Gütesiegel UNESCO-Welterbe
9. Juli 2015Bagan, Myanmar. 5.30 Uhr morgens. Noch ist es dunkel. Und es ist kalt. Dennoch müssen die Schuhe ausgezogen werden, es ist buddhistisches Gebot. Also barfuß die von Taubendreck übersäte Steintreppe hinauf. Rund zweihundert Touristen tummeln sich auf der Shwesandaw Pagode. Und dann beginnt das Spektakel: Die Sonne geht auf. In rosa Licht getaucht, öffnet sich der Blick auf eine nicht enden wollende Tempellandschaft. Heißluftballons steigen auf – eine perfekte, fast kitschige Kulisse.
Willkommen in Bagan. Das wohl berühmteste Touristenziel Myanmars erstreckt sich auf über 36 Quadratkilometer und bildet eine der größten archäologischen Zonen Südostasiens. Mehr als 2000 Tempel sind noch erhalten aus den rund 400 Jahren, die Bagan das Zentrum des ersten oberbirmanischen Königreichs war. Die meisten von ihnen stammen aus dem 11. bis 13. Jahrhundert. In dieser Zeit gelang es dem Königreich Bagan, seinen Herrschaftsbereich auf das Gebiet des heutigen Myanmar auszuweiten. Die Hauptstadt wuchs zu einer der größten Städte des Mittelalters an. Ende des 13. Jahrhunderts musste der König vor den Mongolen fliehen – und ließ kurz zuvor noch eine Reihe von Tempeln zerstören.
Das lange Warten auf den UNESCO-Welterbetitel
Heute droht den Tempeln und Pagoden eine andere Gefahr. Einige sind einsturzgefährdet, andere auf abenteuerliche Weise restauriert. Viele der Stupas – die halbkugelförmigen Bauten, die im Buddhismus eine zentrale Rolle einnehmen – wurden nach Lust und Laune mit neuen Ziegeln wieder aufgebaut. Im Innern der Tempel wurden Böden mit Beton aufgeschüttet, an den Decken Kronleuchter, an den Wänden Klimaanlagen angebracht. Die Wandgemälde, die zu den ältesten Südostasien zählen, so manches Mal einfach überpinselt. All das ist nicht im Sinne von Denkmalschützern. Und so ist Bagan zum Erstaunen vieler Touristen bis heute kein UNESCO-Weltkulturerbe.
U Than Zaw Oo will das ändern. In den nächsten Jahren soll Bagan endlich in die begehrte Liste der UN-Organisation aufgenommen werden. Auf der Welterbekonferenz in Bonn hatte sein Land in diesem Jahr den Status eines Beobachters. Der Leiter der Abteilung für Welterbestätten des neu gegründeten Nationalmuseums hat aufmerksam zugehört. "Bagan ist ein wichtiges Symbol für die nationale Identität unseres Landes", sagt er zum Abschluss der Konferenz in Bonn, "aber wir müssen noch einige Schritte gehen, um unsere Nominierung gut vorzubereiten."
Seit 1996 steht Bagan jetzt schon auf der Vorschlagsliste, der sogenannten Tentativliste zum UNESCO-Welterbe. Jedes Land kann dort wichtige Kultur- und auch Naturstätten einschreiben lassen, die es als nächstes nominieren möchte. Wenn sich ein Land aber entscheidet, eine Stätte tatsächlich auf die Nominierungsliste zu setzen und der Antrag scheitert, dann darf diese Stätte nie wieder nominiert werden. Der Titel Welterbe wird für alle Zeit unerreichbar.
Der ewige zweite Kandidat
So ist es nicht unüblich, dass einige Stätten wie Bagan bereits seit Jahren auf der Vorschlagsliste stehen, und – obwohl jedes Land pro Jahr eine Kultur- und eine Naturerbestätte vorschlagen darf – nicht nominiert werden. Das Interessante bei Bagan: Es war die erste Stätte überhaupt, die die damalige Militärregierung auf die Liste setzen ließ. Lange schien klar, dass wenn Myanmar den UNESCO-Status erhalten sollte, dann für Bagan. Im vergangenen Jahr aber entschied sich die Regierung des südostasiatischen Landes dafür, die antiken Städte der Pyu zu nominieren. Und war erfolgreich: Seit Juni 2014 sind die drei ältesten Städte Myanmars erstes und einziges Weltkulturerbe.
