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Griechenland im Strudel der Türkei-Krise

Jannis Papadimitriou, Athen20. Juli 2016

Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei haben acht türkische Militärs Asyl im benachbarten Griechenland beantragt. Athen steht vor einem schwierigen Dilemma, berichtet Jannis Papadimitriou aus Griechenland.

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Türkische Offiziere vor Gericht in Griechenland (Foto: Picture alliance)
Bild: picture-alliance/AA/A. Mehmet

Ein ungewöhnliches Bild in der griechischen Grenzstadt Alexandroupolis: Türkische Militärs in Zivilkleidung, die ihr Gesicht verdecken, werden von griechischen Polizisten ins Gerichtsgebäude gezerrt. Hunderte von Menschen rufen Protestparolen auf Türkisch: Die "Verräter" sollen an die Türkei ausgeliefert werden, fordern sie. Mit einem Hubschrauber hatten sich die Geflüchteten nach Griechenland abgesetzt und dort Asyl beantragt. Nun wird den türkischen Offizieren illegale Einreise sowie ein Verstoß gegen das griechische Luftverkehrsgesetz vorgeworfen.

Am Donnerstag werden sie in Alexandroupolis vor Gericht gestellt. Ihre Anwältin Vassiliki Marinaki rechnet mit einem schnellen Urteil, möglicherweise noch am selben Tag. "Die Anklagen haben keinen Bestand", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Im schlimmsten Fall bekommen meine Mandanten eine Bewährungsstrafe. Insofern machen wir uns keine Sorgen um das laufende Strafverfahren." Kopfzerbrechen bereitet Marinaki jedoch das Asylverfahren, das parallel zum Strafprozess läuft und viel länger dauert. Falls der Asylantrag abgelehnt werde, würden die Offiziere in die Türkei abgeschoben - und das, obwohl zwischen Griechenland und dem Nachbarland kein Auslieferungsabkommen bestehe, beklagt die Juristin.

Marinaki berichtet, die Offiziere hätten bereits am Dienstag ihre erste Anhörung bei den griechischen Asylprüfern absolviert. Dabei sei es nur um die Registrierung ihrer Personalien gegangen. Eine weitere Anhörung findet in den nächsten Tagen statt. Insgesamt soll das Asylverfahren "ein paar Wochen" dauern. Die griechische Regierung will sich nicht zu den geflohenen türkischen Offizieren äußern - und verweist auf die Unabhängigkeit der Justiz. Auf Anfrage der DW erklärt Strafverteidigerin Marinaki, sie verspüre keinen Druck von Seiten der Politik.

Der Helikopter, mit dem acht türkische Offiziere nach Griechenland geflohen sind (Foto: epa)
Die türkischen Offiziere sind mit dem Helikopter geflohenBild: picture-alliance/dpa/D. Alexoudis

Athen in der Zwickmühle

Doch die politische Brisanz dieses Falls wird immer deutlicher: Am Dienstag versprach der türkische Botschafter auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz ein "faires Gerichtsverfahren" für die geflohenen Offiziere. Er sagte auch, es sei "ein Fehler" gewesen, dass Griechenland die türkischen Militärs überhaupt ins Land gelassen habe. Sollten diese nicht ausgeliefert werden, warnt der Diplomat, wäre dies "überhaupt keine Hilfe" für die bilateralen Beziehungen. Griechische Medien geben sich entrüstet: Der Ton des Botschafters sei auch "keine Hilfe", moniert Antonis Schreuter, Moderator des TV-Senders Alpha. "Ankara belastet das Klima (in den bilateralen Beziehungen)", titelt auch die Zeitung Kathimerini. Das konservative Blatt Eleftheros Typos schreibt sogar von einer "Provokation" von Seiten der Türkei.

Athen steht vor einem schwierigen Dilemma, sagt Konstantinos Filis, Forschungsdirektor am Athener Institut für Internationale Beziehungen: Die griechische Regierung müsse zwischen realpolitischen Zwängen und der Einhaltung des Völkerrechts abwägen. "Nach der Logik Erdogans sollten wir unsere Justiz übergehen, die Offiziere packen und sie sofort an die Türkei ausliefern. Aber so läuft das eben nicht in einem EU-Land", kritisiert der Politikwissenschaftler im Gespräch mit der DW. Andererseits: Es sei nicht zuletzt im Interesse Athens, eine schnelle Lösung herbeizuführen - in welche Richtung auch immer. Dabei sollte sich Griechenland politische Unterstützung in Europa einholen: Denkbar sei etwa eine unterstützende Äußerung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. "Wir wären gut beraten, das Verfahren um die türkischen Offiziere nicht als reine griechisch-türkische Angelegenheit zu betrachten", gibt Filis zu bedenken.

Nach einem Bericht des Athener TV-Senders Antenna wurden die türkischen Militärs "aus Sicherheitsgründen" am Mittwochmittag aus der griechischen Grenzstadt Ferres auf eine andere Polizeiwache gebracht, da sie von "Unbekannten" mit Drohungen für Leib und Leben konfrontiert würden. Eine ihrer Anwältinnen bestätigte den Vorfall, erklärte aber auch, die Verlegung der Offiziere erfolge in der Tat zu deren Sicherheit und habe nichts Negatives zu bedeuten.

Flüchtlinge als Druckmittel

Politikwissenschaftler Filis glaubt nicht, dass der türkische Präsident Tayyip Erdogan Interesse an einer Eskalation hat. Schließlich habe er im eigenen Land alle Hände voll zu tun. "In nächster Zeit wird Erdogan den Staat, die Justiz und das Militär in der Türkei völlig umkrempeln. Es wäre doch politischer Selbstmord, während dieser Zeit neue Fronten zu eröffnen", meint Filis.

Ein wichtiges Druckmittel stehe dem türkischen Präsidenten allerdings zur Verfügung, befürchtet der Politikwissenschaftler: Erdogan könnte das Flüchtlingsabkommen mit der EU außer Kraft setzen und Zehntausende Menschen über die Ägäis nach Griechenland ziehen lassen. Ähnliches befürchtet der griechische Einwanderungsminister Jannis Mouzalas: "Die Entwicklungen in der Türkei haben möglicherweise Konsequenzen für die aktuelle Flüchtlingskrise", erklärte er diplomatisch im Parlament, ohne auf Details eingehen zu wollen.

Nach Auffassung des Politikwissenschaftlers Filis könnten die Ereignisse in der Türkei sogar eine neue Flüchtlingswelle auslösen: "Tausende Menschen werden derzeit in der Türkei zur Zielscheibe erklärt und können nicht mehr dort leben. Eine ähnliche Flüchtlingswelle aus der Türkei haben wir in den 1980er Jahren erlebt."