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Haftbefehl gegen Ex-Arcandor-Boss

14. November 2014

Thomas Middelhoff nannte den Prozess einen "apokalyptischen Traum". Jetzt wurde nach einem überraschend harten Urteil ein Haftbefehl gegen den früheren Chef des Karstadt-Mutterkonzerns erlassen.

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Thomas Middelhoff im Landgericht Essen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Für drei Jahre soll Thomas Middelhoff ins Gefängnis. Das Landgericht Essen befand den früheren Konzernchef in 27 Fällen der Untreue und in drei Fällen der Steuerhinterziehung für schuldig. Middelhoff nahm den Schuldspruch mit versteinerter Miene zur Kenntnis. Da die Richter derzeit Fluchtgefahr sehen, wurde Haftbefehl erlassen. Die Entscheidung wurde am Nachmittag bei einem Haftprüfungstermin bestätigt.

In dem Strafverfahren ging es um diverse Flüge in Privatjets sowie um eine Festschrift, die der ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende des Handels- und Touristikunternehmens Arcandor über seine Firma abgerechnet hatte. Arcandor war 2009 mitsamt seinen Tochterfirmen wie Karstadt und Quelle in die Pleite gerutscht. Middelhoff hatte seinen Posten einige Monate zuvor aufgegeben.

Überraschend hohes Strafmaß

Mit dem unerwartet harten Urteil blieb das Gericht nur geringfügig unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Sie hatte für den Manager eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verlangt. Middelhoffs Verteidiger hatten dagegen auf Freispruch plädiert.

Die Anklagebehörde hatte dem 61-Jährigen vorgeworfen, den damals schon krisengeschüttelten Arcandor-Konzern in den Jahren zwischen 2005 und 2009 zu Unrecht mit ganz oder teilweise privat veranlassten Kosten in Höhe von mehr als 800.000 Euro belastet zu haben.

"Erbsenzählerei des Insolvenzverwalters"

Der Vorsitzende Richter Jörg Schmitt sagte in der Urteilsbegründung, ohne die Arcandor-Insolvenz hätte es das Verfahren wohl nicht gegeben. Denn letztlich sei der Prozess erst durch "Erbsenzählerei des Insolvenzverwalters" ins Rollen gekommen.

Der Richter erklärte, Middelhoff habe sich bei seinen Aussagen in zahlreiche Widersprüche verstrickt. "Wir sind überzeugt, dass Ihre Einlassung an entscheidenden Stellen des Prozesses nicht vom Willen des ehrlichen Umgangs, sondern von verteidigungstaktischen Motiven geprägt war." Zum Teil habe der Manager dem Gericht "abenteuerliche Erklärungen" gegeben.

Charterflüge nach New York

Der Essener Wirtschaftsprozess war einer der spektakulärsten der vergangenen Jahre. Das Verfahren gab ungewöhnliche Einblicke in das Leben eines Topmanagers, für den die Nutzung eines Charterjets so selbstverständlich war, wie für Normalbürger der Ticketkauf beim Billigflieger.

Middelhoff selbst berichtete im Prozess, er habe in seiner Zeit beim Handelskonzerns Arcandor 610-mal Privatjets genutzt. Der Prozess beleuchtete allerdings nur 48 dieser Flüge, bei denen die Staatsanwaltschaft die dienstliche Veranlassung bezweifelte. Das waren zum Teil teure Flüge mit Charterjets nach London und New York, deren Kosten sich im Einzelfall auf mehr als 90.000 Euro beliefen.

Es ging aber auch um vergleichsweise billige Hubschrauberflüge zwischen seinem Wohnsitz in Bielefeld und der Arcandor-Zentrale in Essen zum Stückpreis von etwas mehr als 3000 Euro. Damit wollte Middelhoff auf dem Weg zur Arbeit dem Stau auf der Autobahn entgehen.

Vor der Pleite: Arcandor-Zentrale in Essen (Archivbild: Getty Images/P. Stollarz)
Bild: Getty Images/P. Stollarz

"Habe mir nichts vorzuwerfen"

In seinem Schlusswort hatte der Manager alle Vorwürfe zurückgewiesen und beteuert: "Ich kann mir kein Fehlverhalten vorwerfen." Er sei zum einstigen Karstadt-Mutterkonzern gekommen, um das Unternehmen und die Arbeitsplätze zu retten. Das insgesamt fünfjährige Verfahren sei für ihn ein Alptraum. "Ich fühle mich in meiner Würde und Ehre verletzt."

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Sollte es jedoch Bestand haben, müsste Middelhoff tatsächlich hinter Gitter, weil eine solch hohe Haftstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

jj/rb (dpa, afp, rtr)