Grüne fordern Vermögenssteuer
12. November 2016"Deutschland ist ein Steuersumpf für Vermögen", sagte Jürgen Trittin und erntete dafür tosenden Beifall. In Deutschland würden Vermögen deutlich niedriger besteuert als in anderen Industrieländern, betonte Trittin auf dem Bundesparteitag der Grünen in Münster. Daher sei es an der Zeit, dass "Superreiche" künftig stärker zur Kasse gebeten würden - mithilfe einer Vermögenssteuer. Die soll "verfassungsfest, ergiebig und umsetzbar" sein, heißt es in dem Antrag, den die Delegierten nach einer mehrstündigen Debatte annahmen. Wer in die Kategorie der "Superreichen" fällt, blieb allerdings offen. Die Basis gab auch grünes Licht für eine "einfache und gerechte" Erbschaftssteuer. Die gibt es bereits, es bestehen aber verfassungsrechtliche Bedenken gegen das entsprechende Gesetz.
Eine Frage der Gerechtigkeit
Die Schere zwischen Arm und Reich klafft in Deutschland weit auseinander. Für die Grünen ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass der Staat hier gegensteuert. Es würden Milliarden gebraucht für den Kampf gegen die Kinderarmut und für den Bau bezahlbarer Wohnungen in den Großstädten. Ob die Milliarden dafür aus einer Vermögenssteuer kommen soll oder aus anderen Quellen, war in der Partei lange umstritten. Weder wollten die Grünen als "Steuererhöhungspartei" dastehen noch als Partei, für die der Zusammenhalt der Gesellschaft nur eine rhetorische Floskel ist. Daher lagen den Delegierten nicht weniger als fünf Anträge zur Abstimmung vor.
Kretschmanns Warnung
Die Gegner der Vermögenssteuer führten ins Feld, dass diese den Mittelstand schwächen könne. Viel Beifall bekam der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann für seine Rede gegen eine Vermögenssteuer: Er könne nicht akzeptieren, dass die Familienunternehmen in seinem Bundesland belastet würden.
Kretschmann, der im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg zusammen mit der CDU regiert, schlug dabei einen Bogen zum Wahlsieg Donald Trumps in den USA: Sollten die Volkswirtschaften wieder national ausgerichtet werden, dann bräuchten die deutschen Mittelständler ihre Rücklagen mehr denn je. Dieses Eigenkapital dürfe der Staat nicht angreifen.
Wenn der Staat höhere Einnahmen generieren wolle, so Kretschmanns Vorschlag, dann solle er jene großen internationalen Konzerne zur Kasse bitten, die in Deutschland bisher praktisch keine Steuern zahlten. Es bringe "zig Milliarden, wenn wir die Steuertricksereien großer Unternehmen unterbinden", betonte Kretschmann.
Ähnlich argumentierte Ekin Deligöz, Haushaltspolitikerin der Grünen im Bundestag. Satte 330 Milliarden Euro stünden dem Bund 2017 zur Verfügung. "Es fehlt nicht an Mitteln, sondern am Mut, das Geld für die richtigen Prioritäten auszugeben." Der konsequente Kampf gegen die Steuerhinterziehung spüle weitaus mehr Geld in die Staatskasse als eine Vermögenssteuer, argumentierten die Kritiker. Sie konnten sich nach einer gut sechsstündigen, kontroversen Debatte aber nicht durchsetzen.
Kleinster gemeinsamer Nenner
Grünen-Chefin Simone Peter hält eine Vermögenssteuer für richtig. In den vergangenen Jahren habe es in Deutschland "eine Umverteilung von unten nach oben" gegeben. Während die Managergehälter gestiegen seien, seien Kapital- und Erbschaftssteuer gesenkt worden. Diesem "Subventionsprogramm für Reiche und Superreiche" müsse eine Vermögenssteuer entgegengesetzt werden, die es in Deutschland zuletzt Mitte der neunziger Jahre gab.
Der jetzt gefasste Beschluss enthält, damit er im Wahlkampf nicht zum Bumerang wird, noch keine Zahlen - weder Steuersätze noch eine Schwelle, ab der die Steuer fällig wird. Es heißt lediglich, dass Arbeitsplätze erhalten und Betriebsvermögen geschont werden sollen. Es war der kleinste gemeinsame Nenner, auf den die Partei sich einigen konnte.
Das für den Abend geplante Urwahlforum der Grünen zur Kür ihrer Bundestagswahl-Spitzenkandidaten fällt ersatzlos aus. Einer der Anwärter, Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Robert Habeck, ist wegen der aktuellen Entwicklung bei der Vogelgrippe in sein Bundesland zurückgefahren.