Aus Peking kommt in Sachen Israel-Hamas bislang nur vage Rhetorik. Sie mag sich neutral geben, ist aber ganz klar eine Position, die die Terrororganisation stützt. Offizielle Äußerungen aus China haben den abscheulichen Angriff am 7. Oktober nicht verurteilt. Es gab nicht ein Wort des Bedauerns über den Tod tausender Menschen. Anstelle einer Ächtung der grausamen Täter verstieg sich die Pekinger Diktatur zu der Forderung, beide Seiten müssten sich nun, verkürzt gesagt, am Riemen reißen. Damit wird verdunkelt, wer Täter und wer Opfer ist.
Was könnte der Nahost-Sondergesandte Zhai Jun angesichts dieser falschen Grundhaltung aus China mitbringen? Bislang verlangt die kommunistische Nomenklatura weiterhin stur eine Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung, wie sie die Oslo-Beschlüsse aus den 1990er Jahren vorgesehen haben. Es gibt aber - leider - seit Jahren keine Impulse mehr in diese Richtung. Anstatt mit etwas Frischem aufzuwarten, sprechen die Machthaber in Peking hier wie eine Stanze. Sie sind zu Recht für ihre kalte, bürokratische Sprache kritisiert worden, mit der sie auf die Anschläge reagiert haben.
Peking will Einfluss und Rohstoffe
Dabei möchte sich Chinas Machthaber Xi Jinping im Nahen Osten als neutraler Akteur ins Spiel bringen, der dem Konflikt ein Ende setzen kann. Doch das ist alles nur Show. Zwar hat China aufgrund der ideologischen Nähe zwischen Jassir Arafat, dem Gründer der Palästinensischen Befreiungsorganisation, und Mao Zedong, dem Gründer der Kommunistischen Volksrepublik, immer näher bei den Palästinensern gestanden als an Israel. Gleichwohl hat Peking im Jahr 1992 den Staat Israel endlich anerkannt und ist seitdem immer näher an das Land herangerückt, vor allem, weil die KP an Technologien aus Israel interessiert ist.
Der chinesische Diktator hat in den vergangenen Jahren vielmehr deutlich erkennen lassen, an welcher Weltordnung er baut. So will er im Nahen und Mittleren Osten mehr Einfluss bekommen, um von den Rohstoffen der Region profitieren zu können. Im Frühjahr haben sich durch chinesische Vermittlung der Iran und Saudi-Arabien wieder ein kleines Stück angenähert.
Dabei geht es nicht nur darum, die verhassten USA zu bekämpfen, die auch in Teheran der Erzfeind sind. Vielmehr will Peking Allianzen schmieden, die die Schutzfunktion der USA über Länder, die sich vor Xis aggressiver Militärmacht fürchten, aktiv torpedieren. Nicht umsonst haben Chinas Top-Diplomat Wang Yi und der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einer Begegnung in Peking die USA als den eigentlichen Verursacher des Nahostkonflikts hingestellt.
Allianz der Nicht-Demokratien
Die Mission Zhai Juns dürfte dazu dienen, sich mit den Nicht-Demokratien der Region auf eine Strategie zu verständigen, die die Vereinigten Staaten schwächen soll. Dafür müsste der Konflikt aber eigentlich weiter aufgeheizt und nicht abgekühlt werden. Denn nur wenn die Regierung in Teheran die libanesische Hisbollah und die Hamas weiter mit Waffen versorgt und Israel auch aus dem Libanon heraus bombardiert wird, müssten die US-Amerikaner eingreifen.
Der Schulterschluss mit extremistischen Muslimen kann dabei nur als traurige Ironie der Geschichte gesehen werden. Denn Peking verfolgt die muslimischen Uiguren in Xinjiang und begeht an ihnen einen kulturellen Genozid. Dass dutzende ethnische Minderheiten in Xis Reich zunehmend ausgegrenzt werden, könnte über kurz oder lang in einen Apartheidstaat führen - ein Vorwurf, mit dem sich wiederum Israel von einigen Seiten konfrontiert sieht.
Bislang ist ungewiss, ob Zhai Jun bei seiner Nahostreise auch ein Gespräch in Israel suchen wird. Im Falle des russischen Überfalls auf die Ukraine hat Peking 14 Monate gewartet, bis es zu einem ersten Anruf in Kiew kam. Wenn Pekings Verhalten dort als Blaupause für den Umgang mit dem Krieg im Nahen Osten zu verstehen ist, dann darf von der Reise Zhais nicht viel erwartet werden.
Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.