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Gutes Regieren lernen

Ronny Arnold5. Dezember 2013

Die Lage in Afghanistan ist schwierig. Was dort 2014 nach Abzug der internationalen Truppen geschieht, ist ungewiss. Junge Afghanen wollen ihr Land aufbauen. Wie - das lernen sie an der Willy Brandt School in Erfurt.

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Edris Arib (links) und Abdul Wahab Sarwary aus Afghanistan vor einem Schild der Willy Brandt School an der Uni Erfurt (Foto: DW/Ronny Arnold)
Edris Arib (links) und Abdul Wahab SarwaryBild: DW/R. Arnold

Edris Arib muss lachen. "Erfurt ist definitiv nicht Berlin", meint der Afghane und schmunzelt, das habe er auch schon feststellt. Der 27-Jährige studiert seit Oktober in der Thüringer Landeshauptstadt, doch seine erste Anlaufstelle in Deutschland war die Hauptstadt. Dort hat er einen Sprachkurs gemacht, fast ein halbes Jahr lang. Berlin hat ihm gut gefallen. Aber nun sei er eben hier, auch gut.

"Von Kabul nach Berlin zu gehen war noch ein wenig schwieriger", schiebt er lächelnd hinterher. Edris Arib interessiert sich auch weniger für die deutsche Kunst und Kultur, die es in Berlin reichlich gibt und in der 200.000 Einwohner zählenden Stadt Erfurt nicht ganz so gehäuft. Der junge Afghane ist nach Thüringen gekommen, um gutes Regieren zu lernen, damit er in zwei Jahren seine Heimat mit aufbauen kann.

Viel Korruption, wenig Sicherheit

In Kabul hat Edris Arib knapp drei Jahre lang als juristischer Berater für die Europäische Union gearbeitet. Der Job ruht, seine Familie hat er zurückgelassen, um in Erfurt Internationale Politik zu studieren. Neben ihm sitzt Abdul Wahab Sarwary. Der 33-jährige kommt ebenfalls aus Afghanistan und hat bereits Ökonomie an der Kabuler Universität studiert.

Nun machen Edris Arib und Abdul Wahab Sarwary an der Willy Brandt School ihren Master in "Public Policy and Good Governance". "Gutes Regieren ist in Afghanistan noch ein großes Problem", meint Sarwary. Es gebe viel Korruption und wenig Sicherheit für Angestellte der Regierung und der Armee. Nun hofft er, an dem offiziell zur Uni Erfurt gehörenden Institut neue politische Theorien und viel Praxis zu lernen, um in knapp zwei Jahren seine Heimat weiter mit aufzubauen.

Ausbildung von Führungskräften

Insgesamt 75 Studierende aus 40 Ländern haben sich im Wintersemester neu an der Willy Brandt School eingeschrieben. Sie kommen aus Industrienationen genauso wie aus weniger entwickelten Regionen der Welt, aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Alle Kurse werden auf Englisch gehalten. Heike Grimm ist seit 2002 dabei. Die Professorin ist Gründungsmitglied der Schule und bildet Studierende im Bereich "Public Policy and Good Governance" aus. "Die meisten wollen später im Bereich der öffentlichen Verwaltung arbeiten und sich hier auf eine höhere Führungsposition vorbereiten", so die Professorin.

Professorin Heike Grimm, die an der Erfurter Willy Brandt School unterrichtet, vor einem Bücherregal (Foto: DW/Ronny Arnold)
Heike Grimm hat die Willy Brandt School mitgegründetBild: DW/R. Arnold

Angeboten werden Pflichtmodule wie "Strategisches Management" und "Finanzmanagement", aber es werden auch ethische Fragen in der Verwaltung behandelt. Und die Studierenden sollen lernen, wie man Korruption bekämpft. "Da geht es nicht nur um die eigene Korruption vor Ort, sondern auch um die etwa durch Entwicklungshilfe." Auch die sei ein Problem, darüber müsse man mit den Studierenden sprechen. Heike Grimm lässt sich viel über die Heimatländer erzählen, damit sie aus Sicht der Betroffenen mehr erfährt und die politischen Theorien auf die einzelnen Länder abstimmt. "Wir machen uns ein Bild, wie die Situation in dem Land ist, um dann Politikansätze zu entwickeln, die dort auch greifen", erklärt Grimm.

Präsidentschaftswahl wird Prüfstein

Afghanistan, Liberia, Ägypten, Syrien - es sind diese und noch weitere derzeit von Konflikten betroffene Länder, die im Studium an der Willy Brandt School eine wichtige Rolle spielen: Was kann konkret in der Heimat der Studierenden verändert werden, was sind positive Ansätze in Verwaltung und Politik, die weniger Gewalt und Willkür bringen und letztendlich zu mehr Demokratie führen. Für Edris Arib und Abdul Wahab Sarwary sind das interessante Felder.

Die Situation in Afghanistan beschreiben beide Studenten als schwierig. 2014 werde ein besonderes Jahr, weil sich die internationalen Truppen zurückziehen und das Land auf eigenen Füßen stehen muss. Ihr Land habe schon viele Herausforderungen in seiner Geschichte gemeistert, trotzdem sei es noch ein langer Weg. "Ich glaube fest daran, dass Afghanistan das schafft", so Sarwary. Das größte Problem sei momentan noch die Bekämpfung des internatonalen Terrorismus, schwierig auch die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr. "Die wird richtungsweisend für die Zukunft sein und hat einen direkten Einfluss auf alles, was in den letzten zehn Jahren in Afghanistan passiert ist", meint Arib.

Ein Bundeswehrsoldat (links) und ein Dolmetscher sprechen nahe Kundus mit einem Mann (Foto: dpa)
Die internationalen Truppen ziehen sich zurück - dann muss Afghanistan auf eigenen Füßen stehenBild: picture-alliance/dpa

Afghanistan braucht Demokratie

Der Erfurter Masterstudiengang kostet 1500 Euro pro Semester, allerdings bekommen etwa 50 Prozent der Studierenden ein Stipendium. Die beiden Afghanen zum Beispiel vom DAAD, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst. Sobald Abdul Wahab Sarwary seinen Master in der Tasche hat, will er nach Afghanistan zurückgehen und für ein Entwicklungshilfe-Programm arbeiten.

Noch sei es schwierig, die Menschen zu erreichen, sie im politischen Prozess des Landes mitzunehmen und ihnen eine Stimme zu geben. "Wir müssen sie mobilisieren, wir brauchen mehr Transparenz und eine gute Regierungsarbeit", so Sarwary. Viele Projekte hätten in der Vergangenheit nicht funktioniert, weil sie die Bedürfnisse der Menschen zu wenig berücksichtigt hätten. Das Schlüsselwort der Zukunft in Afghanistan heißt für ihn: Demokratisierung.