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Griechenland Tourismus

21. Juni 2011

Die Griechen leben vom Tourismus. Auch auf der größten Insel Kreta setzt man voll auf die Urlauber. Doch die Krise stellt viele Betriebe vor große Herausforderungen.

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Kreta - Ziel vieler Touristen (Foto: DW/Klausner)
Bild: DW

Ein kleiner fensterloser Raum neben der Rezeption des Vier-Sterne-Hotels "Irini Mare". Chefin Irini streicht sich die wilden Locken aus dem Gesicht. Gebannt starren sie und ihre Mitarbeiter auf den dunkelblauen Computerbildschirm. Weiße Zahlenreihen bewegen sich, das Ganze ähnelt einem Börsenbildschirm. Irni zeigt auf die kryptischen Zahlenreihen. "Hier kommen die Buchungen rein. Wir müssen wirklich permanent schauen, wie sich die Buchhungszahlen entwickeln und entscheiden, ob wir bremsen, oder ein Angebot rausgeben. Es ist schon ein bisschen wie an der Börse!" 230 Betten hat ihre Anlage im Fischerdörfchen Agia Galini im Süden Kretas.

Buchungen in der Krise schwer zu kalkulieren

Chefin des Hotels Irini Mare (Foto: DW/Klausner)
Hotelchefin Irini ist skeptisch, dass Hoteliers in diesem Jahr Gewinn machenBild: DW

Irini klickt sich durch das Zahlengewirr, sie ruft die Juli-Buchungen auf. Gerade einmal ein Drittel ihrer Zimmer sind bis jetzt belegt. Sie runzelt die Stirn und gibt zu, dass das nicht gerade viel sei. Immerhin ist der Juli der erste Monat der Hauptsaison. Doch dann schüttelt die Chefin den Kopf. Eigentlich würde noch alles offen sein, denn "die meisten sind Last-Minute-Bucher – in Deutschland ist das der Renner“.

Das heißt: Hoteliers wie Irini wissen erst in der letzten Minute, ob sie das Haus voll kriegen. Jetzt in der Krise sei alles aber noch schwieriger zu kalkulieren. Der Saisonstart war dürftig. Kommen die Touristen wenigstens zur Hochsaison? Lassen sie sich von den schlechten Nachrichten über das bankrotte Griechenland abschrecken? 35 Mitarbeiter hat Irini. Doch die braucht sie eigentlich erst zur Hauptsaison. Momentan käme sie mit weniger Leuten aus.

Run auf die Saison-Jobs

"Genau darüber mache ich mir ja große Sorgen", sagt die Hotelchefin. "Ich schlafe deshalb nächtelang nicht, das ist kein Witz." Sie fühlt sich verantwortlich für ihre Mitarbeiter. "Und ich bringe es nicht übers Herz, die Leute bis Juli ohne Arbeit lassen und dann auf einmal zu sagen, dass ich sie jetzt für zwei Monate brauche." Viele ihrer Hotelier-Kollegen machen das aber genau so.

Ständig klingelt bei Irini das Telefon – ob sie nicht einen Job für die Saison habe. Es sind nicht wie sonst Albaner, Bulgaren oder Türken am Apparat. Sondern Griechen. Oftmals Leute vom Festland, wo die Arbeitslosigkeit gerade bei rund 16 Prozent liegt. Doch Irini hat keine Jobs, sondern kämpft mit ständig steigenden Kosten. Die Mehrwertsteuer ist zum Beispiel in kürzester Zeit von 19 auf 23 Prozent geklettert.

Alles nur noch gegen Vorkasse

Gemüseauslage auf Kreta (Foto: DW/Klausner)
Einheimisches Gemüse ist billig – aber Importware ist sehr teuerBild: DW

Irini legt bedächtig ihr Handy auf den Balkontisch. "Ich denke, wenn es so weiter geht, dann wird es kritisch. Wir werden keine Produkte mehr aus dem Ausland importieren können.“ Das Fleisch für das Hotel importiert sie nämlich seit Jahren aus Deutschland. Normalerweise, erzählt die Chefin, habe sie 20 Prozent des Preises vorab bezahlt und den Rest ein paar Monate nach Erhalt der Ware. "Doch jetzt sagt der Lieferant zu mir, dass wir das ab sofort nicht mehr so machen können. Wir müssen jetzt den gesamten Betrag vorab bezahlen."

Genauso sei es mit der Shampoobestellung aus Italien gewesen, oder beim Geschirr. Irini zuckt mit den Schultern. Griechische Geschäftsleute würden eben alles nur noch gegen Vorkasse bekommen. Und das sei ein Problem, denn erwirtschaftet habe sie das Geld ja noch nicht. Sie schirmt die Augen ab, und schaut zu den Tavernen unten am Strand. Bisher saßen da am Wochenende immer die griechischen Großfamilien. Doch seit diesem Jahr – nichts. Sie gehen nicht mehr aus.

