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Politik

Wenn das Geld für Kaffee und Kuchen fehlt

Beatrice Christofaro jdw
12. November 2019

Für Kleidung oder einen Besuch im Café ist kein Geld da. Zu Besuch bei einem Ehepaar, das an der Armutsgrenze lebt. Könnte die jüngste Einigung bei der Grundrente ihren Lebensstandard verbessern?

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Artikel Grundrente
Bild: DW/B. Christofaro

Ausgehen, Kaffee trinken und dazu ein Stück Kuchen genießen - das fehle ihm, sagt Hans Rudolf W. Als er noch arbeitete, sagt der Rentner, habe er nie daran gedacht, dass ein Café-Besuch einmal zu einem unerschwinglichen Luxus werden könnte.

Seit er im Ruhestand ist, verbringt der 77-Jährige die meiste Zeit mit seiner Ehefrau zu Hause. Mit den Spitzengardinen an den Fenstern und der Sofa-Garnitur mit kariertem Überzug wirkt die Wohnung in Bonn wie ein typisches deutsches Rentner-Apartment.

Doch bei Hans Rudolf W. ist das Geld knapper als bei den meisten anderen Altersgenossen - es reicht gerade für die Grundausgaben: Essen, Wohnkosten und Versicherungen. "Meine Frau ist am Kopf operiert worden und isst nicht mehr so viel", sagt W. "Ich hatte auch schwere Operationen, esse auch nicht mehr so viel. So kommt man dann über die Runden."

Nach der Schule auf den Arbeitsmarkt

335 Euro Rente erhält Hans Rudolf W. - etwa ein Drittel dessen, was in Deutschland als Armutsgrenze gilt. Dabei hat er gleich nach der Schule angefangen zu arbeiten. Erst in einer Bank, dann als Taxifahrer und zuletzt als Hausmeister. Als er mit 65 in Rente ging, stellte er sofort einen Antrag auf Grundsicherung.

Mit dieser Leistung gleicht der deutsche Staat die Lücke zwischen Rente und Mindestsicherung aus. Die Mindestsicherung steht jedem in Deutschland lebenden Menschen zu - unabhängig davon, ob er in ein Sozialsystem eingezahlt hat oder nicht.

Seither bezahlt das Sozialamt die Miete der Zwei-Zimmer-Wohnung, außerdem erhalten Hans Rudolf W. und seine Frau jeweils 300 Euro, von denen sie auch Heiz- und Stromkosten aufbringen müssen.

Altersarmut in Deutschland nimmt zu

Das Ehepaar W. ist nicht allein mit dieser Situation. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sind fast 16,8 Prozent der Rentner und Pensionäre (Beamte im Ruhestand) in Deutschland armutsgefährdet. Und in den nächsten 20 Jahren, schätzten die Autoren Mitte 2019, würde dieser Anteil auf 21,6 Prozent steigen.

Um dieses Szenario abzuwenden, hat sich die Große Koalition am vergangenem Sonntag (10. November) auf eine sogenannte Grundrente verständigt: Wer mindestens 35 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, soll ab 2021 eine Rente erhalten, die zumindest zehn Prozent über der Grundsicherung liegt - unabhängig von der Höhe der gezahlten Beiträge. Auch Jahre, in denen man Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, sollen angerechnet werden. Bis zu eineinhalb Millionen Menschen, schätzt die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer, dürften davon profitieren.

Langes Ringen um Grundrente

Bei dem Projekt "Grundrente" ging es insbesondere um Menschen, die wie Hans Rudolf W. ihr Leben lang gearbeitet haben: Dass sie im Ruhestand nicht mehr bekommen, als diejenigen, die nie in die Sozialsysteme eingezahlt haben, wurde fraktionsübergreifend als ungerecht empfunden.

Die aktuelle GroKo ist die dritte Bundesregierung in Folge, die das Thema in ihrem Koalitionsvertrag festhalten hat. Die Einigung scheiterte immer wieder an unterschiedlichen Vorstellungen der Koalitionspartner. Zuletzt ging es monatelang um die Bedürftigkeitsprüfung: Die Unionsparteien CDU/CSU wollten den Bezug der Grundrente davon abhängig machen, ob eine Person die höhere Leistung überhaupt benötigt: Wer Einkommen aus Vermietung oder Kapitalerträgen, größere Vermögenswerte oder einen wohlhabenden Partner hat, sollte außen vor bleiben. Die Sozialdemokraten der SPD wollten das verhindern. Nun hat man einen Kompromiss gefunden: Das Einkommen der betreffenden Person wird geprüft, nicht aber ihr Vermögen und nicht die finanziellen Verhältnisse des gesamten Haushalts.

Artikel Grundrente
Warten auf die Grundrente: Die Bedürftigkeitsprüfung macht Hans Rudolf W. nichts aus, er freut sich auf die höhere RenteBild: DW/B. Christofaro

Endlich mal wieder in die Stadt gehen

Rentner Hans Rudolf W. versichert, ihm sei eine solche Bedürftigkeitsprüfung egal. Er müsse den Behörden schon jetzt seine Finanzen offen legen, um die Grundsicherung zu erhalten. Für ihn zähle vor allem, ein bisschen mehr in der Tasche zu haben, und wenn er sich dann auch noch den Gang zum Sozialamt sparen könnte …: "Ich geniere mich nicht, dass ich die Grundsicherung bekomme", sagt Hans Rudolf W. "Aber es hat immer einen Beigeschmack, wenn man sagt, man kriegt Sozialhilfe."

Trotz allem schätzt sich W. glücklich, dass er nicht - wie Tausende andere Ruheständler in Deutschland - auf kostenlose Lebensmittelausgaben angewiesen ist. Aber auch er wendet sich manchmal an Hilfsorganisationen, wenn er zum Beispiel Kleidung oder Einrichtungsgegenstände benötigt, die er von seinen Einkünften nicht bezahlen kann.

Das wichtigste sei ihm aber, dass er und seine Frau nicht isoliert sind: Sie haben Kinder, Enkel und Urenkel, die sie oft besuchen, sagt er und zeigt auf die Fotogalerie auf einem Regal im Wohnzimmer. Dennoch würde er sich freuen, wenn er mit der Grundrente von 2021 an ein wenig mehr Geld in der Tasche hätte: "Klar, erstmal würde ich mit meiner Frau in die Stadt gehen. Da waren wir lange nicht mehr."

Wenn die Rente nicht reicht