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Politik

GroKo: SPD auf Werbetour

13. Januar 2018

Die Sondierungsgespräche von Union und SPD sind geschafft. Doch wird die Basis dem Ergebnis beim SPD-Parteitag kommende Woche zustimmen? Die Vorbehalte bei den Jusos und dem linken Parteiflügel sind groß.

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SPD-Bundesparteitag (picture alliance / Michael Kappeler/dpa)
Kommt die große Koalition? Die SPD-Spitze gibt sich zuversichtlichBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Sondierungsverhandlungen mit der Unionsspitze versucht die SPD-Führung, ihre Basis nun für den nächsten Schritt Richtung große Koalition zu gewinnen. Die Vize-Vorsitzenden Malu Dreyer und Olaf Scholz, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles werben dafür, dass der extra einberufene SPD-Parteitag am 21. Januar das Sondierungsergebnis akzeptiert und der Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen zustimmt. Außenminister Sigmar Gabriel möchte dagegen den SPD-Mitgliedern die Entscheidung über eine neue große Koalition überlassen. Der frühere Parteichef kritisierte bei einem SPD-Landesparteitag in Sachsen-Anhalt, dass ein Bundesparteitag am 21. Januar zwischengeschaltet ist. Dieses Verfahren sei nicht nur ein Misstrauensbeweis gegenüber dem Parteivorstand. "Das ist auch ein Misstrauen gegenüber der eigenen Basis", sagte Gabriel.

Kanzlerin Angela Merkel mahnte die Sozialdemokraten: "Die Sehnsucht nach Unterschiedlichkeit in der Demokratie darf nicht so groß sein, dass die Möglichkeit der Zusammenarbeit nicht mehr gegeben ist", sagte sie in ihrem Wahlkreis. Sogar die CSU schlug werbende Töne an. "Beide Seiten haben Punkte gemacht", sagte Generalsekretär Andreas Scheuer der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). "Wir warten auf die SPD und sind gespannt, ob sie sich am Ende verantwortungsvoll verhält. Das Sondierungsergebnis ist eine gute Basis."

Dreyer: "Zweckgemeinschaften können gute Arbeit leisten"

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer sieht gute Chancen, die SPD-internen Kritiker umzustimmen. "Das ist eine sehr gute Grundlage, um auch Verhandlungen zu einer Koalition zu führen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist nach wie vor so, dass die große Koalition nicht meine Lieblingskonstellation ist, aber ich habe auch schon betont, dass manchmal auch Zweckgemeinschaften ganz gute Arbeit leisten können. Das nehmen wir uns vor, dass wir sehr viel in Koalitionsverhandlungen erreichen können."

Ihr Kollege Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, zeigte sich zuversichtlich, dass der Parteitag für Koalitionsverhandlungen stimmt. "Derzeit haben diejenigen viel Echo, die die Ergebnisse hart kritisieren", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Aber die Qualität der Vereinbarung erschließt sich, je mehr man sich damit beschäftigt." Auch Hamburgs Regierungschef und SPD-Bundesvize Olaf Scholz befand: "Das Gesamtpaket stimmt." Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er weiter: "Auf dieser Basis lohnt es sich, finde ich, Koalitionsverhandlungen mit der Union zu führen." Er rechne damit, dass sich der Parteitag mehrheitlich für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheide werde.

SPD-Fraktionschefin Nahles wertete das Sondierungsergebnis als fair. "Ich persönlich sehe das als ein Geben und Nehmen bei Verhandlungen. Und ich könnte jetzt auch eine Liste machen von Punkten, wo wir uns wechselseitig jeweils auch an die Schmerzgrenze gebracht haben", sagte sie in den ARD-"Tagesthemen". Die Union habe eine große Reform des Einkommensteuertarifs gefordert, aber eine Senkung des Solidarzuschlags für 90 Prozent der Bürger bekommen.

Wiesbaden Thorsten Schäfer-Gümbel SPD
Der hessische SPD-Vorsitzende Schäfer-Gümbel will Nachbesserungen nicht ausschließen Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Schäfer-Gümbel: "Luft nach oben" 

Der hessische SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel machte dagegen seine Unzufriedenheit mit wesentlichen Teilen des Sondierungsergebnisses deutlich. "Wir haben ein Sondierungsergebnis, nicht mehr und nicht weniger", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Es gibt Dinge, da haben wir uns durchsetzen können. Es gibt Dinge, die gefallen mir nicht." Und es gebe Dinge, die schmerzten sehr wie die Themen Migration und Integration. Bei der Abstimmung im SPD-Parteivorstand unterstützte Schäfer-Gümbel am Freitag die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Im Sondierer-Team der SPD hatte er sich zuvor nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur allerdings enthalten.

