Guantánamo und kein Ende
18. Februar 2011Das größte Problem, so Gates bei einer Anhörung vor dem Streitkräfte-Komitee des US-Senats am Donnerstag (17.02.2011), sei die Frage, wohin mit den inhaftierten Terrorverdächtigen? Er müsse dafür garantieren, dass sie zukünftig keine Gefahr mehr darstellen werden, so der Pentagon-Chef. Bislang seien die US-Behörden mit ihren Vorhersagen, welcher Gefangene nach seiner Freilassung wieder zu den Waffen greifen und welcher friedlich bleiben werde, nicht sehr erfolgreich gewesen, sagte Gates.
Gefährliche Häftlinge?
Sollte Guantánamo geschlossen werden, wisse er nicht, wo er die Gefangenen unterbringen solle, gestand der US-Verteidigungsminister, der schon unter George W. Bush im Amt war. Die mutmaßlichen Terroristen könnten entweder in ihre Heimatländer oder aufs US-Festland gebracht werden. Doch dagegen gibt es massiven Widerstand im Parlament. Außerdem seien nur wenige Drittländer bereit, ehemalige Guantánamo-Häftlinge aufzunehmen. Nach Einschätzung des Pentagons nehmen ein Viertel der aus Guantánamo entlassenen Häftlinge wieder den bewaffneten Kampf auf.
Derzeit sitzen noch 172 Häftlinge in dem umstrittenen Gefangenenlager des US-Militärs. Präsident Barack Obama hatte zwar zwei Tage nach seinem Amtsantritt im Januar 2009 medienwirksam eine Anordnung unterzeichnet, in dem die Schließung des Lagers binnen eines Jahres angeordnet wurde. Alle Gefangenen sollten demnach bis zum 22. Januar 2010 in reguläre Gefängnisse in die USA verlegt werden. Damit hatte er bereits im Wahlkampf geworben. Doch schnell stellte sich heraus, dass sich dieses Versprechen nur schwerlich würde umsetzen lassen, weil der Kongress die Verlegung der Inhaftierten in die USA verbot. Jetzt also hat Obama seinen Verteidigungsminister vorgeschickt, um die unbequeme Wahrheit vom Weiterbestehen des Militärlagers zu verkünden.
Folter im rechtsfreien Raum?
Das Lager hatte Obama-Vorgänger George W. Bush nach den Terroranschlägen 2001 errichten lassen. Nach der US-Invasion in Afghanistan 2002 wurden insgesamt mehr als 1000 mutmaßliche Terroristen aus über 40 Ländern nach Guantánamo gebracht, viele von ihnen wurden regelrecht entführt. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch haben wiederholt kritisiert, dass die Guantánamo-Insassen die in der Genfer Konvention festgelegten Rechte für Kriegsgefangenen vorenthalten werden. Statt dessen wurden sie von der US-Regierung als sogenannte "unlawful combatants", als ungesetzliche Kombattanten eingestuft – eine Kategorie die völkerrechtlich nicht existiert.
Rechtfertigung statt Reue
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat nach mehrmaliger Inspektion des Lagers bereits 2004 in einem Bericht an die US-Regierung Folter und unmenschliche Behandlungs- und Verhörmethoden angeprangert. In seinen im vergangenen November vorgelegten Memoiren "Decision Points" ("Entscheidungspunkte") verteidigte der ehemaligen Präsident George W. Bush auch rückblickend die Anwendung von Folter bei Verhören in Guantánamo. "Hätte ich nicht den Einsatz von 'Waterboarding' bei führenden El-Kaida-Vertretern autorisiert, dann hätte ich das höhere Risiko eines Angriffs auf unser Land hinnehmen müssen", heißt es in dem Buch.
Nur wenige Monate später legte der einstige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in seinem autobiographischen Buch „Known and Unknown“ nach: Guantánamo bezeichnete er als "eines der besten Gefängnisse der Welt". Aus ihm unbekannten Grund sei es aber der US-Regierung nicht gelungen, den Menschen zu vermitteln, dass dort "nicht gefoltert wurde, dass niemand verletzt wurde".
Das Leben danach
Deutschland hatte im September 2010 zwei ehemalige Guantánamo-Häftlinge aufgenommen. Die beiden aus Syrien und Palästina stammenden Männer, die neun Jahre lang auf Kuba inhaftiert waren und denen nie der Prozess gemacht wurde, leben unter neuer Identität in Hamburg bzw. Rheinland Pfalz. Deutschland habe damit "seinen humanitären Beitrag" zur Schließung des berüchtigten Gefangenenlagers auf Guantanamo geleistet, erklärte Innenminister Thomas de Maizière damals. Spanien hatte Anfang des Jahres drei Häftlinge aus Guantánamo aufgenommen.
Fünf Jahre lang hatte der türkischstämmige Bremer Murat Kurnaz unschuldig in Guantánamo eingesessen. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war er in Pakistan festgenommen worden. Nach seiner Freilassung und Rückkehr nach Deutschland hat er seine Erfahrungen in dem Buch "Fünf Jahre meines Lebens. Ein Bericht aus Guantánamo" verarbeitet. Jetzt soll die Geschichte von Murat Kurnaz verfilmt werden. Das Drehbuch ist bei der diesjährigen Berlinale mit dem Thomas-Strittmatter-Preis ausgezeichnet worden.
Autorin: Mirjam Gehrke
Redaktion: Anne Herrberg