlos, auf Zwang hin durchführen, sondern man müsste die innere Überzeugung gewinnen, dass mit den Reformen auch wirklich die wirtschaftliche Gesundung eingeleitet werden kann. Ohne diesen Gesinnungswandel wird es in Griechenland nicht zu der erhofften Wende kommen.

Dr. Klaus Schrader ist stv. Leiter des Zentrums für Wirtschaftspolitik am Kieler Institut für Weltwirtschaft.

Das Interview führte Konstantinos Symeonidis.