Das deutsche Grundgesetz
23. Mai 2014Andere Staaten haben Verfassungen, Deutschland hat das Grundgesetz. Es stellt das rechtliche Fundament der Bundesrepublik dar. In insgesamt 146 Artikeln sind die Grundrechte der Bürger verankert und die politische Grundordnung des deutschen Staates festgelegt.
Das Grundgesetz definiert die Bundesrepublik als föderale Demokratie, als Rechts- und Sozialstaat. Es beschreibt, wie gewählt wird und wie Gesetzte erlassen werden. "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" steht im Artikel 20. Als wichtige Normen sind Meinungs-, Presse- und Glaubensfreiheit vorgegeben.
Im Grundgesetz steht auch:
- Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich
- Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern
- Die Wohnung ist unverletzlich
- Politisch Verfolgte genießen Asylrecht
- Eigentum verpflichtet
Diese Auszüge aus dem Grundgesetz, die auch an großen Glasplatten vor dem Reichstag in Berlin für alle nachlesbar sind, belegen, dass die verfassungsrechtlichen Regelungen keineswegs veraltete oder leere Floskeln sind. So steht zum Beispiel im Artikel 3: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Keine Selbstverständlichkeit auch heute noch in vielen Regionen der Welt. Für diesen Passus hat besonders die SPD-Politikerin Elisabeth Selbert gekämpft. Sie war es, die damit den Grundstein für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der jungen Bundesrepublik legte.
Lehren aus der Vergangenheit
Angriffskrieg, Gestapo, Holocaust - das darf es auf deutschem Boden nie wieder geben, so lautete die Maxime, als am 23. Mai 1949 der Parlamentarische Rat in Bonn das Grundgesetz verabschiedete. Den Mitgliedern des Rates ging es darum, die richtigen Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.
Deshalb stehen gleich am Anfang des Verfassungstextes die Grundrechte. Sie sind in den Artikeln 1 bis 19 beschrieben. Als Mahnung an Auschwitz, Dachau, Treblinka wurde denn auch der erste Satz formuliert: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."
Dieses Grundrecht im Artikel 1 verbietet es, den Menschen zum Objekt staatlichen Handelns zu machen, jeder muss respektiert werden. Auch die weiteren Grundrechte sind in erster Linie als Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat zu verstehen.
Nach Artikel 26 des Grundgesetzes ist es verfassungswidrig, einen Angriffskrieg vorzubereiten. Und: Parteien, die die demokratische Ordnung bekämpfen, können verboten werden, auch wenn dieser Paragraf erst zwei Mal in der Geschichte der Bundesrepublik angewandt wurde. Außerdem legt das Grundgesetz fest, dass kein Verfassungsorgan die alleinige Macht im Staat an sich reißen darf.
Große Verantwortung als letzte Instanz im Land
Kein Gesetz darf dem Grundgesetz widersprechen. Darüber wacht das Verfassungsgericht in Karlsruhe. Die Richter in roten Roben schützen die Rechte jedes Einzelnen und sichern die Demokratie in Deutschland.
Die Verfassungsrichter haben große Verantwortung. Sie sind die letzte Instanz im Land. Was in Karlsruhe verkündet wird, ist für alle rechtsverbindlich und unanfechtbar. Doch das Gericht - im Gegensatz zur Politik - genießt ein hohes Maß an Respekt. Die Bürger bringen ihm mehr Vertrauen entgegen als den meisten anderen staatlichen Institutionen.
Wie das Grundgesetz entstand
1948, drei Jahre nach Kriegsende, lag Deutschland immer noch in Trümmern. Das Staatsgebiet war in vier Besatzungszonen aufgeteilt, das Kommando in den Händen der vier Siegermächte.
Während in der sowjetischen Zone die DDR gegründet wurde, sollte aus den drei westlichen Zonen, die von den USA, Frankreich und Großbritannien besetzt waren, eine föderale Demokratie entstehen: die Bundesrepublik Deutschland - so hatten es die drei Westalliierten angeordnet.
Mit der Aufgabe, eine demokratische Verfassung auszuarbeiten, wurde der sogenannte Parlamentarische Rat beauftragt. Ihm gehörten 65 Mitglieder an - allesamt Abgeordnete aus den damaligen elf westlichen Bundesländern.
Die Arbeit an der Verfassung dauerte neun Monate an. Das Grundgesetz haben 61 Männer und vier Frauen geschrieben. Sie werden in Deutschland auch als Mütter und Väter des Grundgesetzes genannt.
Ihr Werk trat vor 65 Jahren als provisorische Verfassung für Westdeutschland in Kraft. Doch die Parlamentarier weigerten sich, den Begriff "Verfassung" zu benutzen. Mit dem Namen "Grundgesetz" wollten sie signalisieren, dass sie auf Ostdeutschland nicht verzichten wollen und auf eine territoriale Einigung des ganzen Landes hoffen.
Das Grundgesetz sollte nur eine Übergangslösung bis zu einer gesamtdeutschen Verfassung sein. Doch es bewährte sich und blieb auch nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 in Kraft. Seit dem gilt es für Gesamtdeutschland.
Glücksdokument und Exportschlager
Die meisten Menschen in Deutschland zählen das Grundgesetz zu den größten Errungenschaften der Bundesrepublik. Vielen gilt es als die beste Verfassung, die jemals in Deutschland gegolten hat. Rund 60 Mal wurde das Grundgesetz geändert. Eine bedeutende Veränderung war zum Beispiel die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Schaffung der Bundeswehr im Jahr 1956. Das war nur elf Jahre nach dem Krieg und die Proteste dagegen waren groß.
Immer wieder gibt es auch neue Forderungen, wie zum Beispiel die deutsche Sprache und Kinderrechte als Staatsziele aufzunehmen. Die deutsche Verfassung dient seit 1990 als Vorbild für viele Staaten weltweit - zum Beispiel in Osteuropa, Brasilien oder in Südafrika.
Das Grundgesetz ist eben viel mehr als eine Sammlung von Paragrafen. Es war "der Motor für die geglückte Modernisierung der deutschen Gesellschaft," urteilt der Publizist und Jurist Heribert Prantl. Mehr noch: "Es gehört zum Besten, was den Deutschen in ihrer Geschichte widerfahren ist."
Und so wird das Original des Grundgesetzes vom 1949 gehütet wie ein Schatz, es befindet sich in einem Safe im Bundestag. Es kommt zum Einsatz, wenn Bundespräsidenten und Kanzler darauf ihren Amtseid ablegen.