Haircut für Griechenland?
1. Februar 2011Einen Haircut für Griechenland halten viele Experten und - hinter vorgehaltener Hand - auch viele Politiker für unausweichlich. Haircut, auf Deutsch Haarschnitt, bedeutet nichts anderes, als dass alle Gläubiger Griechenlands auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen. Der Grund liegt in den hohen Zinsen, die Griechenland für seine Staatsanleihen zahlen muss. Zwar hat sich das Land einer Rosskur unterzogen, um das zweistellige Haushaltsdefizit zu senken. Doch wird die Gesamtverschuldung weiter ansteigen - bis auf über 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2014.
Zudem stecken die Griechen immer noch im Sumpf der Rezession, da der rigide Konsolidierungskurs jede Wachstumschance im Keim erstickt. Ein Schuldenschnitt muss her, damit dem Land an der Peripherie der Eurozone Luft zum Atmen geschaffen wird, fordern immer stärker die Ökonomen. Doch wie? Birgit Figge, Kreditanalystin bei der BZ Bank, erklärt: "Es gibt einmal die Möglichkeit, dass der EFSF (European Financial Stability Facility) Geld am Kapitalmarkt aufnimmt und mit diesem Geld griechische Anleihen zurückkauft." Die Anleihen werden momentan zwischen 70 und 80 Prozent des Nominalwertes gehandelt. Das heißt, in dem Moment, wo ein Anleger die Anleihe verkauft, würde er einen Kapitalschnitt von zwischen 20 und 30 Prozent hinnehmen, weil er die Anleihe zu 100 Prozent gekauft hat.
Freiwilliger Schuldenschnitt
Noch häufiger ist die Rede davon, dass Griechenland mit Hilfe eines zinsgünstigen Kredits vom Euro-Rettungsfonds einen Teil seiner Staatsanleihen selber zurückkauft. Auch die Bundesregierung sei diesem Vorschlag nicht abgeneigt, berichtete das "Handelsblatt", denn das würde die Verschuldungsquote Griechenlands senken.
Kreditanalystin Figge findet solch einen freiwilligen Schuldenschnitt auch aus Investorensicht interessant: "Das würde den Marktteilnehmern, die momentan sagen, ich kann meine Anleihe aus Risikoaspekten nicht mehr halten, die Möglichkeit geben, die Anleihe jetzt zu verkaufen."
Es gebe aber auch ein Risiko, meint Figge. In dem Moment, wo die Marktteilnehmer wissen, dass ein großer Player, sei es der griechische Staat oder der Rettungsfonds, am Markt Anleihen kauft, würden diese Anleihen im Kurs steigen. Genau aus diesem Grund bezweifelt Christoph Weil von der Commerzbank die Erfolgsaussichten eines freiwilligen Haircuts: "Wenn man annimmt, die Kurse steigen um zehn Prozent, und wenn man dann weiter annimmt, es werden nicht alle verkaufen, weil einige Investoren natürlich immer noch erwarten, dass sie die Anleihe zu hundert Prozent zurückbekommen", dann reduziere sich die Entlastung um weitere Prozente. Ob Griechenland dann 150 oder 142 Prozent Staatsschulden habe, mache wenig Unterschied, sagt Weil.
Gezwungener Haircut
Wenn der Effekt eines freiwilligen Haircuts durch steigende Kurse wieder verpufft, hilft dann doch noch nur ein erzwungener Schuldenschnitt? Das geht entweder durch eine Verlängerung der Laufzeit einer Anleihe oder durch eine Wertminderung. Griechenland könnte sagen: Ich halbiere jetzt meine Schulden und zahle sie nur noch zu 50 Prozent zurück. Doch auch davon rät Europa-Experte der Commerzbank Weil ab: "Das hätte so viele negative Auswirkungen. Man kann nicht ausschließen, dass es zu einem Vertrauensschock kommt, ähnlich wie nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman." Das wäre ein globaler Schock, der dann auch die ganze Welt treffen würde und sie wieder in eine Rezession zurückwerfen könnte, sagt Weil weiter.
Zudem würde ein solcher Schritt Griechenland jahrelang vom Kapitalmarkt abschneiden. Gibt es neben dem Ersticken unter der Schuldenlast und einem riskanten Schuldenschnitt noch einen dritten Weg? "Man könnte es so machen, dass man Griechenland unbegrenzt Kredite über den EFSF gibt. Die Kredite würden im Moment sechs Prozent kosten und man würde das Programm, was Griechenland bis 2013 hat, unbegrenzt verlängern", so Weils Vorschlag. Der Vorteil: Griechenland müsste nur noch sechs Prozent Zinsen zahlen und nicht zwölf Prozent wie noch im Dezember 2010.
Andere Möglichkeiten
Auch Birgit Figge von der DZ Bank hat darüber nachgedacht, wie der Schuldenberg Griechenlands auf ein Niveau gesenkt werden kann, das tragfähig und nachhaltig ist: "Beispielsweise, indem der EFSF die Kredite von der EU und vom IWF aufkauft und es hier zu einem bilateralen Kapitalschnitt kommt." So wäre der Kapitalmarkt, das heißt die privaten Anleger und die Banken, nicht von diesem Kapitalschnitt belastet, und trotzdem würde Griechenland seine Schulden reduzieren. Vorausgesetzt: Der Euro-Rettungsfonds stimmt einer Schuldenreduzierung zu.
Von der Politik wird ein Spagat erwartet, Griechenland umzuschulden, ohne dass der Reformeifer in Athen nachlässt. Deshalb tritt Bundeskanzlerin Angela Merkel immer stärker für eine EU-Wirtschaftsregierung ein. Viel Zeit hat die Politik nicht mehr, meint Figge: "Letztendlich stehen die Politiker mit dem Rücken zur Wand." Wenn sie nicht eine überzeuge Lösung herbeiführen könnten, sei die Gefahr groß, dass sich der Flächenbrand auf Portugal, Spanien, Italien und auch Belgien ausweiten würde, sagt Figge von der DZ Bank: "Das Problem bei Spanien und auch Italien ist, dass sie zu groß sind, um gerettet zu werden."
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel