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Kunst

Kunstmuseum Bern gibt NS-Raubkunst zurück

Sabine Oelze | Nadine Wojcik | Kevin Tschierse
16. Dezember 2021

Das Kunstmuseum Bern trennt sich von 38 Werken der Gurlitt-Sammlung, die Nazi-Raubkunst beinhaltet, und händigt sie den Erben der früheren Besitzer aus.

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Zwei Aquarelle von Otto Dix; links Abbildung einer Dompteuse; rechts Aquarellportät einer Frau
Die Werke "Dompteuse" und "Dame in der Loge" von Otto Dix aus der Gurlitt-Sammlung werden an die Erben der ursprünglichen Besitzer restituiertBild: Mick Vincenz/Kunstmuseum Bern/dpa/picture alliance

Weitere Kunstwerke aus der Gurlitt-Sammlung werden restituiert und somit den Erben der früheren Besitzer überlassen. Bei einigen Bildern der Sammlung konnte zweifelsfrei belegt werden, dass sie einst von den Nazis geraubt wurden. Mindestens neun Gemälde seien eindeutig von den Nazis gestohlen worden. Auch bei den anderen gebe es Hinweise, dass es sich um Raubkunst handeln könnte. Das Kunstmuseum Bern hatte 1400 der ihm überlassenen Werke der Sammlung auf ihre Provenienz überprüft. Insgesamt 38 Gemälde und Zeichnungen sollen nun an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben werden.

In einer Pressemitteilung heißt es, dass das Museum das Eigentum an Werken mit ungeklärter Provenienz aufgebe, "bei denen zwar Beweise für NS-Raubkunst fehlen, die aber Hinweise und/oder auffällige Begleitumstände aufweisen". Die umstrittene Sammlung, die seit 2014 im Besitz desKunstmuseums Bern ist, umfasst rund 1600 Werke - darunter Gemälde von Künstlergrößen wie Henri Matisse, Pierre-Auguste Renoir oder Claude Monet. 

Fall Gurlitt wurde zum Skandal

Der Fund der Kunstsammlung Gurlitt im Jahr 2012 sorgte international für Aufsehen. Der Rentner Cornelius Gurlitt war dem Zoll bei einer Zugfahrt über die Schweizer Grenze aufgefallen. Bei einer Leibesvisitation kamen 9000 Euro zum Vorschein. Die Beamten wurden hellhörig, Ermittlungen wurden eingeleitet und schließlich eine Wohnungsdurchsuchung angeordnet. Was folgte, war ein Kunstkrimi: In Gurlitts Wohnung - und später auch in einem Haus in Salzburg - tauchten mehr als 1500 Kunstwerke auf; Gemälde, Drucke, Radierungen und Stiche, darunter Monet, Picasso, Liebermann, Beckmann und Matisse. Sie wurden wegen des Verdachts auf NS-Raubkunst beschlagnahmt.

Das Klavierspiel von Carl Spitzweg
Die Zeichnung "Das Klavierspiel" von Carl Spitzweg aus der Gurlitt-Sammlung wurde erst kürzlich beim Auktionshaus Christie's versteigert - nachdem es an seine rechtmäßigen Erben zurückgegeben worden war.Bild: Staatsanwaltschaft Augsburg/Lost Art Datenbank

Verschrobener Kunstliebhaber

Der alleinstehende Kunstliebhaber, Sohn des bekannten Nazi-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, war Hüter der Sammlung seines Vaters. Er verkaufte für seinen Lebensunterhalt gelegentlich Werke, fügte aber nie Bilder hinzu.

Jahrelang erforschte eine Taskforce - seit 2016 unter Mitwirkung des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste (DZK) in Magdeburg - die Herkunft der Werke. Die Ergebnisse waren bisher ernüchternd: Nur 14 Werke von Künstlern wie Max Liebermann, Henri Matisse, Thomas Couture oder Adolph von Menzel wurden eindeutig als Raubkunst identifiziert, 13 davon wurden an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben.

Von den mehr als 1500 Kunstwerken befanden sich 300 nachweislich vor dem Nationalsozialismus im Besitz der Künstlerfamilie Gurlitt. Die übrigen Sammlungsstücke wurden jahrelang von einem internationalen Forscherteam auf ihre Provenienz geprüft.

Journalisten fotografieren das Bild "Portrait einer sitzenden jungen Frau / Portrait de jeune femme assise" des Künstlers Thomas Couture.
Auch das "Portrait einer sitzenden jungen Frau / Portrait de jeune femme assise" von Thomas Couture wurde in der Vergangenheit an die Nachkommen des jüdischen Besitzers zurückgegebenBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

"Wir haben alles getan, was machbar war. Ich kann mich an keinen Fall in der Provenienzforschung erinnern, wo so intensiv gearbeitet wurde", sagte Gilbert Lupfer, Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, 2020 nach Bekanntmachung des Abschlussberichts im DW-Interview. Die bloßen Zahlen würden hier wenig weiterhelfen, so Lupfer. Natürlich erschienen 14 eindeutig identifizierte Fälle - im Hinblick auf die gesamte Sammlung - als sehr wenige. Dennoch: "Jeder einzelne aufgeklärte Fall ist ein Beitrag zu dem, was man als historische Gerechtigkeit bezeichnen könnte. Ich bin über jedes Stück froh, das wir identifizieren und zurückgeben konnten. Es besteht noch immer eine große Grauzone."

Die übrige Sammlung gehört mittlerweile dem Kunstmuseum Bern, dem Cornelius Gurlitt seine Kunstwerke vor seinem Tod überraschend testamentarisch überlassen hatte und das weiter an der Provenienz der Werke forschen ließ. 

Viele offene Fragen 

In Deutschland wurde in den letzten zehn Jahren viel in die Provenienzforschung investiert, sowohl Personal als auch Geld. Das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste wurde 2015 gegründet. Es gibt noch eine Menge zu tun, viele Fragen sind offen. 

Unter anderem auch diese: Warum wurde die Sammlung und mit ihr ein 80-jähriger, vermutlich nicht zurechnungsfähiger Mann derart in die Öffentlichkeit gezerrt? Warum werden nicht Ankäufe oder vermeintliche Schenkungen aller deutscher Kunstmuseen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges ins Internet gestellt, um mögliche enteignete Besitzer zu ermitteln - also so, wie mit der Sammlung Gurlitt verfahren wurde? Wie war es möglich, dass der Kunstmarkt sehr wohl um die Gurlitt-Schätze wusste und diese auch nach dem Krieg immer wieder kaufte und versteigerte? Die Geschichte von Cornelius Gurlitt hat doppelt Geschichte geschrieben. Über ihn wurden Bücher geschrieben, Filme gedreht und sogar Theaterstücke aufgeführt.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion