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"Groteske" Blutwerte in der Leichtathletik

Stefan Nestler1. August 2015

Neue Doping-Vorwürfe gegen Russland und Kenia, dazu eine Datenbank voller verdächtiger Blutwerte: Drei Wochen vor der WM in Peking droht der internationalen Leichtathletik eine Ausweitung des Dopingskandals.

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Symbolbild Doping. Foto: Fotolia/gebai
Bild: Fotolia/gebai

Doping ist in den Ausdauerdisziplinen der Leichtathletik möglicherweise deutlich weiter verbreitet als bisher angenommen. In der am Samstag ausgestrahlten ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping: Im Schattenreich der Leichtathletik" präsentierte das Team um den Dopingexperten Hajo Seppelt eine ihm offenbar aus Kreisen des Leichtathletik-Weltverbands IAAF zugespielte Datenbank mit mehr als 12.000 Blutwerten aus Dopingkontrollen zwischen 2001 und 2012. An der Echtheit bestehe kein Zweifel, heißt es in dem Film. Viele der aufgeführten Werte seien auffällig gewesen. Insgesamt 150 Medaillen bei internationalen Großereignissen seien möglicherweise von gedopten Sportlern gewonnen worden, nur vier Medaillen wurden aberkannt.

"Ausdauerdisziplinen von Blutdoping durchsetzt“

Seppelt legte die Daten unter anderem dem australischen Doping-Experten Michael Ashenden zur Analyse vor. "Die Werte in der Datenbank lassen aus meiner Sicht keinen Zweifel zu, dass die Ausdauerdisziplinen bei Weltmeisterschaften und Olympia von Blutdoping durchsetzt waren", sagt Ashenden in der Dokumentation. "Es tut mir sehr leid für die sauberen Athleten, die um ihre Medaille betrogen wurden. Es wäre praktisch unmöglich gewesen, gegen einige dieser Werte anzukommen. Es ist einfach grotesk, wie hoch einige dieser Werte waren. Es waren die schlimmsten, die ich jemals gesehen habe." Der Weltverband IAAF teilte auf Anfrage mit, ohne genaue Kenntnis des Datensatzes könne man die Ergebnisse nicht kommentieren.

Maria Sawinowa und ihr Trainer Wladimir Kazarin nach dem Olympiasieg 2012 in London. Foto: Getty Images
Maria Sawinowa und ihr Trainer Wladimir Kazarin nach dem Olympiasieg 2012 in LondonBild: Getty Images/S. Lecka

Olympiasieg dank Wachstumshormonen?

In der ARD-Reportage wird auch eine Tonbandaufnahme präsentiert, in der die russische 800-Meter-Olympiasiegerin Maria Sawinowa zu hören sein soll. Darin gibt sie angeblich zu, Wachstumshormone eingenommen zu haben. Andere russische Läuferinnen werden ebenfalls belastet. Zudem gebe es weitere Hinweise auf massive Mängel am Anti-Doping-Kontrollsystem in Russland. Bereits im vergangenen Winter hatte eine ARD-Dokumentation über systematisches Doping und Korruption im russischen Sport weltweit für Aufsehen und personelle Konsequenzen gesorgt. Konfrontiert mit den neuen Erkenntnissen sagte Richard Pound, ehemaliger Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und Vorsitzender der zuständigen Untersuchungskommission: "Wenn sich herausstellt, dass das alles wahr ist, dann ist das Problem sicher größer als man bisher zugegeben hat."

Hinweise auf Korruption im kenianischen Verband

In Kenia gab sich Seppelt als Leichtathletikbetreuer aus und filmte mit versteckter Kamera, wie problemlos er Dopingmittel für seine angeblichen Schützlinge beschaffen konnte. Die inzwischen wegen Dopings gesperrte Läuferin Rito Jeptoo, Siegerin des Boston-Marathons, berichtete zudem offen über den mangelhaften Anti-Doping-Kampf in ihrem Heimatland. "Ich habe seit 2006 nicht einmal in Kenia einen Bluttest machen müssen", sagte die 34-Jährige. In der Dokumentation werden deutliche Hinweise dafür präsentiert, dass auch hochrangige Funktionäre des kenianischen Leichtathletik-Verbands in das Dopingsystem verstrickt sind. Angeblich gab es Verbandsvertreter, die von Athleten Geld dafür kassierten, dass deren positive Befunde bei Dopingkontrollen totgeschwiegen wurden. Beim Leichtathletik-Weltverband scheint das niemand zu interessieren: In wenigen Wochen kandidiert der kenianische Verbandspräsident Isaiah Kiplagat für den Posten des IAAF-Vizepräsidenten.

Rita Jeptoo bei ihrem Sieg in Boston 2014. Foto: Getty Images
Rita Jeptoo bei ihrem Sieg in Boston 2014Bild: AFP/Getty Images

sn (sid, ARD)