"Da ist sicherlich noch Luft nach oben in den Schwerpunkten", sagte Schäfer-Gümbel dem Hessischen Rundfunk. In den nächsten Tagen werde parteiintern zu klären sein, ob die bisher erzielten Verhandlungsergebnisse ausreichten. "Ich schließe nicht aus, dass wir dann auch sagen werden, dass da noch bestimmte Punkte nachgearbeitet werden müssen", sagte Schäfer-Gümbel weiter. Er drängte zudem darauf, die SPD müsse unabhängig von einer Regierungsbildung an ihrem internen Erneuerungsprozess festhalten.

Juso-Bundeskongress Kevin Kühnert
Juso-Vorsitzender Kevin Kühnert lehnt die GroKo ab Bild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Ablehnung bei den Jusos

Jusos und SPD-Linke bleiben entschiedene Gegner der großen Koalition. Er hätte erwartet, dass man es der Union nicht so leicht machte, nicht über die Tolerierung einer CDU/CSU-Minderheitsregierung zu reden, sagte der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert der "Welt" (Online). Präsidiumsmitglied Johanna Uekermann sagte den Funke-Zeitungen: "CDU und CSU blockieren die Weichenstellung in zentralen Zukunftsfragen und einen Politikwechsel für mehr Gerechtigkeit." Die Jusos in Sachsen-Anhalt wollen beim Landesparteitag in Wernigerode gegen eine Neuauflage der großen Koalition in Berlin mobil machen. "Verlässliches Regieren ist mit der Union aktuell nicht möglich", heißt es in einem Antrag der Jugendorganisation, über den die Delegierten an diesem Samstag diskutieren wollen. Eine große Koalition stärke den politischen Populismus und damit letzten Endes auch den rechten Rand. 

Auch der Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, äußerte heftige Kritik."Die Dauer und Intensität der Sondierungsgespräche belegen, dass mit CDU und CSU nicht mehr zu machen ist", sagt er der Deutschen Presse-Agentur. "Deshalb bleibe ich bei meiner kritischen Haltung zur großen Koalition."

Bei vielen Parteimitgliedern herrsche große Skepsis, sagte die Vorsitzende der Linken-Gruppierung DL21, Hilde Mattheis, im Deutschlandfunk. "Der generelle Politikwechsel findet nicht statt und die Stärkung des rechten Randes darf nicht passieren", sagte Mattheis. Mit dem Sondierungsergebnis würden die Fragen der Verteilungsgerechtigkeit nicht ausreichend beantwortet. Mit einem Wahlergebnis von 20,5 Prozent sei die SPD aber aufgerufen, sich klarer als Partei der sozialen Gerechtigkeit zu positionieren und die Dinge nicht nur punktuell anzugehen. Außerdem dürfe der AfD nicht die Oppositionsführerschaft überlassen werden.

Werben für den Kompromiss

In den kommenden Tagen will die SPD-Führung nun auf verschiedenen Parteiveranstaltungen für eine große Koalition werben. Außenminister Sigmar Gabriel hofft, auf dem Landesparteitag von Sachsen-Anhalts SPD in Wernigerode für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen die Werbetrommel rühren zu können. In Hessen wird sich außerdem der Landesparteirat der SPD mit den Sondierungsergebnissen beschäftigen. In Duisburg treffen sich zudem die Vorstände der nordrhein-westfälischen Landespartei und der Landtagsfraktion mit den Unterbezirkschefs, um Beratungen über die Sondierungsergebnisse vorzubereiten. Die NRW-SPD als stärkster Parteiverband galt bislang als besonders kritische Gegnerin einer erneuten großen Koalition. Landesparteichef Michael Groschek zeigte sich aber bereits überzeugt vom Sondierungsergebnis und will dafür werben. Am Montag und Dienstag reist Schulz an, um in Dortmund und Düsseldorf die 144 NRW-Delegierten des Bundesparteitags bei Vorgesprächen zu überzeugen.

sth/as (rtr, ap, dpa)