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Handelsabkommen im Schatten der Spionage

Christian Ignatzi8. Juli 2013

Die NSA-Spionageaffäre belastet die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Deutsche Politiker fordern Maßnahmen gegen Wirtschaftsspionage.

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Top Secret - Schriftzug auf einem Karteikartenreiter Copyright: imago/INSADCO
Bild: imago/INSADCO

Verhandeln oder nicht verhandeln? Nach den Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstlers Edward Snowden hatte die EU-Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, gefordert, auf keinen Fall über den Freihandel zwischen der EU und den USA zu sprechen, solange nicht klar sei, ob der amerikanische Geheimdienst NSA tatsächlich europäische Institutionen ausspioniert habe. Es geht um das Abkommen, das künftig den Handel erleichtern, Zölle wegfallen lassen und für neue Arbeitsplätze im sechsstelligen Bereich sorgen soll.

Am Montag (08.07.2013) begannen die Gespräche dann doch wie geplant - obwohl die US-Geheimdienste die EU-Vertretung in Washington verwanzt haben sollen. Die Aufregung ist groß, das Vertrauen erschüttert. FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle forderte, die Verhandlungen mit dem Thema Wirtschaftsspionage zu beginnen. "Es hilft ja nichts, wenn wir Zölle senken, gleichzeitig aber die Firmen ausspioniert werden", sagte er der ARD. Es könne kein Abkommen geben, ohne die Frage der Wirtschaftsspionage sauber und vertrauensvoll zu klären.

Der Fraktionsvoritzende der FDP im Bundestag, Rainer Bruederle in Berlin. (Foto: dapd)
Warnt vor Wirtschaftsspionage: FDP-Spitzenkandidat Rainer BrüderleBild: dapd

Parallel zu den Handelsfragen begann denn auch eine Arbeitsgruppe, über die Spähvorwürfe zu diskutieren, wie die EU-Vertretung in Washington mitteilte. Bei den Gesprächen auf Beamtenebene solle es zunächst um Verfahrensfragen und Termine gehen. Weitere Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.

Politiker warnen vor Wirtschaftsspionage

Dass der Geheimdienst NSA auch in Deutschland im Datenverkehr mitliest, sorgte für großen Aufruhr. Politiker befürchten, dass es den US-Amerikanern nicht nur um Terrorbekämpfung geht, sondern auch um Informationen aus Unternehmen. Es passe nicht zu einer Freihandelszone, dass die Wirtschaft der Mitgliedsstaaten ausspioniert werde, sagte der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder der "Rheinischen Post". Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte in der "Süddeutschen Zeitung", bei den Verhandlungen zuerst darüber zu sprechen, was mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und dem Datenschutz sei.

Bisher galt China als Angreifer Nummer eins in Sachen Firmenspionage. Daran hat sich auch weiterhin nichts geändert, sagte Gabriel Felbermayr, Wirtschaftsexperte am ifo-Institut in München, im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das wird jetzt alles aufgebauscht." Er sehe keinen Zusammenhang zwischen Wirtschaftsspionage und dem künftigen Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. Wenn es überhaupt etwas Negatives an dem Abkommen gebe, sei das nicht die Wirtschaftsspionage, sondern der härter werdende Wettbewerb für kleinere Mittelständler. "Sie werden es in Zukunft schwer haben", sagt Felbermayr und ist sich sicher: "Die Vorteile überwiegen trotzdem."

Verhältnis zwischen Deutschland und den USA angespannt

Dennoch gibt es Experten, die Felbermayrs Meinung nicht teilen und westlichen Geheimdiensten vorwerfen, sie würden deutsche Firmen systematisch ausspionieren. Tatsächlich ist das nicht aus der Luft gegriffen. Der britische Geheimdienst GCHQ etwa ist ausdrücklich auch dafür da, für "wirtschaftliches Wohlergehen" zu sorgen. Die Formulierung "economic well-being" steht im ersten Abschnitt des "Intelligence Service Act" von 1994. Das britische Gesetz beschreibt die Aufgaben der Geheimdienste. Ob die Vorwürfe stimmen oder nicht - das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland ist angespannt, sagt der Regensburger Politikexperte Stephan Bierling: "Natürlich ist die Beziehung belastet. Die Amerikaner haben sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt, was die Abhörmethoden anbelangt. Insbesondere natürlich die Abhörung der EU-Botschaft." Das, sagt er, würden die Europäer so nicht akzeptieren. "Obwohl man schon sagen muss, dass hier alle ein bisschen mit gezinkten Karten spielen." Das zeige sich am Gentlemen-Agreement, das der Bundesnachrichtendienst mit der NSA habe, was den Datenabgleich anbelange. "Auch die Deutschen profitieren von den amerikanischen Daten und Informationen", sagt Bierling.

US-Präsident Barack Obama besucht Kanzlerin Merkel am 19. Juni in Berlin. (Foto: REUTERS)
Da war noch alles gut: Obama zu Besuch bei Merkel in BerlinBild: Reuters

Die Verhandlungen könnten scheitern

Dass die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA sich bald wieder bessern, glaubt Bierling unterdessen nicht. "Schon seit dem Ende des Kalten Krieges haben beide Länder ohnehin nicht mehr so ein großes Interesse aneinander", glaubt er. "In amerikanischen Augen sind die Deutschen unsichere Kantonisten." In Afghanistan und Libyen hätten die Deutschen aus amerikanischer Sicht eine zweifelhafte Rolle gespielt. Umgekehrt stünde Deutschland den Vereinigten Staaten skeptisch gegenüber. "Obama mag am Brandenburger Tor die gemeinsamen Werte beschwören, Merkel mag die Freiheitsmedaille des amerikanischen Präsidenten verliehen bekommen, aber diese enge, selbstverständliche Partnerschaft ist heute nicht mehr da."

Das angespannte Verhältnis der Nationen wird die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zumindest nicht erleichtern. "Scheitern werden sie daran aber auch nicht", schätzt Bierling. "Da gibt es viel größere Probleme, an denen es scheitern könnte - hormonbehandeltes Fleisch oder die französische Forderung nach einer Schutzzone für audiovisuelle Inhalte. Die Möglichkeiten, dass die Verhandlungen scheitern, sind relativ hoch, da ist die Datenaffäre nur ein kleines Problem unter mehreren."

Die Zentrale der National Security Agency (NSA) im amerikanischen Fort Meade. (Foto: dpa)
Die Zentrale der National Security Agency (NSA) in Fort MeadeBild: picture-alliance/dpa
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