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PolitikAsien

Peking gegen die eigene Bevölkerung

Alexander Görlach - Carnegie Council for Ethics in International Affairs
Alexander Görlach
3. Januar 2023

Seit China abrupt seine Null-COVID-Politik beendet hat, explodieren die Zahlen Infizierter. Experten warnen vor Mutationen. Doch Peking verweigert detaillierte Daten - und gefährdet uns alle, meint Alexander Görlach.

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Ältere Frau wird von einer Person in Schutzkleidung beraten
Mobile Corona-Aufklärung - Millionen Chinesinnen und Chinesen sind infiziertBild: cnsphoto via REUTERS

Die Führung der Volksrepublik bleibt sich treu. Leider, muss man sagen. Einer Aufforderung der Weltgesundheitsorganisation kommt die Pekinger Diktatur nicht nach: Die WHO wünscht exakte Daten in Echtzeit über die Corona-Welle, die derzeit über das Land fegt. Schon kurz nach dem Ausbruch der Pandemie Ende 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan wurde deutlich, dass die Kommunistische Partei kein Interesse hat, ihre eigene oder gar die Weltbevölkerung zu schützen. Peking übte damals Druck auf die WHO aus, die grassierende neue Krankheit nicht als Pandemie zu bezeichnen und das nebenan gelegene demokratische Taiwan, das den Ausbruch von COVID-19 bilderbuchartig gut dokumentierte, vom Rest der betroffenen Welt abzuschneiden.

Wenig später wurde Australien, das sich von Peking Auskunft über die Ursache des Virus erbeten hatte, von der KP mit ökonomischen Sanktionen belegt. Eine Absage erteilte die chinesische Regierung auch dem Wunsch nach einer internationalen Expertenkommission, die China mit dem Ziel besuchen wollte, künftige Ausbrüche zu verhindern.

Pekings verdächtiges Verhalten hat weltweit den Verdacht genährt, dass der Virus eben doch aus dem Forschungslabor in Wuhan ausgetreten sei, unweit des Marktes, auf dem sich die ersten Menschen angesteckt hatten. Geheimdienste wie die CIA gehen allerdings davon aus, dass es sich dabei um einen Unfall gehandelt haben könnte und keine gezielte Attacke der KP auf die Menschheit. Sollte sich das bewahrheiten, würden in Peking Reparationsforderungen aus der ganzen Welt eingehen.

Chinesen strafen Regierungspropaganda Lügen

Nun Daten mit der WHO zu teilen, würde vor allem auch den Menschen in China selbst helfen. Peking hat daran heute wie damals kein Interesse. Der Arzt Li Wenliang, der als erster die Pandemie herannahen sah und seine Erkenntnisse mit anderen Ärztinnen und Ärzten in der Stadt teilen wollte, wurde von der Staatspolizei drangsaliert und mit einem Maulkorb belegt. Er starb wenig später in der Erfüllung seiner ärztlichen Pflichten selbst an COVID-19 und wird seitdem in China wie ein Heiliger verehrt.

Im November protestierten die Menschen im Land, ausgelöst durch einen Wohnhausbrand mit mindestens zehn Toten, bei dem mutmaßlich die strengen Corona-Maßnahmen die Rettungsarbeiten behinderten. Einige Demonstranten haben dabei gefordert, die Kommunistische Partei und ihren Führer Xi Jinping vom Hof zu jagen. Dieser ist verantwortlich für die Todeswelle, die derzeit über das Land rollt. Denn nach dem Ende der von ihm ausgerufenen Überwachungsmaßnahmen, die unter dem Namen "Null COVID" firmierten, gab die KP die Losung aus, dass jede und jeder von nun an selber für die eigene Gesundheit zu sorgen habe. Weitere Proteste sind vorprogrammiert, denn mittlerweile trauen die Menschen der Kommunistischen Partei nicht mehr.

Alexander Görlach
DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Sie teilen ihre Infektionsgeschichte im Internet, laden Videos von überlasteten Krankenhäusern, unzähligen Leichensäcken und überfüllten Krematorien hoch, die das offizielle Narrativ der KP Lügen strafen. Als an einem Tag allein in Peking geschätzt rund 2700 Menschen ums Leben kamen, behauptete Peking doch glatt, dass nur zwei Menschen an COVID gestorben seien. Nachdem die Regierung irgendwann einmal gemerkt hat, dass die Menschen ihr nicht mehr glauben, hat sie Ende Dezember kurzerhand die Berichte über Infektionszahlen ganz eingestellt. Daraufhin kam dann die Aufforderung der WHO, besser mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten.

Peking: Gefahr für die Weltgesundheit

Dass etliche Länder - von den USA über Italien, Indien und Südkorea - nun von Reisenden aus China negative Corona-Tests verlangen, ist absolut richtig. Gleichzeitig spielt diese Regel Xi in die Karten, der dies im nationalistischen Duktus so verkaufen wird, dass der Rest der Welt den Chinesinnen und Chinesen nur Böses wolle. Die Pandemie wird - von ihrem Ausbruch in Wuhan bis zu ihrer jüngsten Welle in der Volksrepublik - mindestens eine Million Menschen das Leben kosten, so sagen Schätzungen der Universität Hongkong. Pekings Umgang damit zeigt, dass man der KP nicht vertrauen kann, noch nicht mal dann, wenn es um das Leben der eigenen Bevölkerung und den Schutz der Menschheit geht.

Machthaber Xi präsentiert sich gerne als verantwortungsvoller Herrscher, der für China den zentralen Platz in der Weltpolitik einnehmen will. Das Gegenteil ist wahr: Mittlerweile kungelt Xi nur noch mit anderen Diktatoren, unter anderem, aber nicht nur in Moskau, Pjöngjang und Teheran. Unter Xi ist die Volksrepublik zur Gefahr Nummer eins für den Weltfrieden und die Weltgesundheit geworden. Der WHO tut es hoffentlich mittlerweile leid, dass sie sich noch vor wenigen Jahren von Xi hat dominieren lassen, als sie im Frühjahr 2020 zögerte, COVID-19 als Pandemie einzustufen. Und auf den Plätzen der freien Welt sollten Denkmäler für Dr. Li Wenliang errichtet werden.

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne.