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PolitikAsien

Wiederbelebung einer alten Allianz zum Schutz vor China

Alexander Görlach
14. März 2023

Die Philippinen lehnen sich sicherheitspolitisch wieder stärker an die USA an. Das ist nicht Aggression gegenüber China, sondern Selbstschutz. Und zwar aus guten Gründen, meint Alexander Görlach.

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Lloyd Austin und Carlito Galvez Jr. geben sich vor Flaggen der Philippinen und der USA die Hand
Wiederbelebung einer alten Allianz: US-Außenminister Lloya Austin Anfang Februar bei seinem philippinischen Amtskollegen Carlito Gaalvez Jr. in ManilaBild: Joeal Calupitan/Getty Images

Die Philippinen seien nun, so fasste es jüngst das Magazin Foreign Policy zusammen, Amerikas neuer Star-Alliierter in Asien. Das Blatt bezog sich in seinem Urteil darauf, dass Manila seine militärische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten ausgeweitet und damit in den Augen von Präsident Ferdinand Marcos Jr. den neuen geo-politischen Gegebenheiten in der Region Rechnung getragen hat. In einem am 13. Februar veröffentlichen Interview mit der Publikation Asia Nikkei gab Marcos zu Protokoll: "Allein schon aufgrund unserer geographischen Lage ist ein Szenario schwer denkbar, in dem die Philippinen nicht betroffen wären, sollte es zu einem Konflikt um Taiwan kommen."

Die Präsenz von US-Truppen auf den philippinischen Inseln wird nun bald beträchtlich erhöht werden. Vor allem im Norden, also in der nächsten Nähe zum demokratischen Taiwan, soll es zwei Basen geben, die künftig von amerikanischen Soldatinnen und Soldaten genutzt werden dürfen. Von dort aus könnten die Truppen Taipeh schnell zu Hilfe eilen, sollte die chinesische Armee Taiwan blockieren. Im Süden Taiwans liegt die Hafenstadt Kaohsiung, Nummer 15 der größten Containerhäfen der Welt. Sollte er, wie schon im August 2022 nach dem Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi kurzzeitig geschehen, von der chinesischen Marine blockiert werden, hat dies Auswirkungen auf die gesamte Welt - und erst recht auf die Philippinen.

Manila sucht nicht den Konflikt mit Peking

Es werden solche Überlegungen gewesen sein, die Präsident Marcos zu diesem Schritt bewogen haben. In einem anderen Interview sagte er, dass, wenn zwei Elefanten sich streiten, am Ende das Gras am meisten leide. Die Elefanten, das seien die USA und China, das Gras in diesem Falle die Philippinen.

Autorenbild | Alexander Görlach
DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Manila sucht also nicht den Konflikt mit Peking, sondern will den Weg gehen, den die meisten asiatischen Länder eingeschlagen haben: wirtschaftliche Kooperation mit Peking, Sicherheitsgarantien von Washington. Gleichzeitig wurden die Philippinen, wie nahezu alle Länder in der Region, von China in territoriale Konflikte verstrickt, was das Pendel zugunsten Washingtons ausschlagen lässt. Zwar behauptet Peking immer wieder, für die in der UN-Charta verbrieften Souveränität von Nationalstaaten zu stehen, gleichzeitig will es sich aber Territorien und Meeresgebiete einverleiben, die gar nicht zur Volksrepublik gehören.

Die philippinischen Spratley-Inseln sind so ein Fall: Das zuständige Gericht in Den Haag hat schon im Jahr 2016 erklärt, dass Peking keinerlei Anspruch auf die Inseln hat, was Pekings Nomenklatura aber überhaupt nicht interessiert. Es ist Machthaber Xis erklärter Wille, den Westpazifik und das Südchinesische Meer unter chinesische Kontrolle zu bringen.

Nachteilige Partnerschaft mit Peking

Marcos' Vorgänger Rodrigo Duterte, ein selbsterklärter "Strongman", hatte sich Peking noch angedient und gemeinsame Ölförderprojekte ins Leben gerufen, die allerdings vom Obersten Gericht der Philippinen wieder einkassiert wurden. Am Ende seiner Herrschaft musste Duterte einsehen, dass eine vertiefte Partnerschaft mit Peking nur zum Nachteil der Philippinen wäre. Er wandte sich wieder an Washington, das er zuvor düpierte als er öffentlich mit dem Gedanken spielte, die Präsenz von US-Truppen im Land zu beenden. 

Die Philippinen mögen derzeit der Star in Washington sein, alleine stehen sie nicht da: Von Indien über Südkorea und Japan bis Australien und Neuseeland ordnen Länder ihre Allianzen mit den USA neu. Konkret bedeutet das vertiefte Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste und höhere Militärausgaben. Überall in der Region haben die demokratischen Regierungen registriert, dass Pekings Forderungen zu- und nicht abnehmen. Und dass wirtschaftliche Zusammenarbeit als Knebel für politische Zugeständnisse missbraucht werden kann. 

Niemand will China überfallen

In der Volksrepublik versteht man naturgemäß nicht, wie Demokratien funktionieren und reagiert umso härter. Dass in der freien Welt auf einen Duterte unter Umständen ein Marcos folgt, der einen anderen Kurs gegenüber der Pekinger Diktatur einschlägt, wird in Peking als Provokation verstanden. Seit in Taiwan im Jahr 2016 die Regierung von der eher China-freundlichen KMT zur Peking-kritischen DPP wechselte, läuft Peking Amok und versucht, das demokratische Land einzuschüchtern, wo es nur kann. Jüngst wurden zum Beispiel die Internetkabel, die die Matsu-Inseln versorgen, von Booten der Volksrepublik durchtrennt.

Vor dem Hintergrund neuer Allianzen in Asien, die sich gegen Pekings imperiale Bestrebungen richten, sind Xi Jinpings Aussagen auf dem zu Ende gegangenen Nationalen Volkskongress, einem Alibi-Parlament, zu verstehen. Dort klagte der Präsident, sein Land werde zunehmend von den USA eingekreist und die chinesische Armee müsse daher zu einer Mauer aus Stahl ausgebaut werden. Die Wahrheit allerdings sieht, wie so oft, wenn Peking spricht, anders aus als behauptet: Niemand hat ein Interesse daran, in die Volksrepublik einzumarschieren. Alle Nachbarn Chinas hingegen haben ein vitales Interesse daran, nicht von Pekings riesiger Streitmacht überfallen zu werden.

 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratie-Theorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.