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"Paneuropäisches Picknick für geeintes Europa"

Karin Jäger18. August 2014

Am 19. August 1989 veranstalteten Ungarn und Österreicher an der seit 1945 hermetisch abgeriegelten Grenze das "Paneuropäische Picknick". Walburga Habsburg war bei der Feier, die 600 DDR-Bürger zur Flucht nutzten.

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Ungarn Österreich Grenze Massenflucht aus der DDR 1989
Bild: AP

Deutsche Welle: Welche Gefühle löst das Paneuropäische Picknick heute, 25 Jahre später, noch bei Ihnen aus?

Walburga von Habsburg Douglas: Ich empfinde eine ungeheure Dankbarkeit, aber auch Stolz und Glück, dass ich dabei sein durfte als der Eiserne Vorhang fiel. Ich habe, seit ich denken kann, daran gearbeitet, dass Europa geeinigt wird. Und beim Picknick haben wir gesehen, dass das der Anfang einer europäischen Wiedervereinigung war.

Wie sind Sie überhaupt auf die Idee zum Paneuropäischen Picknick gekommen?

Mein Vater (Anm. Otto von Habsburg) war damals gerade als Abgeordneter für die CSU im Europaparlament wieder gewählt worden. Er reiste nach der Wahl nach Ungarn, um zu berichten, was die Europawahl für Mittel- und Osteuropa bedeutet. Wir haben überlegt, was man machen kann, um zu zeigen, dass Ungarn zu Europa gehört. Da sind wir auf das grenzüberschreitende Picknick gekommen. Mein Vater war von 1916 bis 1918 Kronprinz Österreich-Ungarns und somit eine wichtige Person. Da er nicht im Mittelpunkt stehen wollte, und die Veranstaltung der Frage dienen sollte, welche Rolle Ungarn künftig in Europa spielen sollte, schickte er mich als Vertreterin der Paneuropäischen Union an die Grenze. Ich hatte zuvor Ungarns Regierung um Genehmigung gebeten. Und Staatsminister Imre Pozsgay hat gemeinsam mit meinem Vater die Schirmherrschaft übernommen.

Walburga von Habsburg Douglas
Überzeugte Europäerin: Walburga von Habsburg DouglasBild: privat

Hatten Sie den Ansturm der DDR-Bürger erwartet oder sogar geplant?

Bei der Vorbereitung wurde uns klar, dass so etwas möglich sein würde. Wir haben Flugblätter in Budapest verteilt. Dort waren überall DDR-Bürger. Und da haben wir gedacht, dass dies vielleicht eine Möglichkeit wäre für diese Menschen, aus ihrer Mausefalle herauszukommen.

Als dann die Massen über die Grenze stürmten, hatten Sie keine Angst?

Angst hatte ich keine, weil ich wusste, dass die Sowjets ihr Militär von der Grenze zu Österreich abgezogen hatten. Und das wäre das einzige gewesen, vor dem man hätte Angst haben müssen. Die Stimmung war aber so positiv. Und dann habe ich die ungarischen Grenzbeamten gefragt, wie sie im Fall einer Massenflucht reagieren würden. Sie haben gesagt, es gebe drei Möglichkeiten: "Wir könnten versuchen, sie aufzuhalten. Wir sind aber nur zu Viert. Wir könnten schießen, wir haben aber keinen Befehl bekommen. Also haben wir beschlossen, uns wegzudrehen und uns das gar nicht anzuschauen." Ich fand das perfekt. Schließlich gelang 661 DDR-Bürgern die Flucht.

Der ungarisch-österreichische Autor Andreas Oplatka schreibt in seinem Buch "Der erste Riss in der Mauer", Ungarns Regierung habe das von Bürgern geplante Picknick instrumentalisiert, um herauszufinden, ob die in Ungarn stationierten sowjetischen Truppen die Grenzkontrollen verstärken würden. Wie war Ihre Wahrnehmung diesbezüglich?

Ich fühlte mich keineswegs instrumentalisiert. Mir war allerdings am Vorabend des Picknicks klar, dass etwas passieren würde. Uns war bewusst, dass der Eiserne Vorhang fallen könnte.

War Ihnen damals auch bewusst, welche Auswirkungen die Veranstaltung auf die deutsche Vereinigung haben würde?

Es wäre übertrieben zu sagen, ich habe es gespürt, aber ich hatte zumindest das Gefühl, dass es zu gären beginnt. Ich habe ja auch die Montagsdemonstrationen in der DDR verfolgt. Ich hatte auch Kontakte zu Deutschen in der DDR. Und ich habe gehofft, durch unser Engagement etwas erreichen zu können.

Wie sehr hat das Ereignis Ihr Leben geprägt?

Ich habe mich mein ganzes Leben lang für den Zusammenbruch des Kommunismus eingesetzt. Und das Paneuropäische Picknick hat mich politisch bestärkt, in meiner Arbeit für ein geeintes Europa. Und jetzt, 25 Jahre später, ist es sehr schön zu sehen, dass der europäische Gedanke von Frieden, Grenzenlosigkeit und Freiheit Wahrheit geworden ist.

Walburga von Habsburg Douglas ist die Enkelin des letzten Kaisers von Österreich und jüngste Tochter des früheren Europa-Parlamentariers Otto von Habsburg (CSU). Sie war in der Paneuropa-Jugend-Deutschland engagiert, später Generalsekretärin der internationalen Paneuropa-Union und ist seit 2004 deren geschäftsführende Vorsitzende. Am 19. August 1989 organisierte sie mit Oppositionellen aus Ungarn und Österreichern das Paneuropäische Picknick. Die mit einem schwedischen Grafen verheiratete Juristin sitzt für die konservative Partei Moderata samlingspartiet im Schwedischen Parlament. Außerdem engagiert sie sich in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).