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Einigung mit Nebenwirkungen?

Jannis Papadimitriou, Athen10. August 2015

Noch in dieser Woche soll das neue Hilfspaket für Griechenland stehen. Der mächtige Linksflügel der Regierungspartei Syriza droht mit einer Spaltung und verheißt die Rückkehr zur Drachme. Aus Athen Jannis Papadimitriou.

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Sonenaufgang über der Akropolis in Athen (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/O. Scarff

In Athen verhandeln die griechische Regierung und die internationalen Geldgeber seit vergangener Woche über die Bedingungen für weitere Hilfszahlungen. Mehr als zwölf Stunden dauerte die jüngste Verhandlungsrunde am Sonntag. Das neue Hilfspaket könnte schon am Dienstag in seinen Grundzügen ausgearbeitet sein und bis Donnerstag vom griechischen Parlament verabschiedet werden. Dann ist es möglich, dass am Freitag die Euro-Finanzminister grünes Licht für neue Finanzhilfen geben. Die Zeit drängt: Am 20. August wird eine Rückzahlung in Höhe von 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) fällig. Athen braucht dringend frisches Geld, um dieser Verpflichtung nachzukommen.

Das griechische Staatsfernsehen ERT berichtet, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) derzeit Vorbereitungen für ein Finanzpaket im Volumen von mindestens 50 Milliarden Euro schnürt - und wertet diese Meldung als ermutigendes Anzeichen auf eine schnelle Einigung. Auch Thanos Dokos, Leiter des Athener Think-Tank ELIAMEP, hält einen baldigen Abschluss der Verhandlungen für möglich: "Die Finanzreserven sind erschöpft, die Fristen laufen weiter und die Regierung steht mit dem Rücken zur Wand. Deshalb unternimmt sie jeden Versuch, um eine Einigung zu erreichen." Etwas Skepsis sei schon angebracht, ob es in dieser Woche zu einer Vereinbarung kommt - schließlich habe die griechische Seite in der Vergangenheit oft genug Zuversicht an den Tag gelegt, ohne dass sich ihr Optimismus später bewahrheitet hätte. "Doch diesmal stehen die Zeichen auch im Ausland auf Einigung. Das war in der Vergangenheit wohl anders", erläutert Dokos im Gespräch mit der DW.

Linksflügel droht offen mit Spaltung

Vor allem in seiner eigenen Partei stößt Ministerpräsident Alexis Tsipras aber auf wachsenden Widerstand. Der inzwischen geschasste Energieminister Panagiotis Lafazanis, der als Anführer der radikalen Parteilinken gilt und seit langem für einen Euro-Austritt Griechenlands wirbt, droht mit der Gründung einer neuen Partei. Im Interview mit dem Linksblatt "Avgi" mahnt Lafazanis, eine Syriza-Regierung habe keine Zukunft mehr, falls sie - entgegen vorheriger Zusagen im Wahlkampf - ein weiteres Sparpaket verabschiede. Zudem spricht der Ex-Minister von einer "Diktatur des Euro" und stellt eine blühende Zukunft nach einem geregelten Euro-Austritt Griechenlands in Aussicht. "Die Würfel sind offenbar gefallen für die Gründung einer neuen Partei", kommentiert daraufhin Syriza-Europapolitiker Dimitris Papadimoulis enttäuscht via Twitter.

Alexis Tsipras, Syriza-Parteichef (Foto: epa)
In der Syriza-Partei wächst der Widerstand gegen TsiprasBild: picture-alliance/epa/O. Panagiotou

Staatsminister Nikos Pappas, ein enger Vertrauter von Ministerpräsident Tsipras, startet eine Gegenoffensive: Niemandem sei es gestattet, eine "eigene Partei innerhalb der Partei" zu führen, mahnt er im Interview mit der wirtschaftsliberalen Sonntagszeitung Real News. Gleich am Montag gehen die radikalen Linken einen Schritt weiter: Die Regierung müsse die Verhandlungen mit den Geldgebern sofort stoppen, Griechenland brauche eine eigene Währungspolitik, donnert Syriza-Abgeordneter Stathis Leoutsakos im TV-Interview. Für Politikwissenschaftler Thanos Dokos steht fest: "Die Spaltung der Linkspartei war eigentlich eine Frage der Zeit - wobei ich nicht gedacht hätte, dass dies so schnell geschehen könnte. Aber vermutlich hat diese Spaltung auch eine befreiende Wirkung für den Ministerpräsidenten." In diesem Fall könne Tsipras nämlich seine guten Umfragewerte nutzen, um Neuwahlen anzusetzen und dadurch eine handlungsfähige Regierungsmehrheit zu erreichen.

Griechisch-französische Annäherung

Die Verhandlungen über ein neues Rettungspaket bringen Griechenland und Frankreich deutlich näher: Am Rande der Feierlichkeiten zur Eröffnung des neuen Suez-Kanals am vergangenen Donnerstag kam es zu einem herzlichen Treffen zwischen Regierungschef Alexis Tsipras und dem französischen Präsidenten François Hollande. Laut griechischen Medienberichten signalisierte Hollande seine Unterstützung für das Anliegen Athens, bis zum 20. August ein neues Rettungspaket unter Dach und Fach zu bringen und dabei angebliche Bedenken Deutschlands aus dem Weg zu räumen.

Dagegen bekommt Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Schäuble eine schlechte Presse in Athen: Mehrere Zeitungen berichten von angeblichen Torpedierungsversuchen aus Berlin. Selbst der Vorschlag Schäubles, im Notfall eine Brückenfinanzierung für Hellas zu organisieren, wird als Untergrabung der Verhandlungen über ein drittes Rettungspaket bezeichnet. Dabei ist der Bundeswirtschaftsminister mit dieser Ansicht nicht allein: Selbst Alexis Mitropoulos, Syriza-Politiker und Vizepräsident des griechischen Parlaments, erklärte neulich im TV-Interview, eine Brückenfinanzierung für Griechenland wäre eigentlich die bessere Lösung, damit die regierende Linkspartei "Zeit und Kraft" bekommt, ihr Wahlprogramm umzusetzen.