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Hassobjekt Datenkrake - Facebook in der Diskussion

5. November 2011

Das Hacker-Kollektiv "Anonymous" hat für diesen Samstag einen Angriff auf Facebook angekündigt. Das Online-Netzwerk ist für die einen unverzichtbar geworden, für andere mutiert es zur gefährlichen Datenkrake.

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Das Logo des Online-Netzwerkes Facebook, aufgenommen in München durch eine Lupe von einem Computer-Bildschirm eines Laptops (Foto: dapd)
Bild: dapd

Thilo Weichert dürfte mittlerweile der meistgehasste Mann im kalifornischen Menlo Park sein - der Name des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten ist inzwischen auch am Stammsitz von Facebook ein Begriff. Denn Weichert hat Facebook herausgefordert – oder besser gesagt, dessen Fans. Der Datenschutzexperte kritisiert die so genannten "I like"-Buttons, die auf mittlerweile 250 Millionen Internetseiten weltweit vorhanden sein sollen.

Alleine das Aufrufen einer Seite mit einem solchen "I like"-Button, so Weichert, spiele Facebook eine Menge an Daten zu. Man müsse dafür nicht einmal den Button anklicken. Letztlich lasse sich damit sogar das Surfverhalten von Menschen beobachten, die gar nicht Mitglied bei Facebook sind. Der Datenschutzbeauftragte sieht damit einen deutlichen Verstoß gegen die Datenschutzgesetze in seinem Land – und droht den Betreibern einer Internetseite mit einem solchen "I like"-Button mit einem hohen Bußgeld. Weichert steht damit – mehr oder weniger unbewusst – an der Spitze einer langsam wachsenden Bewegung, die sich gegen den anscheinend unstillbaren Datenhunger von Facebook wendet. Nicht das Netzwerk als solches oder soziale Netzwerke generell nehmen die Kritiker ins Visier, sondern ganz speziell das Verhalten des US-Konzerns und Weltmarktführers. Den Ruf als "Datenkrake" hat Facebook sich dabei mehr oder weniger redlich verdient.

Mark Zuckerberg (Foto: dapd)
Im Zentrum des Datennetzes: Facebook-Gründer Mark ZuckerbergBild: dapd

Löschen unmöglich

Wie sehr Facebook im Hintergrund Daten tatsächlich sammelt und auswertet, hat vor wenigen Monaten ein Student aus Österreich erfahren. Er hat Facebook dazu gezwungen, offenzulegen, welche Daten das Netzwerk über ihn gespeichert hat. Auf Nachfrage bekam er 1.200 DIN-A4-Seiten an Daten zugeschickt. Und das obwohl er nach eigener Aussage kein besonders eifriger Nutzer von Facebook ist. Zwei Dinge waren es, die den 23-Jährigen besonders schockierten: Zum einen, dass von ihm gelöschte Daten von Facebook weiter gespeichert werden. Die vermeintlich gelöschten Daten tauchten in der Übersicht des Unternehmens noch immer auf – lediglich mit dem Vermerk versehen, das Mitglied habe diese Daten gelöscht. Zum zweiten scheint Facebook auch ausserhalb des Netzwerks Daten zusammenzutragen und zu kombinieren.

Der Student entdeckte in seinen Daten zum Beispiel E-Mail-Adressen, die ihm zwar gehörten, mit denen er selbst bei Facebook aber nie in Erscheinung getreten war. Das Unternehmen hatte sich diese offenbar aus anderen im Internet gesammelten Daten zusammengestellt. Am Ende entstehen so von jedem Facebook-Nutzer detailreiche Profile. Und die sind die Grundlage für den kommerziellen Erfolg. Facebook verdient Milliarden damit, die Daten seiner Mitglieder auszuwerten, Profile zu erstellen und diese Analysen an Werbekunden weiterzuverkaufen.

Kritik an dieser Geschäftspraxis gibt es bisher nur wenig. Für viele Menschen ist Facebook schlicht und ergreifend zu einem wichtigen Teil ihres digitalen Alltags geworden. So sehr, dass viele das Unternehmen Facebook nicht wirklich hinterfragen. Im "analogen" Alltag würde sich dagegen kaum jemand auf dieses Geschäftsmodell einlassen. Wer würde es hinnehmen, wenn die Post zwar alle Briefe und Pakete kostenlos transportieren würde, sich dafür aber das Recht herausnehmen würde, alle Inhalte zu lesen und für Werbezwecke auszuwerten? Jemand, der besonders viele Briefe aus den USA bekommt, hat vielleicht Verwandte oder Freunde dort – und könnte an einem günstigen Flug in die Staaten interessiert sein. Auf diese Weise könnte die Post ihr Briefgeschäft auf eine ganz andere Art finanzieren.

Ein Pinnwand-Eintrag der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Online-Netzwerk Facebook (Foto: dpa)
Welche Werbung bekommt wohl Facebook-Nutzerin Angela Merkel?Bild: picture-alliance/dpa

Was geben Facebook und Co. an die Geheimdienste weiter?

Neben der kommerziellen Auswertung der Daten kommt hinzu, dass nicht ganz klar ist, in welchem Umfang Geheimdienste auf die Daten von Facebook zugreifen können. Weder das Unternehmen selbst noch die Dienste lassen sich in die Karten schauen. Es gibt aber Berichte, wonach selbst totalitäre Regime wie der Iran oder Syrien Facebook nutzen, um Regimegegner und deren Sympathisanten ausfindig zu machen. Google, das selbst über einen großen Datenbestand verfügt, hat vor kurzem durchblicken lassen, dass weltweit immer mehr Regierungen Anfragen an das Unternehmen richten. Ob insbesondere die US-Geheimdienste einen direkten Zugriff auf die Facebook-Datenbank haben, ist unklar. Sicher ist aber, dass große Datensammlungen wie bei Facebook oder Google immer auch Begehrlichkeiten wecken.

Der für diesen Samstag (05.11.2011) geplante Angriff der Hacker-Gruppe "Anonymous" richtet sich genau gegen diesen Datenhunger und die Ahnungslosigkeit vieler Facebook-Nutzer. Man wolle die Nutzer aufrütteln und ihnen zeigen, mit was für einem Unternehmen sie es zu tun hätten. Unabhängig davon, ob diese "Operation Facebook" überhaupt irgendeine Wirkung haben wird - die Frage ist, ob viele Facebook-Nutzer überhaupt aufgerüttelt werden wollen. Auch Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert erntet bisher vor allem Kritik – und das selbst in den eigenen Reihen. So weigert sich beispielsweise selbst die Landesregierung, ihre Facebook-Fanseite aufzugeben. Stattdessen wird auf dieser Seite vor allem über die vermeintliche "Borniertheit" und "Hyperaktivität" von Thilo Weichert diskutiert. Wer gerettet werden soll, muss eben erst einmal erkennen, dass er sich überhaupt in Not befindet.

Kombibild Anonymous Facebook (Foto: dw/ap)
Das Hacker-Kollektiv "Anonymous" hat sich Facebook zum neuen Feindbild gewähltBild: DW/ap

Autor: Jörg Brunsmann
Redaktion: Matthias von Hein