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Politik

"Damit hätte Jamal niemals gerechnet"

2. Oktober 2019

Jamal Khashoggi musste sterben, weil er die saudische Regierung kritisierte. Für den grausamen Mord wurde bis heute niemand zur Rechenschaft gezogen. Khashoggis Verlobte zeigt sich im DW-Interview tief enttäuscht.

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Bild: picture-alliance/AP/J.S. Applewhite

Hatice Cengiz war die Verlobte des ermordeten Journalisten und Regierungskritikers Jamal Khashoggi. Am 2. Oktober 2018 – dem Tag seiner Ermordung –  begleitete sie ihn zum saudischen Konsulat. Ihr Verlobter wollte dort ein Dokument für die bevorstehende Heirat abholen – sie wartete vor dem Gebäude auf ihn. Doch er sollte das Konsulat nicht mehr lebend verlassen: Ein aus Saudi-Arabien angereistes Spezialkommando ermordete ihn und soll seinen Körper anschließend zerstückelt haben. Die Leiche wurde bis heute nicht gefunden. Ein Jahr nach der Tragödie berichtet Cengiz der Deutschen Welle, was seither passiert ist.

Deutsche Welle: Frau Cengiz, wenn Sie heute auf die Ermordung Ihres Verlobten Jamal Khashoggi zurückblicken - was denken Sie, welche Ziele die Drahtzieher verfolgten? 

Hatice Cengiz: Jamal stellte zum Zeitpunkt seiner Ermordung für die Politik Saudi-Arabiens eine große Gefahr dar. In den Augen der Herrscher von Saudi-Arabien war er jemand, der Dinge ausspricht, die vertuscht werden sollen. Hinzu kam, dass er seine kritischen Positionen durch die Gründung einer Denkfabrik in den USA weiter verbreiten wollte. Kurz gesagt: Die Regierung duldeten diesen einflussreichen Widersacher nicht. Ich hätte es aber niemals für möglich gehalten, dass der Hass so weit gehen würde, dass man ihn irgendwann einfach so beseitigt. Damit hätte auch Jamal niemals gerechnet.  

Ein Untersuchungsbericht der Vereinigten Nationen, der im Juni veröffentlicht wurde, enthielt grausame Details zur Ermordung Khashoggis. Der Bericht kam zu dem Entschluss: Saudi-Arabien ist eindeutig für den Mord verantwortlich. Sind Sie zufrieden mit der internationalen Zusammenarbeit zur Aufklärung des Mordfalls? 

Die Ermittlungen in der Türkei sind noch nicht zu einem endgültigen Ergebnis gekommen. Es gibt Hinweise, dass wir bald über den Stand der Ermittlungen informiert werden. Ich finde den Untersuchungsbericht der Vereinigten Nationen sehr relevant. Er ist ermutigend, denn er trägt einige Vorwürfe zusammen. Zudem fand er weltweite Beachtung. Als der Bericht zum ersten Mal angekündigt wurde, hatte ich noch Hoffnung, dass die EU-Staaten auf dieser Grundlage Sanktionen durchführen würden. Kein Land hat jedoch bisher konkrete Schritte unternommen – keine Verurteilung hat sich daraus ergeben. Ich denke, dass Sanktionen notwendig wären. Das hat mich enttäuscht. 

Wir wissen, dass Sie Kontakte in die USA haben. Was erfuhren sie aus ihren Gesprächen bezüglich des Khashoggi-Mordes? 

Die Mitglieder des US-Kongresses sind unzufrieden, dass bis jetzt keine konkreten Schritte eingeleitet wurden. Sie erwähnten, dass sie an Gesetzen arbeiten, die Saudi-Arabien zukünftig davon abhalten sollen, erneut solche Mord-Operationen durchzuführen. Sie sind stets bemüht, klar zu stellen, dass Trumps Politik nicht als repräsentative US-Politik wahrgenommen wird. 

Die Ermittlungen in der Türkei laufen noch. Werden sie regelmäßig über den Stand informiert?  

Nein, ich verfolge natürlich die Nachrichten. Soweit mir bekannt ist, wird die Staatsanwaltschaft bald eine Erklärung abgegeben. Ich habe keinen persönlichen Kontakt zu den Behörden.

Was sagen sie zu der Aussage des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, dass er die volle Verantwortung übernehme? 

Das klingt für mich nach einem politischen Manöver. Viele Entscheidungsträger aus Saudi-Arabien haben sich ähnlich geäußert. Ich empfinde solche Aussagen als Versuch, ein wenig öffentlichen Druck abzubauen. Er sagt, dass er die Verantwortung übernehme. Gleichzeitig sagt er aber auch, dass er von nichts gewusst habe. Das macht für mich keinen Sinn.