Haftgrund Umweltschutz
13. August 2007Sechs Stunden dauerte der Prozess im südchinesischen Jiangsu, dann wurde ein Urteil verkündet, das wohl schon vorher feststand: Wegen angeblicher Erpressung muss der 39-jährige Wu Lihong für drei Jahre ins Gefängnis. Da sitzt er bereits, seit er am 13. April ohne jeden Haftbefehl aus seiner Wohnung verschleppt wurde. Wu Lihong ist eine nationale Berühmtheit. Seit 15 Jahren kämpft er gegen die Verschmutzung des Tai-Sees an, in den unzählige Fabriken ihre Abwässer einleiten. Der Tai See ist der drittgrößte See in China.
Protest gegen "Umweltmodellstadt"
Vor zwei Jahren schlug ihn die Provinz-Regierung sogar für die Liste der zehn wichtigsten Umweltschützer Chinas vor. Das schützte ihn aber nicht vor den lokalen Behörden seiner Heimatstadt Yixing. Sie verhafteten Wu kurz vor einer geplanten Reise nach Peking. Wu wollte bei der Zentralregierung dagegen protestieren, dass ausgerechnet Yixing den Titel einer "Umweltmodellstadt" verliehen bekommen hatte. Er hatte umfangreiches Beweismaterial gesammelt. Damit wollte er belegen, wie die Beamten von Yixing den Kontrolleuren der Umweltbehörde systematisch Sand in die Augen gestreut haben. Deren Antwort: Sie warfen ihm vor, er habe Betriebe mit Umweltproblemen erpresst.
"Der Prozess war vollkommen unfair. Es gab 50 bis 60 Sitze im Gerichtssaal. Aber nur zwei von uns durften hinein. Aber der Saal war voll. Ich habe keine Ahnung, wer all die anderen Leute waren. Sie haben Wu Lihong Betrug und Erpressung vorgeworfen", sagt Wus Frau Xu Jiehua. "Sie hatten gar keine Zeugen, sie haben nur schriftliche Aussagen verlesen. Unsere Zeugen haben sie aber nicht zugelassen."
"Verhört und gefoltert"
Beim Prozess sah Xu Jiehua ihren Mann zum ersten Mal seit dessen Verhaftung vor vier Monaten. Sie war entsetzt. "Als er sagte, er sei fünf Tage ununterbrochen verhört und auch gefoltert worden, hat mich das sehr traurig gemacht", sagt Xu.
Die Anwältin von Wu Lihong wollte sich zu dem Prozess nicht äußern. Die Behörden setzen die Leute um den Umweltaktivisten unter Druck. Xu Jiehua will aber nicht aufgeben: Sie will auf jeden Fall in Berufung, obwohl sie immer noch beobachtet wird. "Selbst jetzt, wo ich unterwegs bin, folgen sie mir mit dem Auto oder dem Motorrad."
Leider hat es Wu Lihong nicht geholfen, dass er mit seinen Warnungen Recht behalten hat: Ende Mai hatte sich die Wasserqualität des Tai-Sees so sehr verschlechtert, dass die Trinkwasserversorgung für Millionen Anwohner tagelang unterbrochen wurde. Die Regierung leitete schließlich Wasser vom Jangtse Fluss in den See und kündigte das an, was Wu Lihong die ganze Zeit gefordert hatte: Die Schließung der schlimmsten Dreckschleudern.