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PolitikAsien

Macrons Chinareise war eine Katastrophe

Alexander Görlach - Carnegie Council for Ethics in International Affairs
Alexander Görlach
11. April 2023

Mit seinen Aussagen nach der Rückkehr aus Peking hat der französische Präsident die Gefahr eines Angriffs auf Taiwan durch China erhöht. Im Gegenzug winken Aufträge für Frankreichs Industrie, meint Alexander Görlach.

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Xi Jinping und Emmanuel Macron schreiten an einer Reihe von Soldatinnen vorbei, die in  und dunkelblauen und weißen Ausgehuniformen sowie mit weißen Handschuhen ihre Gewehre präsentieren
Seinem Blick nach scheint Emmanuel Macron die Front der jungen Soldatinnen in Peking nicht zu behagenBild: Thibault Camus/AP Photo/picture alliance

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat sich wieder einmal als diplomatisches Leichtgewicht erwiesen, das der Europäischen Union und der freien Welt insgesamt mit seiner Chinareise einen Bärendienst erwiesen hat. Der Politiker war stolz darauf, von Xi Jinping zu einem mehrstündigen privaten Tête-à-Tête eingeladen worden zu sein. Während der Begegnung, so scheint es nun, hat Xi Jinping Macron derart mit Komplimenten überschüttet, dass dieser, zurück in Paris, mit der Aussage aufwartete, Europa solle sich nicht von den USA in Sachen China vor den Karren spannen lassen.

Das ist haargenau die Sprache Pekings, in der Europa als ein Anhängsel der Vereinigten Staaten betrachtet wird. Die kommunistische Nomenklatura ätzt gegen die EU zum einen so, weil China diesen Teil der freien Welt für seinen wirtschaftlichen Aufstieg braucht. Zum anderen (und das ist wichtiger), weil Xi einen Keil zwischen die Nationen der freien Welt treiben und sie spalten will. Denn sollte Xi seine Drohung wahr machen und Taiwan angreifen, wird es darauf ankommen, wie sich die freie Welt gegenüber seinen demokratischen Partnern in Taipeh verhalten wird. Macron plädiert dafür, kein "Vasall" der USA zu werden (auch das genau Pekings Wortwahl), lässt aber offen, wie eine Alternative aussehen soll, falls Taiwan von China annektiert würde.

Frankreichs Wirtschaft wird belohnt

Genau das hat die chinesische Armee über das Wochenende mit einer dreitägigen militärischen Blockade der Insel geübt und der Welt damit gezeigt, dass Peking bereit ist, die Insel anzugreifen. Wenn nun Frankreich, die einzige verbliebene Atommacht der Europäischen Union, sagt, dass es nicht mit Washington zusammen die Freiheit des bedrohten Taiwans verteidigen wird, dann knallen bei Xi im Büro die Sektkorken. Es ist nicht unlauter anzunehmen, dass diese Aussage Macrons genauestens abgewogen ist und von Peking mit Aufträgen für die französische Wirtschaft (Macron kam mit 60 Industrievertretern nach China) belohnt werden wird.

Autorenbild | Alexander Görlach
DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Das tragische ist, dass Frankreichs Staatschef einen Angriff auf Taiwan mit seiner Aussage nun wahrscheinlicher gemacht hat. Denn Xi Jinping hat aus Wladimir Putins Fehlern gelernt. Dieser wurde völlig überrascht von der Einigkeit, mit der die freie Welt die von ihm angegriffene Ukraine unterstützt. Xis "Krim-Moment” war die Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong. Mit ein paar Beschwerde-Emails und sehr bissigen Kommentaren in der Presse fiel die Reaktion genauso aus wie jene auf die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014.

Doch sowohl US-Präsident Donald Trump als auch sein Nachfolger Joe Biden haben China seitdem klare Grenzen aufgezeigt. Trump hat die geltende Rechtslage, wonach Taiwan für den Verteidigungsfall gegen China mit Waffen auszustatten sei, respektiert und zudem das Verhältnis der beiden Staaten ausgeweitet. Biden ist sogar darüber hinausgegangen und hat mehrfach zugesagt, die Insel verteidigen zu wollen, sollte Peking angreifen.

Taiwan wird nicht von Separatisten regiert

Es muss immer wieder gesagt werden: Anders als es Peking behauptet, hat die Volksrepublik niemals über Taiwan geherrscht. Taipeh wird deswegen auch nicht von Separatisten regiert, sondern von einer legitimen, in freien und fairen Wahlen demokratisch ins Amt gekommenen Regierung. Peking stört sich an der erfolgreichen Demokratie vor seiner Haustür, weil es fürchtet, die Menschen in der Volksrepublik könnten sich daran ein Beispiel nehmen und eines Tages die Kommunisten aus dem Amt jagen. Ganz unbegründet ist diese Angst nicht: Weniger als 100 Millionen der 1,4 Milliarden Chinesinnen und Chinesen sind Mitglieder der Partei. Sollte es, wie im vergangenen November, wieder zu landesweiten Protesten gegen Xi und die KPCh kommen, wäre Taiwan eine erprobte demokratische Alternative zur Pekinger Diktatur.

Emmanuel Macron Xi Jinping beim Händeschütteln vor Flaggen Chinas und Frankreichs
Beim Händeschütteln vor der Presse fühlt sich Emmanuel Macron deutlich wohler und zeigt sein bekanntes Lächeln.Bild: Ng Han Guan/AP/picture alliance

Macrons Reise nach Peking war im Ergebnis ein Totalausfall, unter dem vor allem die Menschen auf der Insel zu leiden haben werden. Im Nachhinein zeigt sich, dass Washingtons Skepsis gegenüber dem Trip nicht unbegründet war. Die Amerikaner ließen im Vorfeld wissen, dass Macron weder mit Teheran noch mit Moskau erfolgreich verhandelt habe und man daher auch keine große Hoffnungen hege, dass dieses Mal etwas dabei herauskäme. Einmal mehr wird deutlich, dass die Bundesrepublik sich außen- und sicherheitspolitisch gut aufstellen muss, denn aus Frankreich kommen keine tragfähigen Ideen. Doch auch Bundeskanzler Scholz fährt einen Peking-freundlichen Kurs. Aus Xis Sicht stellen die beiden Kernnationen der Europäischen Union daher keine Gefahr für seine Pläne einer möglichen Invasion Taiwans dar.

 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.