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Heilen statt Impfen: 30 Jahre HIV

Jennifer Fraczek23. April 2014

Seit der Entdeckung des HI-Virus vor 30 Jahren hat es viele Versuche gegeben, eine wirksame Schutzimpfung zu entwickeln. Bislang sind alle gescheitert. Die Suche nach einem Heilmittel scheint erfolgversprechender.

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Eine thailändische Laborantin untersucht Blutproben von Probanden einer Studie(Foto: ddp images/AP Photo)
Tests von HIV-Impfstoffen - wie hier 2009 in Thailand - brachten bis jetzt nicht die erhofften ErgebnisseBild: AP

Es war eine aufsehenerregende Nachricht, die US-Gesundheitsministerin Margaret Heckler am 23. April 1984 verkündete: Robert Charles Gallo, der Direktor des Labors für Tumorvirologie der Nationalen Gesundheitsinstitute (NIH), habe den Erreger der Immunschwäche-Krankheit Aids gefunden. Doch damit nicht genug: In zwei Jahren, so ihre gewagte Prognose, werde wohl ein Impfstoff verfügbar sein, der eine Ansteckung verhindere.

Heckler lag in zweierlei Hinsicht falsch: Mit ihrer Voraussage, dass es bald einen Impfstoff geben werde, und mit der Aussage, Gallo sei der Entdecker des HI-Virus. Denn nicht Gallo, sondern dem Franzosen Luc Montagnier vom Pariser Pasteur-Institut gebührt wohl dieser Titel. Beide haben nach dem Aids-Erreger gesucht und dabei auch zusammengearbeitet. Das von Gallo 1984 vorgestellte Virus stammte aber offensichtlich aus einer Probe, die Montagniers Institut in die USA geschickt hatte. Gallo sah sich mit Betrugsvorwürfen konfrontiert, erklärte das Dilemma mit Verunreinigungen im Labor. Montagnier und seine Kollegin Françoise Barré-Sinoussi erhielten 2008 für ihre Entdeckung des HI-Virus den Nobelpreis. Gallo - selbst Nobelpreisträger für seine Forschung zu humanen exogenen Retroviren - hat allerdings, das ist unumstritten, den ersten Aids-Bluttest entwickelt, der die Krankheit nachweisen kann, bevor sie ausbricht.

"Viel Geld versenkt"

Auf einen Impfstoff gegen das HI-Virus wartet die Welt aber bis heute. Rund 34 Millionen Menschen sind nach Angaben von UNAIDS, der Aids-Organisation der Vereinten Nationen, weltweit mit dem Virus infiziert. Etwa 6000 kommen jeden Tag hinzu. "Insbesondere in einigen afrikanischen Ländern, wo die Krankheit stark verbreitet ist, wäre eine Impfung, die die Ausbreitung von HIV im Körper zurückdrängt, eine große Hilfe", sagte vor einigen Wochen der Direktor der Internationalen Koalition für HIV-Prävention (AVAC), Mitchell Warren, im DW-Gespräch. Auch der Arzt und Aids-Forscher Hans Jäger meint: "Selbstverständlich könnten wir einen Impfstoff gegen HIV gut gebrauchen. Aber wir haben ihn nicht und es sieht nicht so aus, als würden wir ihn in näherer Zukunft bekommen."

Eine grafische Darstellung des HI-Virus (Foto: Bruce Coleman/Photoshot)
Sehr anpassungsfähig: das HI-VirusBild: picture alliance / © Bruce Coleman/Photoshot.

Eine Schutzimpfung zu entwickeln, ist unter anderem deswegen schwierig, weil sich das HI-Virus sehr schnell anpassen kann. Auch darum hält Jäger diesen Weg für eine Sackgasse. Es sei in diesem Forschungsbereich schon "viel Geld versenkt worden". Mehr als 100 Studien seien durchgeführt worden, keine habe die erhofften Ergebnisse gebracht.

2009 gab es eine große Versuchsreihe in Thailand, deren Ergebnisse zunächst gut klangen. Das Risiko einer Ansteckung sank mit der Impfung der RV144 genannten Substanz um mehr als 30 Prozent. Allerdings war die Zahl derer, die sich überhaupt ansteckten, sehr klein: 125 von insgesamt rund 16.000 Versuchspersonen. 74 von ihnen waren nicht geimpft und 51 geimpft. Der Impfstoff soll weiterentwickelt und 2016/17 in Südafrika erneut getestet werden. In den USA wurde im vergangenen Jahr eine große Studie mit dem Impfstoff HVTN 505 gestoppt, weil sich herausstellte, dass er wirkungslos war.

30 Impfstoffe in Arbeit

Derzeit wird nach Angaben der AVAC, die sich für die Entwicklung von Impfstoffen einsetzt, weltweit an 30 Vakzinen gearbeitet. Wie so oft im Gesundheitswesen geht es um viel Geld: Große klinische Studien haben nicht selten ein Budget von 50 Millionen US-Dollar oder mehr. Die Studie in Thailand kostete mehr als 100 Millionen US-Dollar.

In Brasilien wird gerade intensiv an einem Impfstoff namens HIVBr18 geforscht. Tests an Laborratten und Rhesusaffen haben laut den Forschern der Universität São Paulo "positive Ergebnisse" gebracht. Dieses Vakzin soll zweierlei leisten: Im besten Fall wirkt es präventiv, taugt also als Schutzimpfung. Bei Infizierten soll es aber auch den Ausbruch der Krankheit verzögern.

Ein Schuljunge läuft in Soweto in Johannesburg an einem Wandbild vorbei, das vor Aids warnt (Foto: dpa)
"Aids tötet": Wandbild in JohannesburgBild: picture-alliance/dpa

Heilung möglich?

Das wäre dann keine Schutzimpfung, sondern eine sogenannte therapeutische Impfung. Sie hält Hans Jäger durchaus für sinnvoll. In Studien habe sich gezeigt, dass sie - zusammen mit anderen Aids-Medikamenten - das Virus wirksam bekämpfe.

Aus Jägers Sicht wäre es deswegen besser, das Geld statt in die Entwicklung einer Schutzimpfung lieber in die Therapieforschung zu stecken. Bei der Behandlung von Aids-Patienten habe es nämlich in den vergangenen 30 Jahren große Fortschritte gegeben. "Mehr als 20 Patienten weltweit sind bereits von HIV geheilt", sagt Jäger. "Heilung ist also möglich, sowohl bei akut als auch bei chronisch infizierten Patienten. Wir wissen nur noch nicht, wie wir das auf große Gruppen übertragen können. Aber: Wir werden früher eine Heilung haben als eine Impfung."