Helfer retten 70 Flüchtlinge im Mittelmeer
20. Juni 2020Einen Tag nach der Rettung von 67 Bootsflüchtlingen durch die "Mare Jonio" südwestlich der Insel Lampedusa haben die italienischen Behörden dem Schiff den Hafen der sizilianischen Stadt Pozzallo zugewiesen. Das teilte die italienische Hilfsorganisation "Mediterranea Saving Humans", die die "Mare Jonio" betreibt, mit.
Die italienische Hilfsorganisation hat nach eigenen Angaben die Flüchtlinge südwestlich von Lampedusa gerettet. Die "Mare Jonio" habe die Menschen in der Nähe der italienischen Insel von einem Holzboot übernommen. Weder die italienischen noch die maltesischen Behörden hätten eingegriffen. Die Schiffbrüchigen seien viele Tage auf dem Meer unterwegs gewesen, davon mindestens 48 Stunden ohne Trinkwasser.
Ein Suchflugzeug der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch hatte das Boot bereits zwei Tage zuvor entdeckt. Auch Flugzeuge der EU-Grenzschutzorganisation Frontex und der EU-Mission "Irini" hätten die Lage im Blick gehabt, ohne den Menschen in Seenot zu helfen, erklärte Mediterranea.
Kein sicherer Hafen
Sea-Watch beklagte derweil, die italienischen Behörden verweigerten mehr als 200 Flüchtlingen an Bord des Schiffes "Sea-Watch 3" die Zuweisung eines sicheren Hafens. Die Menschen waren bei drei Rettungsaktionen in den vergangenen Tagen an Bord genommen worden.
Bundesaußenminister Heiko Maas verlangte aus Anlass des Weltflüchtlingstages an diesem Samstag einen wirksameren Schutz und eine bessere Versorgung von Flüchtlingen. Die Zahl der Menschen, die vor Krieg, Konflikten und Verfolgung geflohen seien, habe sich nochmals erhöht, sagte Maas in Berlin.
79,5 Millionen Menschen mussten nach Angaben der Vereinten Nationen ihre Heimat verlassen. Entweder sie leben in ihren Herkunftsstaaten als Binnenvertriebene oder sie haben die Landesgrenzen überschritten. "Das entspricht etwa der Einwohnerzahl Deutschlands - ein sehr trauriger neuer Rekordwert", so der Bundesaußenminister. Gerade angesichts der Corona-Pandemie seien Schutz und Versorgung von Flüchtlingen "eine Notwendigkeit, die oft über Leben und Tod entscheidet".
"Familien gehören zusammen"
Politiker der Opposition, aber auch Vertreter von Kirchen und Verbänden nahmen den Flüchtlingstag zum Anlass für mahnende Appelle. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte die Regierung auf, die Familienzusammenführung Geflüchteter zu erleichtern. Familien gehörten zusammen und der Bund müsse "endlich unbürokratisch" entsprechende Visa ausstellen, sagte Göring-Eckardt der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Zu konkreter Unterstützung vor Ort ermunterte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. "Verschließt eurer Herz nicht und helft", sagte er in einem Video auf Facebook.
Der sizilianische Kardinal Francesco Montenegro beklagte eine weit verbreitete Teilnahmslosigkeit gegenüber Flüchtlingen. "Wir schauen zu und vergessen, dass das Menschen sind, die leben wollen", sagte er dem Portal "Vatican News". Montenegro ist ein profilierter Kritiker der EU-Flüchtlingspolitik. Zur Erzdiözese Agrigent, die er seit 2008 leitet, gehört auch die Mittelmeerinsel Lampedusa.
Brisante Reform
Die seit Jahren feststeckende Reform des EU-Asylsystems verzögert sich unterdessen weiter. Auf Wunsch "vieler Mitgliedstaaten" werde die Kommission eine Einigung in der Haushaltsdebatte abwarten, bevor sie einen neuen Vorschlag für die Asylreform unterbreite, hatte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Freitag dem Magazin "Politico" gesagt. "Es ist realistischer, über eine Präsentation nach der Sommerpause zu sprechen."
Die Reform ist politisch hochbrisant. Momentan gilt die sogenannte Dublin-Vereinbarung, wonach Flüchtlinge in dem Land bleiben und einen Asylantrag stellen müssen, in dem sie als erstes europäischen Boden betreten. Dies belastet insbesondere Länder an den Außengrenzen wie Griechenland, Italien und Spanien.
Eine Überarbeitung der Dublin-Vereinbarung war in den vergangenen Jahren immer an der Frage der Flüchtlingsaufnahme gescheitert. Die Erstaufnahmestaaten an den Außengrenzen pochen auf Solidarität in Form der Verteilung und Aufnahme von Flüchtlingen durch die EU-Partner. Vor allem die osteuropäischen Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn lehnen dies jedoch kategorisch ab.
jj/mak/kle (dpa, afp, epd, kna)