U Than Zaw Oo weiß, wie wichtig dieser Titel für sein Land ist. Diesen November finden in Myanmar Parlamentswahlen statt. Seit dem Übergang der Militär- zu einer zivilen Regierung im Jahr 2011, bemüht sich Myanmar um ein positives Bild im Ausland. Man möchte internationale Investoren anlocken. Ein UNESCO-Titel hilft dem Prestige – und dem Tourismussektor, einem der wichtigsten Pfeiler der birmanischen Wirtschaft.
Rund drei Millionen Touristen reisten 2014 nach Myanmar. Nach Angaben des Kulturministeriums besuchten gut ein Drittel von ihnen auch Bagan. Die Pyu-Städte liegen weit dahinter. Im selben Jahr zählten sie gerade einmal 60.000 Besucher - Ortsansässige mit eingerechnet. Dennoch, seit der Verleihung des Welterbetitels Mitte vergangenen Jahres, sagt U Than Zaw Oo, hätten sich die Zahlen verdreifacht.
Der Traum vom Ökotourismus
Zurück in Bagan. Hier fürchtet sich ausgerechnet der Vorsitzende der Hoteliervereinigung vor einem zu großen Boom - und das obwohl Bagan nicht UNESCO-Stätte ist. "Ich möchte keine neuen großen Straßen und Autos, die mit ihrem Smog unsere historischen Pagoden zerstören", sagt U Zaw Weik. "Ich möchte, dass Bagan bleibt, wie es ist – ein Paradies."
U Zaw Weik ist in der historischen Altstadt geboren, nur Hundert Meter vom Königspalast entfernt. Er träumt von einem Tourismus, der der lokalen Bevölkerung nutzt. "Ökotourismus", sagt er, "das ist das, was wir brauchen." Dass ein UNESCO-Titel noch mehr Touristen anlocken könnte, macht ihm keine Sorgen. Im Gegenteil. "Die Tempel drohen einzustürzen", sagt er. "Doch unsere Regierung tut nichts."
Ganz anders die UNESCO. Die ist nämlich bereits seit 2012 vor Ort - und hilft bei der Vorbereitung der Nominierung. Gut drei Viertel des mit fünf Millionen Dollar recht kleinen Budgets des Welterbefonds wird für die Evaluierung und Unterstützung von Nominierungen ausgegeben. Die UNESCO koordiniert häufig auch die Hilfsleistungen von Drittstaaten – im Falle Bagans engagieren sich vor allem Japan und die Schweiz.
Vor Ort werden nicht nur Restaurationsarbeiten von internationalen Experten ausgeführt, sondern auch Fortbildungen für Archäologen angeboten, Handwerker und Restauratoren ausgebildet – und die lokalen Behörden wie auch die Bevölkerung im Umgang mit den Tempeln geschult.
Gelebtes Kulturerbe
"Für Buddhisten sind die Tempel lebendige Orte, keine toten Denkmäler", sagt U Zaw Weik. "Die Gottheiten müssen für einen guten Buddhisten in perfektem Zustand sein. Also reparieren die Menschen Buddhastatuen und auch alles andere an den Tempeln - so wie sie eben denken, dass es richtig ist." Denkmalschützer und die Menschen vor Ort zusammenzubringen, das sei schwierig, meint er. Inzwischen dürften immerhin Hotels nicht mehr direkt an die Tempelanlagen gebaut werden. Auch neu aufgebaut werde nicht mehr ohne externe Beratung.
"Wir müssen lernen, unser Erbe zu konservieren", sagt auch U Than Zaw Oo. Auf die Frage, ob Myanmar plane, Bagan schon im kommenden Jahr bei der nächsten Sitzung des Welterbekomitees in Istanbul zu nominieren, will U Than Zaw Oo lieber nicht antworten. Es soll nichts schief gehen.