Erst Pleite, dann Nothilfe?
29. Juni 2015Mit vier Kleinbussen sind Erwin Schrümpf und seine Helfer an diesem Montag per Fähre im Hafen von Patras gelandet. Im Gepäck: sechs Tonnen an Hilfsmitteln, darunter Medikamente und medizinisches Gerät. An insgesamt 18 griechische Kliniken, Waisenhäuser, Sozialstationen und Behindertenheime verteilt der humanitäre Helfer aus Salzburg die Spenden. "Wir sind im Moment in Athen unterwegs und haben jetzt gerade in einem Sozialzentrum Hilfsmittel wie Windeln, Babyöl und andere Kindersachen ausgeladen", so Schrümpf im Gespräch mit der DW.
Ein Bericht der ARD über die Notlage in vielen griechischen Krankenhäusern war für Schrümpf 2012 Anstoß zur Hilfe. Seitdem hat er viele Tonnen an Spenden gesammelt, unter anderem bei Pharmaunternehmen aus Österreich und Deutschland. 32 Mal ist er selbst mit dem Kleinbus nach Griechenland gefahren.
Kein Essen, kein Lächeln
"Wir machen das jetzt seit zweieinhalb Jahren", sagt Schrümpf. "So akut wie jetzt war es noch nie. Die Straßen sind leer, die Autobahn ist leer. Die Menschen sind angespannt, man sieht niemanden lächeln. Den Krankenhäusern und Waisenhäusern geht jetzt sogar das Essen aus. Es ist der Wahnsinn." Geht Griechenland pleite, dann könnte in den nächsten Wochen eine humanitäre Katastrophe eintreten, befürchtet Schrümpf.
Braucht es also bald nicht nur private Initiativen wie der der "Griechenlandhilfe" von Erwin Schrümpf, sondern Nothilfe im großen Maßstab? Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel hat den Griechen für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit bereits "umfassende humanitäre Hilfe" in Aussicht gestellt. "Wir Europäer werden die Menschen in Griechenland nicht im Stich lassen", so Gabriel am Sonntag. Am dringendsten wäre wohl Hilfe für das marode griechische Gesundheitssystem nötig. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU-CSU-Fraktion im Bundestag, Eckhardt Rehberg, sagte der Zeitung "Die Welt": "Ich halte es für verfrüht, über humanitäre Hilfe zu sprechen. Ich schließe aber nicht aus, dass dies auf uns zukommt."
Syrien, Ukraine, Griechenland?
In Deutschland ist das Auswärtige Amt für staatliche humanitäre Hilfe im Ausland verantwortlich. Das Bundesaußenministerium hilft dabei nicht selbst, sondern fördert nach eigenen Angaben "geeignete Hilfsprojekte und -programme der humanitären Organisationen der Vereinten Nationen, deutscher Nichtregierungsorganisationen und der Organisationen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung". Dafür hat die Regierung 2014 mehr als 437 Millionen Euro eingesetzt, insbesondere für die Krisen in Syrien, dem Irak, der Ukraine, dem Südsudan und im Ebola-Gebiet in Westafrika.
Konkrete Planungen für eine staatliche Förderung von Hilfsprojekten in Griechenland scheint es bislang jedoch nicht zu geben. Zu unklar ist wohl noch, ob die Staatspleite nicht doch abgewendet werden kann. Und zu dramatisch ist die Lage in Kriegs- und Krisengebieten rund um die Welt, wo die Bevölkerung dringend auf Unterstützung angewiesen ist. Auch bei den meisten Hilfsorganisationen steht Griechenland deshalb nicht oben auf der Liste. So auch beim Deutschen Roten Kreuz (DRK): "Wir werden nur aktiv, wenn eine Partnergesellschaft, also in diesem Fall das Hellenische Rote Kreuz, um Hilfe bittet", so eine Sprecherin des DRK im DW-Interview. "Ein solches Hilfeersuchen ist aber bislang bei der Internationalen Föderation des Roten Kreuzes nicht eingegangen."
Hilfe für die Kinder von Patras
Zumindest vorbereitet ist man bei der Diakonie, dem Hilfswerk der evangelischen Kirche in Deutschland. Das Diakonische Werk Württemberg etwa fördert bereits Hilfsprojekte in Griechenland, beispielsweise eine "Tafel", die Bedürftige mit Essen versorgt. Durch zahlreiche griechischstämmige Mitarbeiter in württembergischen Diakonie-Einrichtungen sei die Verbindung nach Griechenland traditionell eng, sagt der Vorstandsvorsitzende, Oberkirchenrat Dieter Kaufmann. "Das werden wir sicher ausweiten, weil die Not groß ist und größer wird", so Kaufmann.
Geschätzte vier Millionen Griechen den Folgen von Armut auszusetzen, das könne Europa doch nicht zulassen, meint auch Nothelfer Erwin Schrümpf. Er fordert schnelle Hilfe, etwa für ein Behindertenheim in Patras, das er auf dem Weg nach Athen besucht hat. Dort sind laut Schrümpf 66 Kinder darauf angewiesen, dass irgendjemand Essenspenden bringt. "Die Heimleitung hat kein Geld mehr, um Essen zu kaufen."