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PolitikAfrika

Haftbefehl gegen Putin: Wie weit geht Immunität?

2. Juni 2023

Südafrika lädt im Sommer zum BRICS-Gipfel. Und Putin soll kommen – obwohl es einen internationalen Haftbefehl gegen ihn gibt. Wie geht das zusammen?

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Wladimir Putin
Gegen Wladimir Putin wurde wegen der Verschleppung von ukrainischen Kindern ein Haftbefehl ausgesprochenBild: Gavriil Grigorovvia/Kremlin/Sputnik via REUTERS

Die Einladung hat er schon. Für den Gipfel der fünf BRICS-Staaten hätten alle Staatschefs der beteiligten Länder - China, Indien, Brasilien, Südafrika und Russland - eine Einladung erhalten. Das sagte die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor. Der Gipfel soll im August stattfinden.

Was für vier Staatschefs lediglich ein Eintrag im Terminkalender sein wird, ist für den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin von höchster Brisanz. Denn er müsste verhaftet und ausgeliefert werden, sollte er südafrikanischen Boden betreten. Seit März gibt es einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gegen Putin. Und Südafrika ist den Römischen Statuten, der Vertragsgrundlage des IStGH, beigetreten.

Das heißt, das Land müsste Putin ausliefern. In früheren Statements beriefen sich Regierungsmitglieder aber auf die Immunität: Alle Mitglieder internationaler Konferenzen genießten Immunität in Südafrika.

Immunität hat Grenzen

Doch "Immunitäten sind dazu da, um Völkerrecht, um internationale Beziehungen überhaupt zu ermöglichen", sagt Christoph Safferling, Direktor der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien und Professor für Strafrecht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg. Schließlich müssten Regierungschefs sich treffen können, ohne fürchten zu müssen, vor nationalen Gerichten angeklagt zu werden.

Allerdings: Immunität hat Grenzen. In mehreren Gerichtsurteilen hat der Internationale Strafgerichtshof festgehalten, dass die Immunität auch amtierender Staatschefs vor internationalen Gerichten endet. "So ist die rechtliche Regel nach dem Statut, und da gibt es auch keine Ausnahme", sagt Safferling. Sprich: Auch Immunitäten auf Konferenzen gegen einen mit internationalem Strafbefehl gesuchten Präsidenten wären nichts rechtsgültig.

Auch nach südafrikanischem Recht. Denn es gibt bereits einen Präzedenzfall. Wladimir Putin ist der zweite amtierende Staatschef gegen den der IStGH einen Haftbefehl ausgesprochen hat. Der erste war der damalige sudanesische Präsident Omar al-Baschir. Und der kam 2015 für eine Konferenz nach Südafrika.

Sudans Präsident Omar al-Bashir
Omar al-Bashir (hier im Jahr 2019) ist bis heute nicht an den IStGH ausgeliefert wordenBild: Mohamed Khidir/Xinhua/Imago

Schon damals hätte Südafrika den Diktator ausliefern müssen - stattdessen konnte er unbehelligt in einer Nacht- und Nebelaktion ausfliegen. "Danach hat der Verfassungsgerichtshof in Südafrika geurteilt, dass Südafrika hätte ihn verhaften müssen, dass im Prinzip die Regierung gegen das eigene Recht verstoßen hat, und dieser Rechtssatz gilt auch heute noch. Das heißt, Putin nicht auszuliefern, verstieße gegen internationales und südafrikanisches Recht", sagt Kristoffer Burck, Forscher am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK).

Putin als Gast willkommen?

Was wird also geschehen? Wäre es denkbar, dass Putin dennoch in Südafrika teilnehmen könnte? Theoretisch ja, denn der IStGH hat nur wenige Sanktionsmöglichkeiten. "Man könnte eine Rüge aussprechen und darauf hinweisen, dass dieser Haftbefehl existiert und ausgeführt werden muss, und das Versäumen Südafrikas dann deutlich benennen. Aber am Ende des Tages war es das auch schon", sagt Safferling. Denn anders als Nationalstaaten, verfügt der IStGH nicht über eine Polizei, die geltendes Recht umsetzt.

Und so ist der Strafgerichthof darauf angewiesen, dass die Staaten, die sich dem Statut verschrieben haben, es auch achten. "Jeder, der das nicht tut und bei der Ausführung nicht unterstützt, schwächt den Gerichtshof. Das ist ganz klar, denn dann wäre der Haftbefehl nicht einmal das Stück Papier wert, auf dem er geschrieben steht. Das wäre eine Schwächung des Gerichtshofs", sagt Safferling.

Ursprünglich war der Haftbefehl gegen Putin als starkes Zeichen gedacht. Auch ein so mächtiger Politiker wie Putin solle sich im Zweifel nicht sicher vor Strafverfolgung fühlen. "Das hat der internationale Strafgerichtshof auch gemacht, um sich ganz deutlich Gehör zu verschaffen - um zu sagen, ich bin da, ich kann das, ich will das, und ich werde das durchsetzen", sagt Safferling. Und für ihn hat das Völkerrecht auch insgesamt an Bedeutung gewonnen.

Anders als 2015, als al-Bashir nach Südafrika reiste, werde nun bereits im Vorfeld darüber gesprochen, der Haftbefehl werde als ernstzunehmend wahrgenommen. "Man kommt da jetzt nicht mehr so einfach drum rum, es gibt jetzt in dem Fall sogar ein Haftbefehl. Das muss man jetzt immer mit einbeziehen in die diplomatischen Verhandlungen. Das geht nicht mehr ohne, und das ist eigentlich eine ganz gute Nachricht."

Niederlande, Den Haag: Internationaler Strafgerichtshof von außen
Hier soll Putin vor Gericht kommen: der Internationale Strafgerichtshof in Den HaagBild: Peter Dejong/AP/picture alliance

Ganz so optimistisch fällt die Einschätzung seines Kollegen Burck nicht aus. Er fürchtet, der Haftbefehl gegen so einen prominenten amtierenden Staatspräsidenten könnte auch zu einem negativen Bumerang für den Internationalen Strafgerichtshof werden.

"Die Gefahr ist extrem hoch, dass man einen Fall schafft, bei dem eine Person angeklagt ist, aber man dieser Person über Jahre nicht habhaft wird. Eigentlich ist davon auszugehen, wenn Putin keine Fehler macht, dann wird er nicht verhaftet werden. Das heißt, man wird über Jahre und Jahrzehnte einen offenen Fall haben. Für die eigentliche Funktion eines Gerichts, durch Gerichtsurteile Recht zu sprechen, ist das sehr gefährlich."

Noch gibt es nicht viele Fälle. Putin ist erst der zweite amtierende Staatschef, der per Haftbefehl gesucht wird. Wie erfolgreich der IStGH sein wird, hängt maßgeblich von seinen Mitgliedsstaaten ab. "Das braucht alles noch Zeit, um sich einzuspielen. Der Fall wird uns sehr wahrscheinlich noch eine Weile beschäftigen", sagt Safferling.