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Touristen merken keine Krise

Ein paar Buchten weiter westlich, der Touristenort Plakias. Eine lange Kiesbucht, Sonnenschirme, in den Tavernen der Strandpromenade sitzen ein paar Touristen. Ganz vorne beugen sich gerade Karin und Franz aus Erlangen über die Speisekarte. Ihre dicken Wanderschuhe haben sie dezent neben dem Rucksack geparkt. Verschwitzt von ihrer Bergtour gönnen sich die beiden ein Mythos, so heißt eine der einheimischen Biermarken. "Wurst und Käse sind einfach sündhaft teuer", klagt Franz während er seine Tekkinghose hochkrempelt. "Alles was die Griechen selbst produzieren, ist billig. Aber alles, was sie einführen müssen, ist teuer. Butter kostet 3,45 Euro!" Seine Frau nickt. Sie wollte sich einen Camembert kaufen. Doch als sie den Preis gesehen habe - 4,50 Euro - habe sie sich das anders überlegt. "Es gibt viele Sachen, die sind um das Dreifache teuerer als bei uns".

Blick auf die Bucht von Anaxos bei Petra, Insel Lesbos (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/Bildagentur Huber

Wurst, Benzin, Kaffee – extrem teuer

Der Liter Benzin kostet fast 1,90 Euro. Drei Wochen sind die beiden nun schon auf Tour und wundern sich, wie die Einheimischen hier klar kommen. Denn mit einem Job im Tourismus verdient man im Schnitt 1000 Euro im Monat. Aber ob sie was von der Krise merken? "Absolut nicht, wir haben den Eindruck, dass es den Griechen hier gut geht, und dass man alles haben kann, was man braucht."

"Das kann man so aber gar nicht sagen", mischen sich da plötzlich zwei junge Frauen vom Nachbartisch ein. Sie seien Medizinstudentinnen aus München, erzählt Kaliroy, die mit dem dunkleren Teint. Sie und ihre Freundin Anja würden in der Uniklinik der Hauptstadt Heraklion arbeiten, etwa drei Autostunden von hier entfernt. Auf der Arbeit sei die Krise tabu, erzählen sie, aber sie hätten mit vielen außerhalb des Krankenhauses gesprochen. Und in der Regel könne man mit den Griechen da schon offen darüber reden, ein Tabuthema sei die Krise nicht.

Die Krise – ein Tabuthema?

Allerdings, meint Anja, während sie ihr blondes Haar mit der Sonnenbrille hochsteckt, sei Kaliroy ja auch Halbgriechin. Das würde natürlich viele Türen öffnen. Vor allem wenn Kaliroy dann erzählt, dass ihr Vater auch seinen Job verloren hat. "Natürlich", meint ihre Freundin Kaliroy, würden die Leute da offener sein, wenn sie hören, "dass es in meiner eigenen Familie auch passiert ist. Mein Vater hat 20 Jahre bei Siemens in Deutschland gearbeitet und danach bei Siemens in Athen. Er hatte dort eine Führungsposition. Und dann war von einem Tag auf den anderen der Job weg! Am Donnerstag hat er seine Kündigung bekommen, am Montag musste er seinen Platz räumen." Natürlich würden sie und Anja auch mit griechischen Studenten über die Krise sprechen. Und die wollen alle nur eines: So schnell wie möglich ins Ausland.

Studenten wollen nur weg

Strassenszene in Kreta (Foto: DW/Klausner)
Vor der Krise kamen eine Million Touristen jährlich nach Kreta Bild: DW

Zurück im Hotel Irini Mare. Chefin Irini steht auf dem Balkon. Nachdenklich lässt sie ihren Blick über die grüne Anlage schweifen. Das Geschrei der Kinder im Pool nimmt sie kaum wahr. Sie denkt an ihre Kinder. Denn genau wie die beiden Medizinerinnen Anja und Kaliroy lebt auch ihr Sohn in Heraklion. Gerade macht er seinen Uni-Abschluss im Fach Tourismus. "Leider", sagt sie und blickt auf den Boden, "gehen fast alle Studenten ins Ausland. Aber ein Land, ohne clevere Leute, die studiert haben, ist ein totes Land." Auch ihr Sohn spielt mit dem Gedanken ins Ausland zu gehen. Und ihre Tocher erst recht. Sie ist jetzt 20 und studiert Finanzwissenschaften in Athen. Sie will in die USA. "Das macht mich am meisten traurig. Es ist so schade um unser Land. Denn Griechenland ist ein reiches Land. Aber wir hatten immer so schlechte Regierungen. Von der ersten bis zur letzten waren alle Schrott."

Preise halten – ja keine Touristen abschrecken

Und nun? Irini will wie die anderen Hoteliers auf keinen Fall die Preise erhöhen – um ja keine Touristen zu verschrecken, lieber macht sie Verlust. Doch dann lächelt sie, für einen kurzen Augeblick gleitet ein schelmisches Grinsen über ihr Gesicht. Sie habe da noch eine Idee. Nächstes Jahr, wenn alles gut gehe, würde sie ihr Hotel früher aufmachen. "Für Rad-Touristen. Rennrad-Teams und Mountainbiker. Das ist was komplett Neues auf Kreta. Bis jetzt gehen die Radler alle nach Mallorca. aber Mallorca ist zu voll." Bike-Tourismus wäre eine Nische, und Irini will da hinein. Schließlich, meint sie dann, sei doch jede Krise auch eine Chance!

Autorin: Miriam Klaussner
Redaktion: Henrik Böhme