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Politik

Der Iran hat alle Trümpfe in der Hand

Alexander Görlach
27. April 2021

Der Westen signalisiert Interesse an der Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran. Doch Teheran hat längst einen anderen Partner gefunden, meint Alexander Görlach.

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DW Zitattafel | Alexander Görlach
Bild: DW

Welchen Anreiz sollte der Iran haben, sich einem neu aufgelegten Nuklear-Deal unter Einbezug der USA zu verpflichten? Die Antwort: keinen. Im Nachhinein erweist sich der einseitige Austritt der Vereinigten Staaten aus dem Abkommen während der Präsidentschaft von Donald Trump sogar als Segen für die Theokraten in Teheran. Denn dies ermöglichte einem anderen Land, den Iran mit offenen Armen zu empfangen: die Volksrepublik China.

Dort ist man entzückt von der Aussicht auf iranisches Öl. Im Juli vergangenen Jahres erarbeiteten die Außenminister beider Länder ein auf 25-Jahre ausgelegtes Kooperationsabkommen, das enge Handelsbeziehungen und auch militärische Zusammenarbeit vorsieht - mit einem Budget von 400 Milliarden US-Dollar. China nimmt sich das heraus, denn das Land schert sich nicht um internationale Abkommen (auch solche nicht, die es selbst unterzeichnet hat). Und schon gar nicht um Embargos der USA. Bereits im Jahr 2016 hatte Peking angekündigt, sein Handelsvolumen mit dem Iran im Rahmen des Projekts "Neue Seidenstraße" zu verzehnfachen.

Der Coup "Neue Seidenstraße"

Die "Neue Seidenstraße” ist bislang Pekings größter Coup, um international Einfluss zu gewinnen und gleichzeitig politische Abhängigkeiten zu schaffen. Das funktioniert mittels Kreditvergabe an Länder, die sich diese Kredite eigentlich nur schwer leisten können. Wie üblich, hat die chinesische Seite die Bedingungen des Abkommens mit dem Iran nicht offen gelegt. Ein Entwurf des Textes in Farsi lag der 'New York Times' vor, bevor ein endgültiges Dokument vom sogenannten "Parlament" des Iran ratifiziert werden sollte. Die Präsenz des chinesischen Militärs im Iran, ein unter dem Abkommen vorstellbares Szenario, hätte schwerwiegende Konsequenzen für die Sicherheitsarchitektur des internationalen Handels.

Indirekte Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den USA
Bei der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien wird derzeit ausgelotet, ob das Abkommen mit dem Iran wiederbelebt werden kannBild: Dean Calma/IAEA/dpa/picture alliance

Dass beide, China und der Iran, die Möglichkeit zu einer solchen neuen Partnerschaft hatten, ist allein dem Versagen der Iran-Politik von Donald Trump zuzuschreiben. Denn an nuklearer Aufrüstung, sei es in Nordkorea oder im Iran, hat auch die Volksrepublik, bisher jedenfalls kein Interesse. Der einseitige Rückzug der USA aus dem Nuklear-Abkommen, war dann aber eine Vorlage, die sich Peking nun wirklich nicht entgehen lassen konnte: In der freien Welt wird zwar völlig zurecht darauf hingewiesen, dass China auch Abkommen und international verbindliche Gerichtsurteile - sei es im Bezug auf Hongkong oder seine illegalen Militärbasen im Westpazifik - missachtet. Aber das Verhalten der USA in Sachen Nuklear-Deal und Pariser Klima-Abkommen hat die Glaubwürdigkeit des größten Players der freien Welt stark beschädigt und die Aufmerksamkeit weg von China gelenkt.

China Stützpunkte im Indischen Ozean

Die Volksrepublik hat diese Zeit weise genutzt, um sich auf den Ozeanen der Welt militärisch weiter zu etablieren: Konflikte, die jederzeit militärisch eskalieren können, gibt es bereits mit Südkorea, mit Japan, mit Taiwan sowie den Philippinen - allesamt Partner der USA. Das nimmt Peking in Kauf, denn so kontrolliert die kommunistische Nomenklatura den Zugang zum Pazifik und dem Indischen Ozean.

Dort hat sich Peking bereits festgesetzt: Sri Lanka konnte einen Kredit für einen großen Hafen nicht mehr bedienen, den die Volksrepublik nun für die kommenden Jahrzehnte zur Nutznießung erhalten hat. Dieser Hafen, in unmittelbarer Nähe zu Chinas Erzrivalen Indien, kann auch militärisch genutzt werden. Die Befürchtung, dass China den Indischen Ozean westwärts bis zum Golf von Aden militarisieren könnte, existiert schon seit dem Jahr 2008. An wichtiger Stelle dort, im Mini-Staat Dschibuti, existiert bereits seit 2017 eine chinesische Militärbasis.

Iran Außenminister Mohammad Javad Zarif (R) und Wang Yi aus China stoßen ihre Ellbogen als Zeichen der Freundschaft in Pandemiezeiten aneinander. Neben den beiden Ministern jeweils ihre Landesflagge.
Die Außenminister Mohammad Javad Zarif (re.) aus dem Iran und Wang Yi aus China haben Kooperationsabkommen unterschriebenBild: AFP

Teheran muss sich nicht bewegen

Präsident Biden versucht nun die Zeit wieder aufzuholen, die aufgrund der Tänze seines Vorgängers verloren gegangen ist. Im amerikanischen Senat gibt es Widerstand von einer Gruppe, die eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran als Vorbedingung für eine Neuauflage des Nuklearabkommens für absurd hält. So ist eine Situation entstanden, in der nun der Iran alle Trümpfe in der Hand hält, welche die Theokraten eigentlich nicht haben sollten.

Deswegen muss sich Teheran nicht bewegen, deshalb liegt der erste Schritt, auch wenn er erst einmal nichts Neues bringen wird, bei den USA. Sie müssen den Zustand wiederherstellen, der bestand, bevor Donald Trump das Nuklear-Abkommen aufgekündigt hat, um Glaubwürdigkeit zurück zu erlangen und mit ihren Partnern die nächsten Schritte zu diskutieren.

 

Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hong Kong.