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Haydn-Projekt wird bei Opus Klassik gefeiert

Sarah Hucal
15. Oktober 2024

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen bekam den bedeutenden Klassik-Preis für eine Einspielung von Joseph Haydns Musik. Eine DW-Dokumentation zeigt, wie das Album entstand.

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Ein Mann mit Taktstock dirigiert Musizierende mit Geige
Paavo Järvi dirigiert die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen in WienBild: Julia Baier

In diesen Tagen war es in Berlin wieder soweit: Das Who is Who der Klassik-Musikszene hatte sich in Abendgarderobe geworfen, um bei den Veranstaltungen des Opus Klassik gleich mehreren Konzerten zu lauschen, darunter dem Pianisten Lang Lang mit seiner Frau Gina Alice oder der Sopranistin Ana Prohaska. Die Events rund um die Preisverleihungen in 27 Kategorien, die von einer Jury aus Fachleuten aus der Musik- und Medienbranche vergeben werden, endeten mit einer Gala im Berliner Konzerthaus.

Zu den Preisträgern gehört die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die den Opus Klassik in der Kategorie bestes Orchester für ihre jüngste Einspielung der Londoner Sinfonien 101 und 103 von Joseph Haydn unter der Leitung des estnisch-amerikanischen Dirigenten Paavo Järvi erhält. 

Hinter den Kulissen mit Haydn

Die Entstehung dieses Albums wurde in der DW-Dokumentation "The Haydn Expedition" festgehalten, die im Dezember dieses Jahres veröffentlicht wird. Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms steht der österreichische Komponist Joseph Haydn (1732-1809), dessen Ruhm im Laufe der Zeit von Beethoven und Mozart in den Schatten gestellt wurde.

Joseph Haydn
Haydn hat Mozart und Beethovens Musik stark beeinflusstBild: dpa/picture-alliance

Dirigent Paavo Järvi und das Orchester nahmen sich vor, Joseph Haydns Sinfonien durch eine Reihe von Konzerten und Aufnahmen ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Ihr Ziel: allen zu zeigen, dass der Komponist mehr war als ein strenger Typ mit weißer Perücke. "Ohne Haydn hätte es keinen Mozart gegeben, keinen Beethoven. Der ganze Einfluss kam von Haydn", betont Järvi in der DW-Dokumentation. "104 Sinfonien! Wer kann schon 104 Sinfonien schreiben?"

Um Perfektion bemüht  

Die insgesamt zwölf Londoner Sinfonien des Komponisten entstanden zwischen 1791 und 1795 und gelten als Meisterwerke, obwohl sie nur selten in Konzertsälen zu hören sind.

Järvi, der seit 20 Jahren die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen dirigiert, setzte alles daran, dass die Aufnahmen dieser Werke perfekt sind - und dass jedes der 41 Orchestermitglieder mit dem Ergebnis zufrieden ist.

41 Musikerinnen und Musiker posieren mit ihren Instrumenten auf einer Treppe
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen wurde beim Opus Klassik 2024 als bestes Orchester ausgezeichnetBild: Julia Baier

Im Gegensatz zu den meisten Orchestern funktioniert die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen nämlich als Kollektiv: Alle Mitglieder sind Anteilseigner, die sowohl die künstlerische als auch die wirtschaftliche Verantwortung für die Gruppe tragen. Dieses Gefühl der gemeinsamen Zuständigkeit hat sicherlich dazu beigetragen, das Ensemble in seinem Genre an die Spitze zu bringen. "Das Tolle an unserem Orchester ist, dass wir manche Stücke zwar immer wieder spielen und sogar aufnehmen, sie aber jedes Mal neu entdecken und ihnen irgendwie unsere eigene Lebendigkeit verleihen", sagt Solo-Cellistin Nuala McKenna im Film.

Komponist im Schatten anderer

Man könnte sich Haydn als einen ziemlichen strengen Menschen vorstellen, aber das treffe gar nicht zu", sagt Järvi. "Wenn man sich seine Musik und vor allem den Humor in seiner Musik anhört, kann das nicht von einer Person kommen, die verklemmt, steif und langweilig ist. Das ist einfach nicht möglich."

Musikwissenschaftler sind sich darin einig, dass der Komponist weitgehend für die Entwicklung der Standardform der Sinfonie verantwortlich ist. Sie wird auch heute noch verwendet. Diese Standardform besteht aus einer langsamen Einleitung und einem schnellen ersten Satz, gefolgt von einem langsamen zweiten Satz, einem Menuett und Trio als drittem Satz und schließlich einem weiteren Allegro. Generationen von Komponisten, die auf Haydn folgten, hielten sich in etwa an dasselbe Format.

Teil der Familiengeschichte

Gerade diese Stücke aufzunehmen, war für Paavo Järvi die Erfüllung eines Kindheitstraums. Der Dirigent entstammt einer Familie bekannter estnischer Musiker. Sein Vater Neeme und sein Bruder Kristjan sind ebenfalls Dirigenten, seine Schwester Maarika Flötistin. Die Familie Järvi emigrierte 1980 aus der ehemaligen Sowjetrepublik Estland in die Vereinigten Staaten und konnte erst über zehn Jahre später in ihr Heimatland zurückkehren, als Estland 1991 eine unabhängige Republik wurde.

Paavo Järvis Vater Neeme gilt als eine der wichtigsten Köpfe der estnischen Klassik-Musikszene. Er hatte gerade die Aufnahme von Haydns Londoner Sinfonien beendet, als die Familie aus Estland fliehen musste. "Die Aufnahmen waren alle fertig, und dann mussten wir weg und sie wurden zerstört. Sie wurden nie veröffentlicht, weil mein Vater in den Augen der Sowjets ein Verräter war", erzählt der Sohn.

Porträt eines Mannes, der mit verschränkten Armen in die Kamera schaut.
Paavo Järvi entstammt einer Familie prominenter estnischer MusikerBild: Julia Baier

Jetzt, da  er die Londoner Sinfonien selbst mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen einspielt, sind die Stücke wieder Thema in der Familie - der Kreis schließt sich. "Wir sprechen die ganze Zeit über Haydn. Tatsächlich spiele ich meine Aufnahmen ab und schicke sie meinem Vater, und er hört sie sich sehr genau an", erzählt Paavo Järvi.

Haydn starb 1809 im Alter von 77 Jahren in Wien, aber seine Musik lebt weiter - jetzt auch in der neuen Aufnahme der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.

Adaption aus dem Englischen: Theresa Szorek