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KonflikteLibanon

Heftiger Schlagabtausch an Israels Grenze zum Libanon

17. Juli 2024

Im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon wachsen die Spannungen wieder. Nach dem jüngsten israelischen Luftangriff auf Ziele im Libanon feuerte die Schiitenmiliz Hisbollah erneut Dutzende Raketen auf Israel ab.

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Ein Mann mit Resten einer israelischen Rakete vor einer Hausruine in Bint Dschubail im Libanon
Ein Mann zeigt im libanesischen Bint Dschubail Überreste einer israelischen Rakete Bild: Mohammad Zaatari/AP/dpa/picture alliance

Ein nächtlicher Raketenhagel der libanesischen Hisbollah auf den Norden Israels schürt die Sorge vor dem Ausbruch eines neuen Krieges. Die radikalislamische Schiitenmiliz feuerte in mehreren Angriffswellen bis in die Morgenstunden Dutzende Raketen ab. Die pro-iranische Hisbollah, die von den USA, Deutschland und mehreren arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, reagierte damit nach eigenen Angaben auf den Tod von fünf Syrern bei israelischen Angriffen im Süden des Libanons. Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA meldete, bei einem israelischen Drohnenangriff seien drei syrische Kinder im Alter zwischen fünf und zehn Jahren auf einem Feld im Dorf Umm Tut getötet worden. Bei einem weiteren Drohnenangriff auf ein Motorrad auf der Straße nach Kfar Tebnit im Südlibanon seien zudem zwei Arbeiter aus Syrien getötet worden.

Rauchspuren nach dem Abschuss von Hisbollah-Raketen über dem Libanon
Rauchspuren zeugen vom Einsatz der israelischen Luftabwehr gegen Hisbollah-RaketenBild: Taher Abu Hamdan/XinHua/dpa/picture alliance

Das israelische Militär fing einige Raketen der Hisbollah ab, andere schlugen auf offenem Gelände auf. Bis zum späten Abend habe es keine Verletzten gegeben. In den frühen Morgenstunden meldete die Armee dann erneuten Raketenalarm. Die israelische Luftwaffe griff in Reaktion auf den Raketenbeschuss Stellungen der Hisbollah an, wie das Militär mitteilte. Dazu habe eine "Terrorzelle" bei Jarin in der Nähe von Umm Tut gehört. Keine der Angaben beider Seiten ließ sich unabhängig überprüfen.

Bereits mehr als 500 Todesopfer

Seit Beginn des Israel-Hamas-Kriegs liefern sich die Hisbollah und die israelische Armee im Grenzgebiet fast täglich Gefechte. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP wurden dabei auf libanesischer Seite 511 Menschen getötet, die meisten waren militante Kämpfer. Unter den Getöteten sind aber auch mindestens 104 Zivilisten. Auf israelischer Seite wurden nach Behördenangaben 17 Soldaten und 13 Zivilisten getötet.

Rückt Israel in den Libanon ein?

Israel fordert, dass sich die Hisbollah hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Die Schiitenmiliz will mit dem Beschuss Israels aber erst aufhören, wenn es zu einer Waffenruhe im Israel-Hamas-Krieg im Gazastreifen kommt. Danach sieht es jedoch im Moment nicht aus. Die indirekten Verhandlungen, bei denen die USA, Katar und Ägypten vermitteln, sollen diese Woche in Doha oder in Kairo fortgesetzt werden.

HWR-Bericht zu Kriegsverbrechen der Hamas

Unterdessen veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) einen Bericht zum Terrorüberfall militant-islamistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober 2022 auf Israel. Zentraler Befund: Die radikalislamische Hamas hat zusammen mit anderen militanten Palästinensergruppen bei ihrem Großangriff auf Israel Hunderte Kriegsverbrechen begangen. "Es gab an diesem Tag offensichtlich Hunderte von Verbrechen", sagte HRW-Chef Belkis Wille. Es sei für die Organisation jedoch "unmöglich, die einzelnen Fälle zu beziffern".

Der Bericht ist eine der bislang ausführlichsten internationalen Studien zum beispiellosen Überfall auf den Süden Israels. Er fokussiert sich insbesondere auf Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht gemäß den Genfer Konventionen. Zu der Vielzahl registrierter mutmaßlicher Kriegsverbrechen gehören demnach "vorsätzliche und wahllose Angriffe auf Zivilisten und zivile Objekte, vorsätzliche Tötung von Personen in Gewahrsam, grausame und andere unmenschliche Behandlung, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt, Geiselnahme, Verstümmelung und Beraubung von Leichen, Einsatz menschlicher Schutzschilde sowie Plünderung und Brandschatzung".

Obwohl die Hamas als Drahtzieher des Angriffs gilt, werden in dem Bericht auch andere bewaffnete Gruppen genannt, die am 7. Oktober Kriegsverbrechen begangen haben, darunter der mit der Hamas verbündete Islamische Dschihad. Die Hamas wird in den USA, der EU, Deutschland und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation gelistet. 

HWR: "Unglaublich organisiert"

Wille wies bei der Vorstellung des Berichts auf den "unglaublich organisierten und koordinierten Charakter" des Angriffs auf Städte, Kibbuz-Gemeinschaften und Armeestützpunkte an der Grenze zum Gazastreifen hin. "An vielen Angriffsorten schossen die Kämpfer direkt auf Zivilisten, oft aus nächster Nähe, wenn diese versuchten zu fliehen, und auf Menschen, die zufällig mit Fahrzeugen in der Gegend unterwegs waren", heißt es in dem Bericht.

Demnach schleuderten die militanten Angreifer auch Granaten, schossen in Schutzräume und feuerten mit Panzerfäusten auf Häuser. "Sie setzten einige Häuser in Brand, verbrannten und erstickten Menschen und vertrieben andere, die sie dann als Geiseln nahmen oder töteten", heißt es weiter.

HRW stieß zudem auf "Beweise für sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt durch Kämpfer". Deren volles Ausmaß werde jedoch "wahrscheinlich nie vollständig bekannt sein", da die Opfer entweder tot seien, aus Angst vor möglicher Stigmatisierung nicht darüber sprechen wollten oder die israelischen Ersthelfer "größtenteils" keine relevanten Beweise gesammelt hätten.

Gaza: Leben in Leid und Elend

Nach israelischen Angaben wurden bei dem Angriff der Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen am 7. Oktober etwa 1195 Menschen getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Die Angreifer brachten rund 250 Geiseln in ihre Gewalt. 116 der Verschleppten befinden sich noch immer im Gazastreifen, nach israelischen Angaben sind 42 von ihnen tot.

Als Reaktion auf den Terrorüberfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bisher mehr als 38.700 Menschen getötet. Israel steht wegen der vielen zivilen Opfer und der immensen Schäden in dem abgeriegelten Küstenstreifen international stark in der Kritik.

kle/se/jj (dpa, afp, ape)