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Heimarbeit in Deutschland oft verboten

1. Februar 2016

Für viele Arbeitnehmer ist das Home-Office die Lösung, für andere ein Alptraum. Denn zu Hause wird oft mehr gearbeitet als im Büro. Trotzdem sind die Unternehmen hierzulande restriktiv - und schaden sich damit selbst.

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Mann am Schreibtisch in seiner Wohnung (Symboldbild: Imago/Westend61)
Keineswegs nur wegen der Kinder: Singles favorisieren das Home-Office ebenso wie Familien (Symbolbild)Bild: Imago/Westend61

Deutschland hinkt hinterher: Nur jeder zwölfte Arbeitnehmer ist überwiegend oder gelegentlich in Heimarbeit tätig - im EU-Schnitt sind es zehn Prozent, in Ländern wie Dänemark, Luxemburg oder Schweden sogar über 20 Prozent. Das geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor, aus der die Nachrichtenagentur AFP zitiert.

Befund Nummer zwei: Deutschland bewegt sich sogar gegen den europäischen Trend. Während auf dem Kontinent insgesamt die Zahl der Heimarbeiter in den vergangenen Jahren zugenommen hat, war die Tendenz in Deutschland lange Zeit rückläufig. Zuletzt verharrten die Werte auf diesem niedrigen Niveau.

Erzwungene Präsenz

Das dritte Ergebnis: Viele deutsche Unternehmen sperren sich gegen die Wünsche ihrer Mitarbeiter. Theoretisch, so die Schätzung der Studienautoren, wäre Heimarbeit bei 40 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland möglich. Zwei Drittel der Arbeitnehmer, auf die das zutrifft, würden laut DIW tatsächlich gern am heimischen Schreibtisch aktiv werden. Doch in den meisten Fällen lege der Arbeitgeber sein Veto ein.

Besonders ausgeprägt sei der Wunsch nach dem Home-Office bei qualifizierten, vollzeitbeschäftigten Arbeitskräften. Das Institut schätzt, die Zahl der Heimarbeiter in Deutschland könnte mehr als verdoppelt werden. Bedingung: Die Unternehmen müssten umdenken.

Frau mit Notebook, sitzend auf dem Balkon (Symbolbild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO)
Was aussieht wie Freizeit, ist harte Arbeit - oft sogar mit unbezahlten Überstunden (Symbolbild)Bild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO

Überraschung Nummer vier: Nicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist laut der Studie der wichtigste Grund, um in den eigenen vier Wänden zu arbeiten, sondern der "Wunsch nach mehr zeitlicher Autonomie". Singles wollten ähnlich häufig zu Hause ihrem Job nachgehen wie Alleinerziehende. Unter Familien mit Kindern sei Heimarbeit derzeit sogar eher weniger zu finden als bei Paaren, die keine Kinder im Haushalt haben.

"Personalpolitische Dinosaurier"

Wunsch und Wirklichkeit klaffen in bestimmten Branchen auffällig weit auseinander: Banken, Versicherungen und die öffentliche Verwaltung verbieten das Home-Office besonders oft - Bereiche also, in denen sich der Beruf grundsätzlich einfacher in den eigenen vier Wänden ausüben ließe als in anderen Sektoren. Hier säßen offensichtlich noch "personalpolitische Dinosaurier" an den Entscheidungshebeln, erklärte der Autor der Studie, DIW-Arbeitsmarktexperte Karl Brenke.

Dabei würde Heimarbeit auch den Arbeitgebern Vorteile bringen. Denn wie sich schon in früheren Untersuchungen zeigte, schuften Angestellte daheim eher mehr als im Büro: 2014 arbeiteten Menschen, die bereits zu Hause beruflich tätig waren, im Schnitt 40,6 Stunden pro Woche, während Angestellte im Büro durchschnittlich 36,2 Stunden arbeiteten. Heimarbeiter machten außerdem überdurchschnittlich viele Überstunden. Dennoch seien diejenigen, die auch zu Hause für die Fima tätig werden, mit ihrer Arbeit im Durchschnitt zufriedener.

Schädliche Wünsche

Damit ergibt sich eine überraschende Pointe: Die Arbeitgeber verbieten ihren Mitarbeitern oft, was diese wollen - und was ihnen selbst auch nützen würde.

Doch damit schützen sie die Arbeitnehmer zugleich vor Nebenwirkungen. Denn Heimarbeit ist aus Sicht der Experten auch eine Gefahr: "Diejenigen Arbeitskräfte, die bereits zu Hause ihrem Job nachgehen, arbeiten relativ lange - und oft wird die Mehrarbeit nicht entgolten", heißt es in der Studie. Die Lösung könnten laut DIW betriebliche, vielleicht auch tarifvertragliche Vereinbarungen sein - damit die Arbeitnehmer sich mit ihren Wünschen nicht ins eigene Fleisch schneiden.

jj/uh (afp, sz)